Digitale Identität: Alles schneller und leichter, oder der Weg in den totalen Überwachungsstaat?

CDU/CSU und SPD haben die Entwicklung der verpflichtenden digitalen Identität im Koalitionsvertrag festgehalten. Und weil die Europäische Union deren Einführung im kommenden Jahr von den Mitgliedsstaaten fordert, lässt der neue Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, Carsten Wildberger, keinen Zweifel daran, wohin die Reise mit ihm möglichst schnell gehen soll.
Bei der Technology Experience Convention in Heilbronn (TECH) warb er für die umfassende digitale Identität für alle Bürger:
Die Digitalisierung wird nur dann zum Beschleuniger, wenn sie überall im Alltag funktioniert: bei der Meldung an einer neuen Adresse, bei der Eröffnung eines Bankkontos, bei der Unterzeichnung von Verträgen oder bei der Online-Registrierung eines Fahrzeugs.“
Im digitalen Portemonnaie soll für alles Platz sein
Sein Ministerium entwickle derzeit ein digitales Portemonnaie (Wallet), in dem alles Platz finden soll, was der Bürger benötigt: „Darin kann der Personalausweis stecken, der Führerschein, das Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, Zeugnisse, berufliche Abschlüsse, Bankvollmachten, Kreditkarten“, erläuterte der CDU-Politiker. Und betonte, dass dies alles sicher und geschützt sein müsse.
Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer und ruft etwa die Spezialisten vom Chaos Computer Club (CCC) auf den Plan. Sie hatten Ende Dezember bereits die Unzulänglichkeiten der elektronischen Patientenakte (ePA) aufgezeigt und während eines Kongresses live auf der Bühne demonstriert, wie leicht es ist, an die Daten heranzukommen. Binnen weniger Minuten hatten sie Zehntausende Akten gehackt.
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Kritik an der digitalen Identität übte der CCC bereits im Mai 2021 in einer Stellungnahme an den Bundestag. Die Fachleute bemängelten die fehlende offene Architektur und die mangelnde IT-Sicherheit mobiler Endgeräte im Kontext der Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises. Schon damals forderte der Club eine sorgfältigere Planung sowie mehr Bürgerbeteiligung bei digitalen Projekten. Auch sehe es so aus, „als ob dieselben Fehler erneut gemacht werden, die in der Konzeption und Bereitstellung der Infrastruktur, die zu einer ausbleibenden Akzeptanz von z. B. (…) dem elektronischen Personalausweis (nPA) in der Wirtschaft und insbesondere auch in der Zivilgesellschaft geführt haben“.
So werde auf eine „geschlossene, proprietäre Infrastruktur gesetzt, mit deren Betrieb monopolistisch einige wenige große IT-Unternehmen betraut werden“. Diese hätten durch ihre Vormachtstellung die Möglichkeit, im Vergleich zu den eigentlichen Kosten einer Identifizierung „horrende Preise“ zu verlangen. Statt des vorgesehenen privatwirtschaftlichen Betriebs sollte die eID als Basisinfrastruktur komplett staatlich betrieben werden und allen Nutzern kostenlos zur Verfügung stehen.
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EU: Datenschutz und Sicherheit stehen an erster Stelle
Die Europäische Union (EU) macht Tempo. Der Rat verabschiedete im März 2024 den „Rechtsrahmen für eine sichere und vertrauenswürdige digitale Brieftasche für alle Europäerinnen und Europäer“. Bis 2026 sollen die Mitgliedsstaaten ihren Bürgern die EU-Brieftasche für die Digitale Identität zur Verfügung stellen. Die EU nennt als Grund, dass öffentliche und private Dienstleistungen zunehmend online angeboten würden. Dadurch entstehe „ein wachsender Bedarf an sicherer digitaler Authentifizierung“.
Zugleich zeigten sich Gefahren für den digitalen Datenschutz, und die Menschen „fürchten sich zunehmend vor Profiling und Überwachung“. Darauf gehe der EU-Rahmen für die digitale Identität ein. Dessen Grundsatz laute, „dass wir alle jederzeit die Kontrolle über unsere digitale Identität behalten müssen“. Die Bürger sollten ihre digitale Identität in der ganzen EU dabeihaben und ungehindert Grenzen überschreiten können, ohne jemals ihre Daten zu verlieren. Wobei, so betont die EU, Datenschutz und Sicherheit bei dem Projekt an erster Stelle stehen.
Auch biete die europäische Brieftasche für die Digitale Identität zahlreiche Vorteile. Dazu gehört etwa ein einfacherer Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen. Die personenbezogenen Daten seien geschützt, „da nur das Nötigste weitergegeben wird.“ Was die EU darunter versteht, ist allerdings nicht ausgeführt. Dafür hebt sie weniger Bürokratie und geringere Kosten für die Kundenauthentifizierung durch Unternehmen hervor. Auch stünden allen digitalen Dienstleistungen durch einen „sicheren elektronischen Zugang“ zur Verfügung.
Kultur der Datennutzung und des Datenteilens
Die Ampelregierung hatte Ende September 2024 die Entwicklung einer staatlichen digitalen Brieftasche für das Smartphone angekündigt. Die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dazu, „dass wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Identität schnell, sicher und unkompliziert direkt über ihr Smartphone nachweisen können.“
Der Identitätsnachweis werde dadurch bei vielen Erledigungen im Alltag „viel leichter“. Die EUDI-Wallet gewährleistet „höchste Sicherheitsstandards“, um die Privatsphäre der Nutzer zu schützen. Auch werde sie kostenfrei verfügbar sein, „und zur digitalen Inklusion beitragen, da alle Menschen – unabhängig von ihrer finanziellen Situation – Zugang zu digitalen Diensten erhalten“.
Droht der „totale Überwachungsstaat“?
Die Nichtregierungsorganisation (NGO) CitizenGo fürchtet im Fall einer Einführung der digitalen Identität den „totalen Überwachungsstaat“. Sie hat daher eine Petition auf den Weg gebracht, die bei Redaktionsschluss etwa 40.000 Menschen unterschrieben hatten. Gemeinsam mit der elektronischen Patientenakte und dem digitalen Euro sollen alle Daten in ein gemeinsames „EU-Wallet“ fließen, schreibt Petentin Christina Widmann: „Ihr Geld, Ihre Gesundheitsdaten und Ihre Identität lägen in der Hand von [EU-Kommissionspräsidentin, Anm. d. Red.] Ursula von der Leyen.“ Im Koalitionsvertrag sei die Rede von einer „Kultur der Datennutzung und des Datenteilens“ (Zeile 2239).
„Unverhohlen“ kündige die Koalition in ihrem Vertrag zudem an, „dass alle Ihre Daten der Wirtschaft zur Verfügung stehen sollen“. So heißt es ab Zeile 2253: „Im Interesse der Wirtschaft streben wir eine Bündelung der Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Bundesdatenschutzbeauftragten an. Sie soll dann Bundesbeauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit sein.“
Die Regierung plane Datennutzung und -teilen statt ihres Schutzes. Alles werde in einer EU-Wallet zusammengeführt, „sodass Hacker nur ein einziges Passwort zu durchbrechen brauchen, um Zugriff auf alles zu bekommen“.
Langfristig würde diese Wallet nicht nur der Überwachung dienen, sondern vor allem der Kontrolle. Die EU könne die Daten der Menschen zum Beispiel nutzen, um zu steuern, wo sie leben oder wohin sie reisen dürfen oder wofür sie ihr Geld ausgeben.
Daher fordert CitzenGo Minister Wildberger und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dazu auf, „von jeglichen Plänen“ eine digitale Wallet zu erstellen, abzusehen. Die EU dürfe keinen Zugriff auf Identitäten, Geldtransfers und Gesundheitsdaten bekommen.
Wir wollen keine gläsernen Bürger sein. Nicht für Berlin und erst recht nicht für Brüssel.“
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Beispiellose Eingriffe in die Privatsphäre
Das Portal „Finanzmarktwelt“ sieht die Entwicklung ebenfalls äußerst kritisch. „Was als modernes Zahlungsmittel verkauft wird, ist in Wahrheit der nächste große Schritt hin zu mehr Kontrolle, weniger Freiheit und einem beispiellosen Eingriff in unser finanzielles Leben“, heißt es auf der Internetseite. Mit der Einführung des digitalen Euros könne jede Transaktion „in Echtzeit überwacht, gespeichert und analysiert werden“. Die Europäische Zentralbank hätte uneingeschränkten Einblick in sämtliche Geldbewegungen. Ziel sei die „totale finanzielle Transparenz, die den Bürger letztendlich entmündigt“.
Kettner Edelmetalle wirft EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor, sie treibe die „totale Kontrolle der Bürger“ weiter voran. Der digitale Euro sei „relevanter denn je“, sagte Lagarde und kündigte dessen Einführung für Oktober 2025 an – vorausgesetzt, das Europäische Parlament gibt dafür grünes Licht. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Einführung des digitalen Euros und dem „ReArm Europe“-Programm. Dabei handele es sich um ein etwa 800 Milliarden teures Projekt zum Aufbau einer EU-Armee. Doch das Geld habe die EU nicht, daher müsse sie es sich auf andere Weise besorgen.
„Besonders alarmierend“ sei die neue Spar- und Investitionsunion der EU. Diese zielt darauf ab, 10 Billionen Euro an „ungenutzten Ersparnissen“ der Bürger umzuleiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht hierbei von der Umwandlung in „dringend benötigte Investitionen“. Dies sei jedoch nichts anderes als „eine dreiste Enteignung der Europäer“, heißt es auf der Internetseite von Kettner Edelmetalle.
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Vom zuständigen Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung wollte Epoch Times unter anderem wissen, welche Vorteile die digitale Identität hat und mit welchen Argumenten es Kritikern begegnet. Zudem wollten wir wissen, wie die Regierung auf einen – eventuell auch längerfristigen – Stromausfall reagieren würde, der ja jegliche digitalen Transaktionen lahmlegen würde. Bis zum Redaktionsschluss blieb eine Antwort jedoch aus. Sollte das Ministerium reagieren, werden die Antworten dem Beitrag noch hinzugefügt.
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