Wieviel vom Gesetzentwurf zur Chatkontrolle steckt im neuen Bundespolizeigesetz?

Der umstrittene Verordnungsentwurf des EU-Rats zur Chatkontrolle ist mangels Aussicht auf eine Mehrheit von der Tagesordnung der jüngsten Sitzung genommen worden. Erst kürzlich verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für das neue Bundespolizeigesetz, in dem einige Aspekte dem der Chatkontrolle ähneln.
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Mehr Befugnisse sind im neuen Bundespolizeigesetz vorgesehen, das das Bundeskabinett vergangene Woche verabschiedet hat.Foto: gesrey/iStock
Von 19. Oktober 2025

In Kürze

  • Das EU-Gesetz zur Chatkontrolle ist vertagt
  • Bundespolizeigesetz räumt umfassendere Möglichkeiten bei der Überwachung von Kommunikation ein
  • Enthalten sind auch Präventivmaßnahmen, die keinen konkreten Tatverdacht benötigen
  • Handyortung, Staatstrojaner und Fluglisten werden zum Standardrepertoire der Bundespolizei

 

Der Rat der Europäischen Union hat die Abstimmung über die umstrittene Regelung zur Chatkontrolle von der Tagesordnung abgesetzt. Ursprünglich sollte das Gremium in seiner Sitzung am Dienstag, 14. Oktober, über die – so die offizielle Bezeichnung – CSA-Verordnung (Child Sexual Abuse Regulation) abstimmen und den Weg frei machen für eine EU-weite Regelung.

Justizministerin Hubig bleibt beim Nein zur Chatkontrolle

Für den vorliegenden Entwurf der dänischen Ratspräsidentschaft hätte Deutschland mit seiner Zustimmung eine Mehrheit liefern können, doch herrscht in der schwarz-roten Koalition Uneinigkeit beim Thema. So bekräftigte Justizministerin Dr. Stefanie Hubig (SPD) ihre Ablehnung gegenüber der Verordnung: „Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein“, sagte sie in der vergangenen Woche erneut (Epoch Times berichtete). Private Kommunikation dürfe nie unter Generalverdacht stehen. Auch dürfe der Staat Messenger nicht dazu zwingen, Nachrichten vor dem Versenden auf verdächtige Inhalte zu scannen. Hubig betonte:

„Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen.“

Man müsse beim Kampf gegen Kinderpornografie auch auf EU-Ebene vorankommen, dafür setze sie sich auch ein:

Aber auch die schlimmsten Verbrechen rechtfertigen keine Preisgabe elementarer Bürgerrechte. Darauf habe ich in den Abstimmungen der Bundesregierung seit Monaten beharrt. Und dabei wird es bleiben.“

Unterstützung erhält sie von ihrem Parteifreund Dirk Wiese, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Auch er spricht sich gegen die Chatkontrolle nach den bisherigen EU-Vorgaben aus. So glaube er nicht, dass diese Verordnung vor deutschen Gerichten Bestand haben könne. Wiese plädiert daher für „entsprechende Ermittlungsbefugnisse“ der Behörden.

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Merz für mehr Kontrolle

Auch in einer Aktuellen Stunde, die die AfD-Fraktion für Donnerstag, 9. Oktober, beantragt hatte, stellte der CDU-Abgeordnete Johannes Rothenberger klar, dass es kein generelles Scannen geben dürfe. Dies solle nur in einzelnen, „eng definierten Fällen, als letztes Mittel bei konkretem Verdacht, zeitlich begrenzt und nur mit richterlicher Anordnung“ möglich sein.

Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte sich bisher nicht zur Chatkontrolle. Im Zusammenhang mit dem am 8. Oktober beschlossenen Bundespolizeigesetz im Bundeskabinett wird aber deutlich, dass der CDU-Politiker stärkere Kontrollen befürwortete. So sagte er auf X:

Deshalb modernisieren wir das Bundespolizeigesetz: für mehr Kontrollen in Waffen- und Messerverbotszonen, die Nutzung von Drohnen und präventive Telekommunikationsüberwachung.“

Nun steht die Chatkontrolle in der Dezembersitzung des EU-Rats (ein genauer Termin steht bisher nicht fest) auf der Tagesordnung. Bis dahin will sich die Bundesregierung einigen, zitiert die „taz“ einen Regierungssprecher.

Polizei soll mehr Möglichkeiten zur Überwachung bekommen

Das Bundespolizeigesetz räumt der Polizei umfassendere Möglichkeiten bei der Überwachung von Kommunikation ein, wie Merz sagte. Daher lohnt sich ein Vergleich: Wie viel Anteil der umstrittenen Brüsseler Verordnung steckt bereits im Bundespolizeigesetz?

Das neue Bundespolizeigesetz und die geplante EU-Chatkontrolle weisen in mehreren Punkten inhaltliche Überschneidungen auf. Dabei betreffen sie jedoch unterschiedliche Regelungsebenen und technische Ansätze. Letztlich aber erweitern beide Regelungen die Möglichkeiten staatlicher Stellen zur digitalen Überwachung und Datenverarbeitung.

Das Bundespolizeigesetz erlaubt den Ermittlern den Einsatz von Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und sogenannten Staatstrojanern, um verschlüsselte Kommunikation direkt auf dem Endgerät zu erfassen. Diese Maßnahmen können präventiv erfolgen. Es braucht also keinen konkreten Tatverdacht, wenn die Bundespolizei im Zusammenhang mit der Abwehr von Extremismus oder Schleuserkriminalität ermittelt. Zudem ermöglicht das Gesetz die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, ohne dass zuvor eine Errichtungsanordnung erforderlich ist.

Prof. Ulrich Kelber, bis Ende August 2024 der Bundesbeauftragte für den Datenschutz (BDFI) und die Informationsfreiheit, sieht in deren Streichung den „Wegfall eines wichtigen datenschutzrechtlichen Kontrollinstruments“.

Die EU-Chatkontrolle sieht hingegen ein flächendeckendes Client-Side-Scanning vor. Dabei werden Inhalte wie Bilder und Nachrichten direkt auf den Geräten aller Nutzer automatisiert gescannt – unabhängig davon, ob ein Verdacht besteht. Anbieter von Messenger-Diensten (WhatsApp, Signal, Telegram, Threema, usw.) wären verpflichtet, entsprechende Technologien einzusetzen, um potenziell strafbare Inhalte zu erkennen und zu melden. Die Regelung würde EU-weit gelten und auch Plattformen außerhalb Deutschlands betreffen.

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Bundesbeauftragter für Datenschutz kritisiert Chatkontrolle

Auch hier äußerte sich Kelber kritisch. Im Februar 2024 schrieb er in einer Stellungnahme: „Die Durchleuchtung sämtlicher privater Nachrichteninhalte ist keine Option. Der Verordnungsentwurf der Kommission in seiner ursprünglichen Form darf daher nicht realisiert werden.“ Positiv äußerte sich Kelber hingegen zu den Vorschlägen des Europäischen Parlaments, das diese als Reaktion auf den Entwurf des Europäischen Rats entwickelt hatte. Sie sehen „eine gezieltere Aufdeckung von sexuellem Online-Kindesmissbrauch vor“, schreibt der Politiker. Das Europaparlament betone unter anderem, dass die sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht untergraben werden darf, berichtete das Portal „netzpolitik.org“.

Kritik am neuen Bundespolizeigesetz äußerte die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Wenige Wochen vor der Verabschiedung des Gesetzes kritisierte sie die heimliche Erhebung von Verkehrsdaten. Dies könne dazu führen, dass Anwälte, die „berufsbedingt mit gefährdeten Personen kommunizieren, in den Fokus geraten, ohne selbst verdächtig zu sein“.

Es könne auch sein, dass ein Anwalt Ziel einer anlasslosen Durchsuchung „zur Durchsetzung von Waffenverbotszonen und Allgemeinverfügungen“ werde. Dabei könnten vertrauliche Mandatsunterlagen von der Durchsuchung betroffen sein. Dies sei mit der Schweigepflicht eines Anwaltes nicht vereinbar.

Doch nicht nur Anwälte sind betroffen. Laut „taz“ sollen „Handyortung, Staatstrojaner und Fluglisten aus dem Nicht-EU-Ausland“ zum Standardrepertoire der Bundespolizei werden.

Kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen

Kritische Berichte zum Bundespolizeigesetz sind rar gesät. Die meisten Medien, wie etwa die „Frankfurter Neue Presse“ (FNP) oder das „ZDF“ haben rein nachrichtlich darüber geschrieben. Dabei stand vorwiegend das Thema Drohnenabwehr im Mittelpunkt. Gareth Joswig hingegen schreibt in der „Tageszeitung“, das neue Bundespolizeigesetz sei ein

Schritt in Richtung mehr Autoritarismus und Überwachung“.

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch den Bundestag und den Bundesrat passieren.



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