Wird an den Grenzen jetzt flächendeckend kontrolliert?

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat erklärt, wie es künftig an den Landgrenzen laufen soll. Ist das der Bruch mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Werden nun die Grenzen kontrolliert?
Flächendeckend wird nicht kontrolliert. In den kommenden Wochen werden mehr Bundespolizisten dort stehen – und zwar nicht nur an den Autobahnen, sondern auch an anderen Orten. Die Zahl der Polizisten soll schrittweise zunehmen.
Reicht das Personal für dauerhafte Grenzkontrollen?
Darüber gehen die Meinungen auseinander. Einerseits binden noch mehr Kontrollen mehr Beamte, die direkt an den Grenzen eingesetzt werden.
Andererseits nimmt eine Zurückweisung weniger Zeit in Anspruch als die Datenerfassung und Begleitung zur Erstaufnahmeeinrichtung durch die Bundespolizei, wenn jemand vorerst in Deutschland bleiben kann.
Auch hoffen die Befürworter der neuen Regeln, dass diese abschreckend wirken, so dass die Zahl der Migranten sinkt. Dobrindt sagte, „dass ich weiß, dass das für die Polizistinnen und Polizisten eine zusätzliche Aufgabe bedeutet“. Er versprach Entlastungen.
Wird jeder zurückgewiesen?
Laut Dobrindt soll nicht jeder Migrant, den die Bundespolizei an der Grenze antrifft, zurückgewiesen werden. Allerdings soll allein die Tatsache, dass jemand ein Asylgesuch äußert, künftig nicht mehr automatisch eine Zurückweisung verhindern.
Man strebe eine Balance zwischen „Humanität und Ordnung“ an, sagt der Minister. Schwangere und Kinder werde man beispielsweise nicht zurückweisen.
2024 stellten 229.751 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag. Das waren rund 100.000 Asylerstanträge weniger als im Jahr zuvor.
[etd-related posts=“5125963,“]
Ist das der Bruch mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel?
In gewisser Weise ja. Im September 2015 hatte die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entschieden, dass Schutzsuchende, die in Ungarn festsaßen, aus humanitären Gründen nach Deutschland weiterreisen dürften.
In der Folge stieg die Zahl der Migranten – besonders aus Syrien – deutlich an. Eine Zurückweisung dieser Menschen an der deutschen Grenze wurde damals im Bundesinnenministerium diskutiert und nicht umgesetzt.
Was wollte Friedrich Merz vor der Wahl?
Vor der Wahl hatte CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt, als Kanzler am ersten Tag im Amt das Innenministerium anzuweisen, alle Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle illegalen Einreisen zurückzuweisen. Das gelte auch für Menschen mit Schutzanspruch.
Er sagte: „Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen oder die von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen.“ Die EU-Asylregeln seien dysfunktional. „Deutschland muss daher von seinem Recht auf Vorrang des nationalen Rechts Gebrauch machen“, erklärte Merz.
Sind Zurückweisungen neu?
Nein. Voraussetzungen für Zurückweisungen sind stationäre Grenzkontrollen. Schon bisher werden Menschen mit Wiedereinreisesperre – etwa nach einer Abschiebung – zurückgewiesen. Das gilt auch für Menschen ohne Visum, die kein Asylgesuch äußern.
Seit der Anordnung von stationären Kontrollen an allen Landgrenzen im September 2024 wurden laut Bundespolizeipräsident Dieter Romann rund 34.000 unerlaubte Einreisen festgestellt. In etwa 23.000 dieser Fälle gab es Zurückweisungen.
[etd-related posts=“5123316″]
Geht das rechtlich überhaupt?
Die rechtliche Lage an der Grenze ist derzeit nicht eindeutig. Einige Fachleute lesen geltendes EU-Recht so, dass Zurückweisungen grundsätzlich nicht erlaubt sind. Dies hängt auch damit zusammen, dass Grenzkontrollen praktisch nicht exakt auf der Grenzlinie erfolgen, sondern oft etwas dahinter.
Zudem ist eigentlich vorgesehen, dass zumindest ein kurzes Verfahren mit Befragung und erkennungsdienstlicher Behandlung durchgeführt werden muss, um festzustellen, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist.
Allerdings eröffnet das EU-Recht unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, von diesen Regeln abzuweichen. So erlaubt Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Ausnahmen, wenn die öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit bedroht ist – eine sogenannte Notlagenklausel.
Ob eine solche Notlage tatsächlich vorliegt und ob eine Berufung auf diese Klausel im konkreten Fall rechtmäßig wäre, ist allerdings offen. Die Entscheidung darüber läge letztlich beim Europäischen Gerichtshof, der bisher sehr restriktiv mit solchen Ausnahmeregelungen umgeht.
Es gibt eine EU-Asylreform – greift die nicht?
Nein. Im Mai 2024 einigten sich die EU-Staaten zwar nach jahrelangen Verhandlungen auf eine gemeinsame Asylreform – bis sie greift, dauert es aber.
Die nationalen Umsetzungspläne wurden Ende 2024 vorgelegt, die neuen Regeln sollen spätestens bis Juni 2026 gelten. Strengere Verfahren an den Außengrenzen könnten abschrecken und für eine bessere Verteilung innerhalb Europas sorgen.
Was könnten Zurückweisungen politisch in der EU auslösen?
Dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen: Manche warnen, ein deutscher Alleingang beim Zurückweisen von Migranten könne das Vertrauen zwischen den EU-Staaten untergraben. Ein solcher Schritt – insbesondere, wenn er sich auf eine juristisch angreifbare Grundlage stützt – könnte andere Mitgliedsländer dazu bewegen, ihre Kooperation im Asylsystem einzustellen.
Andere halten das für unwahrscheinlich. Ihrer Einschätzung nach gibt es in zahlreichen EU-Ländern ein wachsendes Interesse an einer strikteren Migrationskontrolle – auch auf politischer Ebene. Die Sorge, dass großzügige Asylstandards einzelner Staaten eine Sogwirkung entfalten könnten, wird schon länger geäußert.
Statt auf Konfrontation zu setzen, könnten viele Regierungen daher sogar geneigt sein, eine härtere Linie mitzutragen, wenn sie mittelfristig zu einer stärkeren Begrenzung irregulärer Migration beiträgt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist sich sicher: „Da wird es überhaupt kein Problem geben.“
(dpa/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion