Windkraft spaltet Berlin: Bezirke gegen neue Windräder in Landschaftsschutzgebieten

In Kürze:
Zankapfel Windkraft: Der Senat und die Bezirke von Berlin sind aufgrund der neuen Flächennutzungsplanung zerstritten.
Naturschutz in Gefahr: Der Bezirksstadtrat von Spandau beklagt einen massiven Eingriff in Landschaftsschutzgebiete.
Geringe Abstände zu benachbarten Grundstücken sorgen für Sprengstoff.
Gelegenheit zur Mitsprache: Noch bis zum 11. Juli kann sich die Öffentlichkeit an der Gestaltung beteiligen.
In Berlin hat der Senat kürzlich mehrere Flächen zu Windkraftarealen erklärt, um die Vorgaben des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) erfüllen zu können. Das sorgt jedoch für politischen Sprengstoff auf Bezirksebene.
Mehrere Stadtbezirke, in denen in den kommenden Jahren neue Windkraftanlagen errichtet werden können, sprechen ihren Unmut gegenüber der Planung aus. Teilweise wollen sie – soweit möglich – Widerstand leisten.
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Spandau: Massiver Schaden für die Natur
Ein Bezirk, der mit dem neu aufgelegten Flächennutzungsplan unzufrieden ist, ist Spandau. In dem im Westen der Hauptstadt gelegenen Stadtteil ist ein vergleichsweise großes Windenergiegebiet für die Rieselfelder Karolinenhöhe bei Gatow eingetragen.

Die geplanten Windkraftflächen im Berliner Bezirk Spandau. Foto: SenStadt Berlin
Auf Anfrage der Epoch Times stellte sich der Bezirksstadtrat Thorsten Schatz klar gegen die Nutzung des Spandauer Forsts und der Rieselfelder für Windkraftanlagen.
„Diese Gebiete dienen nicht nur als wichtige Naherholungsräume, sondern stellen auch ökologisch hochsensible Rückzugsräume für geschützte Tier- und Pflanzenarten dar. Der Spandauer Forst ist ein Landschaftsschutzgebiet und Teil des Natura-2000-Netzes“, sagte Schatz. „Auch Windräder auf den Gatower Rieselfeldern sind ein absolutes No-Go.“ Diese Fläche sei ebenso ein „Landschaftsschutzgebiet mit hoher naturschutzfachlicher Bedeutung“. Weiter sagte er:
„Dort Windkraftanlagen zu errichten, würde der Natur massiv schaden und die ökologische Funktion dieser Fläche zerstören.“
Es ist längst nicht das erste Mal, dass in Deutschland Windkraftanlagen in einem Landschaftsschutzgebiet errichtet werden sollen. Denn das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen den Bau von Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten. Allerdings führt dies häufig zu Widerstand bei Naturschutzinitiativen, Lokalverwaltungen und Anwohnern.
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Keine Einbindung der Bezirke
Zudem beklagte Schatz, dass der Senat die neue Flächennutzung nicht mit dem Bezirk abgestimmt hat. Überraschend kam die Planung nicht. Denn bereits vor drei Jahren hat die damalige Ampelregierung das WindBG verabschiedet. Das Flächenziel, für Stadtstaaten von 0,5 Prozent der Landesfläche für Windkraft auszuweisen, war damit bekannt.
Auf die Frage, warum sich die Bezirke nicht schon damals dagegen ausgesprochen haben, antwortete Schatz, dass damals noch nicht bekannt war, welche Flächen konkret betroffen sein werden. Der Bezirksstadtrat sei nicht pauschal gegen die Windkraft, „sondern konkret gegen die vorgesehenen Standorte in Spandau“. Solange der Standort geeignet sei, erfolge durch das Bezirksamt Spandau keine generelle Ablehnung der Windkraft.

Grüne Vegetation am Ufer der Havel in Berlin-Gatow. Foto: ebenart/iStock
„Die konkrete Ausweisung von Flächen erfolgte in Berlin erst auf Grundlage einer im letzten Jahr veröffentlichten Prüfkulisse des Senats“, so der Bezirksstadtrat. Weiter sagte Schatz:
„Die Bezirke waren in diesen Prozess nicht eingebunden.“
Am Ende selbst genehmigt?
Schatz schilderte, dass der Bezirk „die Änderung des Flächennutzungsplans rechtlich nicht verhindern“ kann. Die einzige Möglichkeit liege hier darin, „politischen Widerstand“ zu leisten. „Wir setzen uns klar gegen die Pläne ein.“
Sollte die aktuelle Planung bestehen bleiben, wäre das Bezirksamt selbst die dafür zuständige Genehmigungsbehörde, wie Schatz mitteilte. Letztlich entscheide der Bezirk über den Bau von Windkraftanlagen in seinem Gebiet. „Wir können jedoch nur auf Grundlage des geltenden Baurechts genehmigen oder ablehnen. Wenn der Senat nun das Baurecht schafft, hat der Bezirk kaum noch Ablehnungsgründe.“
Der Senat hatte indes mit einem solchen Konflikt gerechnet. Gegenüber der Epoch Times teilte dessen Pressestelle mit: „Eine Windenergienutzung in einem Stadtstaat wie Berlin löst in jedem Fall Betroffenheiten aus. Widerstände sind deshalb nicht überraschend.“ Neben eigenen Fragen stellte die Epoch Times dem Verfassungsorgan auch zuvor übermittelte Leserfragen.
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Flächenzuweisung unabhängig von Leistung
Aktuell stehen in ganz Berlin sechs größere Windräder mit einer Gesamtnennleistung von 16,6 Megawatt (MW). Das ergibt einen Jahresertrag von rund 33 Millionen Kilowattstunden (kWh) oder 33 Gigawattstunden (GWh). Der Berliner Jahresstromverbrauch 2024 lag bei rund 12.300 GWh. Somit deckte die einheimische Windkraft in Berlin 0,27 Prozent des eigenen Strombedarfs ab.
Wir fragten den Senat, wie viel Ertrag sich die Hauptstadt mit weiteren Windturbinen auf den neuen Windkraftzonen erhofft. Dieser sagte, dass die Planung von konkreten Windkraftprojekten erst in einem späteren Schritt erfolgen wird. „Entsprechend können keine Aussagen zur Anzahl oder Höhe zukünftiger Windenergieanlagen und damit auch nicht zu möglichen Ertragswerten getroffen werden“, so die Pressestelle.
Das WindBG verlange laut dem Senat zudem keine bestimmten Stromerträge, sondern nur die Ausweisung von Flächen für die Windkraft. Weil die Flächen nicht an bestimmte Leistungen gekoppelt sind, könnten andersartige Windgeneratoren, beispielsweise mit vertikaler Achse auf städtischen (Industrie-)Gebäuden, die neuen Windareale nicht ersetzen.
„Die Änderung des Flächennutzungsplans ‚Windenergie in Berlin‘ ziele darauf ab, die bundesgesetzlichen Anforderungen aus dem WindBG zu erfüllen“, erklärte der Senat. „Dieses Gesetz fordert für Berlin die Ausweisung von circa 446 Hektar (ha) Flächen mit einem Vorrang für die Windenergie.“
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Geringere Flächen möglich, geringere Abstände auch?
Ob auf den jetzt vorgeschlagenen Flächen überhaupt Windräder errichtet werden, steht derzeit nicht fest – und ist für die Erfüllung des Gesetzes auch nicht relevant. Paragraf 7 Abs. 4 des WindBG ermöglicht den Stadtstaaten indes, ihre Windkraftflächen um bis zu 75 Prozent zu reduzieren. Für Berlin wären dann nur noch rund 111 ha auszuweisen, wenn es anderswo Ausgleichsflächen gäbe.
Der Berliner Senat teilte Epoch Times hierzu mit, dass die Stadt bereits mit sieben Bundesländern „entsprechende Gespräche geführt“ hat. Zunächst würden sich die Bundesländer jedoch auf die Erfüllung ihrer eigenen Flächenziele konzentrieren. Erst dann könnten sie Flächen für andere Bundesländer identifizieren. Die eigentliche Frist für derartige Vereinbarungen ist im Mai 2024 verstrichen und müsste für neue Verträge erst verlängert werden.
Die Redaktion konfrontierte den Senat mit dem 400-Meter-Abstand eines Wohngebäudes zu einer Windkraftzone im Bezirk Spandau. Die entsprechende Website des Senats erwähnt jedoch einen Mindestabstand von 500 Metern zu Siedlungsflächen und Wohngebieten.
Der Senat erklärte: „In diesem Fall handelt es sich um ein einzelnes im planungsrechtlich zu beurteilenden Außenbereich gelegenes Gebäude. Hierfür ist ein Mindestabstand von 400 Metern angelegt worden. Ein Widerspruch besteht nicht.“
Windflächen Grunewald schon auf der Kippe?
Weitaus geringer ist der Abstand zwischen dem Sprengplatz der Polizei im Grunewald und dem dortigen neuen Windareal. Diese grenzen direkt aneinander, wodurch eine mögliche Gefahr von gegenseitigen Beeinflussungen besteht. Vibrationen von Windkraftanlagen könnten dort zwischengelagertes Material – unter anderem im Stadtgebiet gefundene Weltkriegsbomben – zur Detonation bringen. Andererseits könnten Erschütterungen durch kontrollierte Sprengungen die Windkraftanlagen beeinflussen.
Falls es erneut zu einem vom Sprengplatz ausgehenden Brand wie im August 2022 käme, könnte dieser die Windkraftanlagen ebenfalls beeinträchtigen oder beschädigen.

Wegen eines Vorfalls am Sprengplatz der Berliner Polizei im Grunewald kam es im August 2022 zu einem Waldbrand im Grunewald. Foto: Christophe Gateau/dpa
Dieser Sachverhalt ist dem Senat bekannt. „Im weiteren Verfahren wird geprüft, ob die Nutzung als Sprengplatz mit einer angrenzenden Windenergienutzung vereinbar ist“, schilderte dieser der Epoch Times. Je nach Ergebnis könnten ungeeignete Teilflächen wegfallen. Ob diese Einschränkungen die Windflächen oder den Sprengplatz betreffen, konkretisierte der Senat nicht.
Wenn es nach Berlins Bürgermeister Kai Wegner geht, soll im Grunewald keine einzige Windkraftanlage entstehen. „Eins ist sicher: Im Grunewald werden wir keine Bäume fällen, um ein Windrad aufzustellen“, sagte er kürzlich in einem Interview. Vom Energieministerium forderte er eine Überprüfung, inwieweit Windräder in Stadtstaaten realisierbar sind.
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Flächenplan noch nicht in Stein gemeißelt
Der begrenzte Platz des Stadtgebietes stellt somit ein Problem dar. Teilweise mussten die Akteure bei der Flächenwahl Kompromisse eingehen. Im Bezirk Pankow hatte der Senat eine „bisher gewerbliche Baufläche in Fläche für Windenergie (Grünfläche) im Umfang von circa 59 ha“ umgeändert.
Eine solche Vorgehensweise wendete der Senat aber wohl nicht bei Wohngebieten an. „Vor dem Hintergrund des dringend benötigten Wohnungsneubaus und dem prognostizierten weiteren Bevölkerungswachstum sind Wohnungsbaupotenziale für eine Windenergienutzung ausgeschlossen worden.“
Bis jetzt hat der Senat nur einen Entwurf mit den neuen Flächen veröffentlicht. Bis zum 11. Juli 2025 kann sich die Öffentlichkeit an der Gestaltung beteiligen. Der Bezirksstadtrat von Spandau empfiehlt den Bürgern, die Gegenwind gegen neue Windkraftanlagen in Berlin leisten wollen, dass sie „sich frühzeitig an den Beteiligungsverfahren beteiligen, ihre Argumente sachlich darlegen und den Dialog mit Politik und Verwaltung suchen“.
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Der Senat gibt in diesem Rahmen auch den Bezirken die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben. Diese fließt laut der Pressestelle in den weiteren Planungsprozess und die Abwägung mit ein.
Falls es dabei zu viele Verzögerungen gibt, könnte es passieren, dass Berlin die Flächenausweisung nicht rechtzeitig bis 2032 der entsprechenden Bundesbehörde meldet. „Dann tritt nach Baugesetzbuch eine sogenannte ‚erweiterte Privilegierung‘ ein“, erklärte der Senat. Die Stadt hätte dann nur noch eingeschränkten Einfluss auf die Errichtung von Windrädern. Ein solcher Fall „wäre – abhängig von einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung – im gesamten planungsrechtlichen Außenbereich der Stadt zulässig, also auch auf Wald- und Freiflächen“, so der Senat.
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