Zehn Jahre nach der Flüchtlingskrise: Merkel verteidigt „Wir schaffen das“

Vor zehn Jahren sprach Angela Merkel jenen Satz, der ihre Kanzlerschaft prägte: „Wir schaffen das.“ Er fiel am 31. August 2015 mitten in der Flüchtlingskrise, als hunderttausende Menschen aus Syrien und anderen Krisenregionen nach Deutschland drängten. Heute, zehn Jahre später, verteidigt die Altkanzlerin ihre Entscheidung, räumt aber auch Fehler und ungelöste Probleme ein.
Zehn Jahre nach ihrem legendären Satz zieht Merkel Bilanz.
Zehn Jahre nach ihrem legendären Satz zieht Merkel Bilanz.Foto: Thomas Ernst/NDR/dpa
Von 31. August 2025

In Kürze:

  • Am 31. August jährt sich Angela Merkels berühmter Satz „Wir schaffen das“ zum zehnten Mal.
  • Inmitten einer beispiellosen Fluchtbewegung wurden 800.000 Asylanträge für Deutschland prognostiziert.
  • Merkel verteidigte ihren Satz jüngst in Augsburg, räumte Fehler ein, hält ihre Entscheidung aber für alternativlos.

 

Am Sonntag, 31. August, jährt sich zum zehnten Mal die Sommerkonferenz 2015 der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. In diesem Rahmen fiel der Satz „Wir schaffen das“, der in weiterer Folge eine beispiellose Symbolkraft in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland entwickeln sollte. Die damalige Flüchtlingskrise und die Reaktion der damaligen Bundeskanzlerin haben zu grundlegenden Veränderungen im gesellschaftlichen Gefüge des Landes, aber auch zu einer tiefen Spaltung und Polarisierung geführt.

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Zuspitzung der Fluchtbewegungen bereits vor Merkels Ausspruch

Die Situation im späten August des Jahres 2015 stellte sich so dar, dass sich eine deutlich größere Zahl an Flüchtlingen als in den Jahren zuvor in Richtung Mitteleuropa bewegte. Die meisten davon kamen aus Syrien, wo seit 2011 ein blutiger Bürgerkrieg tobte, und aus dem Irak. In beiden Ländern war es der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gelungen, signifikante Territorien zu erobern.

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Ein weiterer Grund für die Zuspitzung war, dass die Hoffnung auf ein zeitnahes Ende der bewaffneten Konflikte in Syrien und im Irak zunehmend schwand. Aber auch in Erstversorgungsländern wie der Türkei, dem Libanon und Jordanien spitzte sich die Lage zu. Humanitäre Krisen, Versorgungsengpässe und Terroranschläge trugen dazu bei, dass Geflüchtete die Weiterreise nach Europa probten. Zudem waren die Staaten des sogenannten Arabischen Frühlings destabilisiert.

Die Verschärfung des Vorgehens von Ländern entlang der Balkanroute gegen die Flüchtlinge bewirkte zusätzliche Fluchtbewegungen. Viele von ihnen befürchteten, dass Transitstaaten wie Griechenland, Mazedonien, Serbien oder Ungarn ihre Grenzen schließen würden. Aus Sicht von Geflüchteten erweckte dies den Eindruck, vor einer letzten Chance zu stehen, nach West- und Nordeuropa zu gelangen.

Prognosen gingen von bis zu 800.000 Asylanträgen bis Ende 2015 aus

In den Tagen vor dem symbolischen Satz von Angela Merkel gingen Prognosen von bis zu 800.000 möglichen Asylanträgen bis zum Ende des Jahres aus. In Budapest steckten mehrere Tausend Asylsuchende am Ostbahnhof in Budapest unter prekären Bedingungen fest. Angesichts der Zahlen wollte Merkel die Bevölkerung auf die bevorstehenden Herausforderungen einschwören und äußerte:

„Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden.“

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Schon wenig später spitzte sich die Situation zu. Am 2. September wurde der Leichnam des auf der Flucht über das Mittelmeer ertrunkenen dreijährigen syrisch-kurdischen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi angespült. Das durch die Medien gegangene Foto des Jungen verstärkte zusätzlich den Druck aus der Öffentlichkeit, Lösungen zur Flüchtlingskrise zu finden. Am 4. und 5. September 2015 entschieden Merkel und Österreichs damaliger Bundeskanzler Werner Faymann, den in Ungarn festsitzenden Geflüchteten die Weiterreise zu ermöglichen.

Die Kunde davon verbreitete sich schnell – und mobilisierte zusätzliche Migrationsbewegungen. Immerhin wurde die Entscheidung Merkels auch von Flüchtlingen in anderen Ländern als Botschaft der Aufnahmebereitschaft wahrgenommen. Anfänglich unterstützten auch weite Teile der Bevölkerung und Wirtschaftsverbände die humanitäre Aufnahmepolitik. Schon nach einigen Monaten machte sich jedoch aufgrund von Schwierigkeiten bei der Integration Ernüchterung breit.

Merkel verteidigt damalige Entscheidung – und sieht Erfolge

Die Schließung der Balkanroute durch die Anrainerstaaten und der Migrationspakt mit der Türkei im März 2016 konnten die Fluchtbewegungen drosseln. Bis Ende 2016 kamen jedoch mehr als eine Million Menschen nach Deutschland. Kritikern der damaligen Asylpolitik galt Merkel als Verantwortliche für eine vermeintlich unkontrollierte Migration und deren Schattenseiten. CSU-Chef Edmund Stoiber soll sogar versucht haben, einen Putsch gegen Merkel in der CDU zu organisieren.

Anfang der Woche hatte Merkel anlässlich des zehnten Jahrestages ihrer damaligen Äußerung diese verteidigt. Bei einem Auftritt in Augsburg äußerte die Altkanzlerin:

„Wir haben vieles geschafft – aber wir haben noch vieles zu tun.“

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Viele der damals ins Land Gekommenen hätten Arbeit gefunden, in den meisten Fällen sei Integration gelungen. Dies sei eine Leistung der Geflüchteten selbst, aber auch der deutschen Gesellschaft.

„Für gewaltsames Zurückdrängen wäre ich nicht bereit gewesen“

Merkel erklärte jedoch auch, sie habe unterschätzt, wie schwierig es sei, „ausreisepflichtige Menschen auch wieder außer Landes zu bringen“. Eine Alternative zu ihrem damaligen Handeln sieht sie jedoch aus heutiger Sicht nicht. Die Altkanzlerin erklärt, die Frage, die man sich mit Blick auf die damalige Entscheidungsfindung stellen solle, sei:

„Hätten wir uns mit Wasserwerfern an die Grenze gestellt? Was wäre da mit unseren Werten gewesen?“

Für eine gewaltsame Zurückdrängung der bereits in Europa befindlichen Geflüchteten hätte sie nicht zur Verfügung gestanden, so Merkel. Sie glaube auch nicht, dass eine solche Lösung funktioniert hätte.

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Es sei eine besondere Entscheidung gewesen, vor der sie gestanden habe, äußerte die Kanzlerin auch in einem Interview mit der ARD anlässlich des Jahrestages. Sie glaube nicht, Deutschland überfordert zu haben, immerhin sei dieses ein starkes Land:
„Ich habe nicht gesagt ‚Ich schaffe das‘, sondern ‚Wir schaffen das‘, weil ich auf die Menschen im Land gehofft habe.“



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