Zehn Jahre „Wir schaffen das“: Bundestag debattiert hitzig über Merkels Flüchtlingspolitik

Zehn Jahre nach Angela Merkels Satz „Wir schaffen das“ streitet der Bundestag über die Folgen der Flüchtlingspolitik von 2015. Zwischen Kritik an Rechtsbrüchen und Hinweisen auf Integrationserfolge prallten die politischen Lager aufeinander.
Titelbild
Der Bundestag erörterte am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde die Bilanz nach zehn Jahren des Merkel-Satzes „Wir schaffen das“.Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images
Von 10. September 2025

In Kürze:

  • Der Bundestag diskutiert in einer Aktuellen Stunde über zehn Jahre „Wir schaffen das“.
  • Scharfe Kritik kam von der AfD in Richtung Angela Merkel und Union.
  • SPD, Grüne und Linke betonten Erfolge der Integration.
  • Union erkennt Leistungen an, warnt aber vor einseitiger Bewertung.

 

Am Mittwoch, 10. September, fand auf Antrag der AfD-Fraktion eine Aktuelle Stunde zum Thema „Zehn Jahre ‚Wir schaffen das‘“ statt. Am 31. August 2015 hatte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) während der Sommerpressekonferenz diesen Satz ausgesprochen. Sie wollte damit die Bevölkerung auf eine Situation vorbereiten, in der bis zu 800.000 Geflüchtete vorwiegend aus Syrien und dem Irak in Deutschland Asyl beantragen könnten.

Wenige Tage später sagte sie in Ungarn festsitzenden Migranten die Aufnahme in Deutschland zu. Deutschland hatte das in der EU geltende Dublin-Verfahren außer Kraft gesetzt und erklärt, die Asylverfahren statt der eigentlich zuständigen Ersteinreisestaaten durchzuführen. Unter zahlreichen Migranten, die sich entlang der Balkanroute bewegt hatten, wurde dies als Zusage aufgefasst, Asyl in Deutschland beantragen zu dürfen. Die Folge war, dass bis Ende 2016 mehr als 1 Million Menschen in Deutschland einreisten, um einen Asylantrag zu stellen.

AfD: „Recht außer Kraft gesetzt“ – Kritik an Merkel und Union

Für die AfD warf der Abgeordnete Gottfried Curio der Union vor, diese habe „Recht außer Kraft gesetzt“. Er machte die Entscheidung Merkels verantwortlich für einen Verlust von Sicherheit im öffentlichen Raum sowie für Kriminalität, Wohnungsnot und Bildungsverfall. Deutschland habe „nichts geschafft“, so der innenpolitische Sprecher der Fraktion, außer Leistungsträger zu vertreiben und ärmer und unsicherer geworden zu sein.

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Die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor, selbst mit syrischen Wurzeln, widersprach dieser Darstellung und betonte die Erfolgsgeschichten von Menschen, die 2015 oder später nach Deutschland gekommen waren. Die Beschäftigungsquote der damaligen Eingewanderten liege bei 64 Prozent, das sei nur unwesentlich unterhalb jener der Gesamtbevölkerung von 70 Prozent.

Integration gelinge, wenn die Politik sich aktiv um diese bemühe, so die innenpolitische Sprecherin der Grünen. Dies sei in den 1960er-Jahren versäumt worden. Kaddor kritisierte auch die Union, die damals das Thema der Integration verschlafen habe und nun illegale Migration bekämpfen wolle, ohne legale Wege zu eröffnen. Dass nun ein „Klima des Verdachts und Bedrohung“ geschaffen werde, mache Deutschland auch für Fachkräfte unattraktiv.

Grüne, SPD und Linke: Integrationserfolge überwiegen

Die SPD-Abgeordnete Rasha Nasr nannte ihren eigenen Cousin als Beispiel für eine Erfolgsgeschichte der Integration. Er sei aus Syrien gekommen und arbeite jetzt als Architekt. Nasr beschuldigte die AfD, „Panik und Drama“ zu schüren, dabei jedoch selbst Straffällige und Extremisten in ihren Reihen zu dulden. Die SPD-Politikerin sprach sich für ein AfD-Verbotsverfahren aus und erklärte:

„2015 bedeutete ‚Wir schaffen das‘ ein Bekenntnis zur Integration, heute heißt es, dass wir die Demokratie gegen die AfD verteidigen.“

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Für die Linkspartei meldete sich deren flüchtlingspolitische Sprecherin Clara Bünger zu Wort. Sie erklärte, die AfD lebe von „Hetze und Lügen“. Es liefen in Deutschland 600 per Haftbefehl gesuchte Neonazis umher. Die größte Gefahr gehe von Rechtsextremisten aus, nicht von Geflüchteten.

Deutschland habe 1,1 Millionen Menschen aufgenommen, die Kriminalität sei geringer als 2015. Mit einer Beschäftigungsquote von 74 Prozent liege die der damals eingewanderten Männer sogar über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Es werde zu wenig über die Erfolge der Integration gesprochen. Dabei seien diese „trotz Rassismus, Ablehnung und einer Union gelungen, die rechte Mythen übernommen hat“.

Union: Anerkennung von Leistungen, aber klare Problembenennung

In ihrer ersten Rede im Bundestag übte die CDU-Abgeordnete Caroline Bosbach Kritik an Altkanzlerin Merkel. Diese habe Herausforderungen unterschätzt und die Verantwortung nicht genügend im Blick gehabt, die mit ihrer damaligen Entscheidung einhergingen:

„Angela Merkel hat uns nicht gesagt, wie wir es schaffen sollen.“

Bosbach, Tochter von Unionsurgestein Wolfgang Bosbach, erklärte, es greife zu kurz, die damalige Asylpolitik einseitig als Erfolgsgeschichte einzuordnen. Zu behaupten, wir hätten „es nicht geschafft“, werde jedoch den Leistungen der Freiwilligen und auch der Integrierten nicht gerecht. Tatsächlich steuerten Nichtstaatsbürger etwa 500 Milliarden Euro jährlich zur Wertschöpfung in Deutschland bei.

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Man müsse, so Bosbach, aus Gründen des Respekts auch aufzählen, was geschafft worden sei. Allerdings dürfe auch nicht vergessen werden, wie kritische Menschen zu Unrecht in Ecken geschoben worden wären, in die sie nicht gehörten. Die Unionsabgeordnete resümierte:

„Wie klar dürfen wir Probleme benennen? Je klarer, desto besser. Wir haben noch viel vor uns.“

AfD-Hess: „Merkel hat uns Sicherheit genommen“ – SPD-Castellucci: „Propaganda“

Vonseiten der AfD erklärte Martin Hess, die CDU habe das Land „durch blinden Kadavergehorsam in die Katastrophe“ geführt. Sie hätte sich „für ihr Versagen entschuldigen müssen“. Die damalige Entscheidung Merkels habe zu einer „Erosion der inneren Sicherheit“ geführt. Hess sprach von einer „explodierenden Gewalt-, Messer- und Sexualkriminalität“, vor 2015 habe es auch Terror auf Weihnachtsmärkten oder Übergriffe in Freibädern so nicht gegeben.

SPD-MdB Lars Castellucci warf Hess „Propaganda“ vor. Deutschland sei heute sicherer als vor 30 Jahren. Merkel habe eine „mutige Entscheidung“ getroffen, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Mehr als 1 Million Menschen von den Eingewanderten arbeite sozialversicherungspflichtig. Natürlich habe es auch Versäumnisse gegeben, und für diese übernehme man die Verantwortung. Mit „gemeinsamem Anpacken“ könne man sich nun neue Ziele für die Zukunft setzen, so der frühere Fraktionssprecher für Migration.



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