Zwischenbilanz vor Sommerpause: Merz geht mit ungelösten Problemen in Urlaub

Am Freitag läutet Friedrich Merz (CDU) mit der traditionellen Sommer-Pressekonferenz des Bundeskanzlers die politische Sommerpause in Berlin ein. Nach seiner Wahl zum Kanzler im Mai hatte Merz den Bürgern ein Versprechen abgegeben: „Ich möchte, dass Sie schon im Sommer spüren: Hier verändert sich etwas zum Besseren.“ In den nachfolgenden Wochen lief die Regierungsarbeit in der Koalition dann aber holpriger, als Merz lieb sein kann. Der Kanzler, der eine Aufbruchstimmung im Land erzeugen wollte, geht mit unerledigten Problemen in die Sommerpause.
Richterstreit – und Vertrauenskrise in der Koalition
Die verpatzte Richterwahl konterkariert den Anspruch des Kanzlers, durch ruhiges und effizientes Regieren einen Kontrapunkt zur zerstrittenen Vorgängerregierung zu setzen. In der Sommerpause muss sich die Koalition nun auf Personalvorschläge fürs Bundesverfassungsgericht verständigen. Es war nicht der erste Misston in der neuen Koalition: Vorausgegangen waren Merz‘ überraschendes Durchfallen in der ersten Runde der Kanzlerwahl im Bundestag und der koalitionsinterne Streit um die Stromsteuer.
Der Eindruck bleibt: Die Koalition hat noch nicht zu einem vertrauensvollen und reibungslosen Miteinander gefunden. Und es bleiben klare interne Zielkonflikte, die sich nicht einfach auflösen lassen: Viele Unionsabgeordnete drängen nun auf einen Spar- und Reformkurs, nachdem sie der hohen Neuverschuldung des Bunds teils nur widerwillig zugestimmt haben. Und die in Umfragen angeschlagene SPD will das soziale Profil schärfen.
Reformieren – und Sparen
Umfangreiche Reformprojekte warten nach der Sommerpause auf die Koalition: Die großen sozialen Sicherungssysteme für Bürgergeld, Gesundheit und Rente müssen reformiert werden, denn die Kosten laufen aus dem Ruder. Es stehen strengere Regeln und auch Leistungskürzungen zur Debatte – unpopuläre Maßnahmen also. Union und SPD haben unterschiedliche Vorstellungen zu Zuschnitt und Ausmaß der benötigten Reformen.
Beispiel Bürgergeld: Im laufenden Jahr sollen die Ausgaben auf einen Rekordstand von knapp 52 Milliarden Euro steigen, nach 46,8 Milliarden im Vorjahr. Merz sagte im Wahlkampf, er wolle einen zweistelligen Milliardenbetrag beim Bürgergeld einsparen. Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium sieht für das kommende Jahr aber allenfalls 1,5 Milliarden Euro Einsparpotenzial.
Sicherheitspolitik: Pflicht oder Freiwilligkeit?
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) strebt eine Vergrößerung der Bundeswehr auf 260.000 aktive Soldaten an. Derzeit schafft es die Bundeswehr aber noch nicht einmal, die aktuell anvisierte Größe von 200.000 zu erreichen. In der Koalition steht noch die schwierige Grundsatzentscheidung darüber aus, ob die Vergrößerung über Freiwilligkeit oder nur über die Rückkehr zur Wehrpflicht erreichbar ist. Der Koalitionsvertrag setzt auf Freiwilligkeit, der letzte Parteitag der SPD hat sich gegen eine Wehrpflicht ausgesprochen. Pistorius aber will jetzt schon ein Pflicht-Element gesetzlich verankern, auch die Union ist dafür – Konfliktpotenzial für die schwarz-rote Koalition.
Wirtschaftliche Ungewissheit
Mit zwei großen Versprechen war Merz angetreten: Die Migration begrenzen, und die seit Jahren lahmende deutsche Konjunktur zu beleben. In beiden Punkten sieht der Kanzler seine Regierung auf einem guten Weg und verweist auf sinkende Asylzahlen und eine aufgehellte Stimmung in der Wirtschaft – und der bereits verabschiedete „Investitionsbooster“ soll zusätzlichen Schwung in die Konjunktur bringen.
Was die Wirtschaft angeht, gibt es aber Risikofaktoren, die außerhalb von Merz‘ Einfluss liegen. US-Präsident Donald Trump hat Zölle von 30 Prozent auf alle Importe aus der EU ab dem 1. August angekündigt. Das sind trübe Aussichten für die deutsche Wirtschaft, schließlich sind die USA Deutschlands wichtigster Handelspartner. Die US-Zölle würden „uns ins Mark treffen“, warnte der Kanzler bereits.
Instabile öffentliche Stimmungslage
Merz‘ persönliche Beliebtheitswerte haben seit seiner Wahl zum Kanzler zugenommen. Im jüngsten ARD-„Deutschlandtrend“ äußerten sich 42 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden. Im April waren es nur 25 Prozent. Die Zustimmungswerte für die Regierung als Ganzes liegen allerdings niedriger – und könnten als Folge des Richterstreits noch weiter sinken. Sollte sich bei den Bürgern nach der Sommerpause der Eindruck verfestigen, dass sich die neue Bundesregierung vor allem mit sich selbst beschäftigt, „könnte sich der Abwärtstrend auch für die Union weiter fortsetzen und die Koalition insgesamt in ein noch schwereres Fahrwasser kommen“, schreibt das Institut Forsa in einer am Mittwoch vorgelegten Analyse. (afp/red)
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