EZB macht Tempo beim digitalen Euro: Was das für die Zukunft des Bargeldes bedeutet
In Kürze:
- Die EZB startet die nächste Phase zur Entwicklung des digitalen Euros und will bis 2029 bereit sein.
- Tests und Vorarbeiten zeigen, dass eine Integration in bestehende Zahlungssysteme möglich wäre.
- Hohe Kosten und unklarer Mehrwert sorgen für Kritik bei Banken und im Europäischen Parlament.
- Datenschützer warnen vor mangelnder Privatsphäre, besonders bei Online-Zahlungen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) drückt beim Thema digitaler Euro auf Tempo. Gerade erst hat der Rat der Europäischen Zentralbank die nächste Phase auf dem Weg zur Digitalwährung eingeläutet. Im „Fortschrittsbericht zur Vorbereitungsphase des digitalen Euros“ heißt es dazu:
„Am 29. Oktober 2025 beschloss der EZB-Rat, dass das Eurosystem seine Vorbereitungen fortsetzen und zur nächsten Phase des Projekts digitaler Euro übergehen wird. In dieser Phase wird das Eurosystem vor einem möglichen Beschluss zur Ausgabe des digitalen Euros die erforderlichen technischen Kapazitäten aufbauen.“
Bis 2029, so lautet das im Bericht festgelegte Ziel der Zentralbanker, möchte die EZB für eine „potenzielle Erstausgabe“ des digitalen Euros bereit sein.
Positive Bilanz der zweijährigen Vorbereitung
Die Europäische Zentralbank (EZB) zieht eine positive Bilanz der zweijährigen Vorbereitungsphase für den digitalen Euro. Zu den zentralen Ergebnissen zählen der Entwurf eines Regelwerks für die digitale Währung, die Auswahl technischer Anbieter sowie erfolgreiche Tests in einer Innovationsumgebung gemeinsam mit Marktakteuren. Zugleich bestätigte eine technische Arbeitsgruppe, dass ein digitaler Euro grundsätzlich in die bestehende Zahlungslandschaft integrierbar wäre.
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In der nun folgenden Umsetzungsphase konzentriert sich die Notenbank auf drei Schwerpunkte: die Entwicklung der technischen Infrastruktur, die enge Zusammenarbeit mit Zahlungsdienstleistern, Handel und Verbrauchern sowie die Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens durch technische Expertisen. Ziel ist es, die Vorteile des Bargelds in den digitalen Raum zu überführen: hohe Sicherheit, breite Akzeptanz und einfache Nutzung. Zugleich soll der digitale Euro eine Plattform für Innovation und Wettbewerb bieten und europäischen Zahlungsdiensten helfen, ihre Reichweite im Binnenmarkt auszubauen – etwa durch offene Standards.
Einführungskosten etwa 1,3 Milliarden Euro
Die finanziellen Aufwendungen für die Entwicklungsphase bis zur möglichen ersten Ausgabe werden derzeit auf etwa 1,3 Milliarden Euro geschätzt. Ab dem Start rechnet die EZB mit jährlichen Betriebskosten von rund 320 Millionen Euro. Die tatsächlichen Kosten könnten jedoch je nach endgültiger Ausgestaltung variieren. Die EZB betont, dass – wie bei der Ausgabe von Banknoten – das Eurosystem die Kosten tragen werde. Schutzmechanismen wie Guthabenobergrenzen sollen zudem die Finanzstabilität sichern.
Mit gezielter Nutzerforschung will die Notenbank sicherstellen, dass der digitale Euro alltagstauglich wird – auch für kleine Händler. Die Devise lautet dabei weiterhin Kooperation: Der Erfolg des digitalen Euros, so die EZB, hängt wesentlich von der Unterstützung durch Wirtschaft, Verbraucher und Politik ab.
Europäisches Parlament bremst
Letztere könnte der EZB allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. Bisher fehlt die rechtliche Grundlage für die Einführung des digitalen Euros. Zwar liegt dem Europäischen Parlament schon seit 2023 ein entsprechender Gesetzentwurf vor, doch es passierte bisher nicht viel. Anfang November legte der spanische Europaabgeordnete Fernando Navarrete Rojas einen Bericht zum Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission vor.
Im Europäischen Parlament übernahm Navarrete Rojas als Berichterstatter die Federführung für das Gesetzesvorhaben. Er erarbeitete im zuständigen Ausschuss den Bericht, in dem die Position des Parlaments zum Vorschlag der EU-Kommission festgelegt wurde, und führte anschließend die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der Kommission. Unterstützt von sogenannten Schattenberichterstattern koordinierte er Kompromisse zwischen den Fraktionen und trug die Ergebnisse schließlich ins Plenum.
Dass der Bericht erschien, kurz nachdem die Europäische Zentralbank ihren Fahrplan zum digitalen Euro veröffentlichte, dürfte kein Zufall sein.
Aus dem Bericht geht hervor, dass Navarrete, Mitglied der EVP-Fraktion im Parlament, den digitalen Euro nur unterstützenswert findet, wenn bis dahin keine privatwirtschaftliche europäische Alternative existiere. Der Europaabgeordnete fordert zahlreiche Änderungen am Gesetzentwurf der EU-Kommission ein. So soll ein „Markttest“ sicherstellen, dass die Voraussetzungen für die Einführung einer Online-Version des digitalen Euros erfüllt seien.
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Der Abgeordnete stimmt zu, dass Europa im Zahlungsverkehr unabhängiger werden sollte. Allerdings bezweifelt der Bericht, dass sich technologische Unabhängigkeit durch Gesetze erzwingen lasse. Damit teilt Navarrete Rojas die Bedenken von Banken, die seit Langem den Mehrwert des digitalen Euros bezweifeln und vor hohen Kosten warnen.
Banken warnen: Digitaler Euro gefährdet andere Innovationsvorhaben
Eine von den europäischen Bankenverbänden beauftragte PwC-Studie beziffert die Kosten der Einführung des digitalen Euro für die Kreditwirtschaft auf bis zu 30 Milliarden Euro, ohne erkennbaren Zusatznutzen für Verbraucher oder Unternehmen. Vertreter der Sparkassen und Genossenschaftsbanken warnen, das Projekt binde in einer Phase ohnehin hoher Belastungen erhebliche personelle Ressourcen und gefährde andere Innovationsvorhaben. Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, sagte:
Diese Kosten in Zeiten multipler Herausforderungen zu schultern, ohne dass daraus ein echter Nutzen entsteht, ist nicht vermittelbar.“
Zugleich sehen die Verbände die Gefahr, dass internationale Technologiekonzerne durch staatlich geschaffene Infrastrukturen leichter Zugang zum europäischen Zahlungsverkehr erhalten – zulasten heimischer Anbieter. Sie fordern deshalb eine klare Rollenverteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor sowie die Einbindung bestehender europäischer Zahlungslösungen. Der digitale Euro könne nur dann zur europäischen Souveränität beitragen, wenn er bestehende Systeme ergänze, statt parallele Strukturen aufzubauen.
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Navarrete Rojas sieht im digitalen Euro nur in einem Punkt einen echten Fortschritt: in der Möglichkeit, auch ohne Internetverbindung bezahlen zu können. Die geplante Offline-Funktion ermögliche sichere Transaktionen selbst in Situationen, in denen Karten- oder Mobilfunknetze ausfallen – etwa bei Störungen, in ländlichen Regionen oder im Ausland. Ansonsten, so seine Einschätzung, deckten heutige Zahlungssysteme den Bedarf bereits zuverlässig ab.
Was spricht für einen digitalen Euro?
Die Europäische Zentralbank (EZB) betont in einem Argumentationspapier aus dem Jahr 2022, dass sich der Zahlungsverkehr durch Digitalisierung stark verändere und die Nutzung von Bargeld zurückgehe. Um weiterhin den Zugang zu sicherem, staatlich garantiertem Geld zu gewährleisten, setze sich die EZB für die Einführung eines digitalen Euros ein. Dieser solle Bargeld ergänzen, aber nicht ersetzen.
Die EZB argumentiert, dass das Zentralbankgeld ein unverzichtbarer monetärer Anker für das Finanzsystem sei. Wenn Bargeld an Bedeutung verliere, könnte privates Geld – etwa Bankeinlagen oder Zahlungssysteme großer globaler Tech-Konzerne – überhandnehmen. Dies würde aus Sicht der EZB die Stabilität, Unabhängigkeit und Souveränität des europäischen Zahlungssystems gefährden. Mit einem digitalen Euro soll verhindert werden, dass Europa von außereuropäischen Zahlungsanbietern oder ausländischen digitalen Währungen abhängig wird.
Außerdem sieht die EZB im digitalen Euro eine Chance, Innovation und Wettbewerb im europäischen Zahlungsverkehr zu fördern. Er könnte den Zugang zu modernen Zahlungslösungen erleichtern, besonders auch für Menschen mit bisher eingeschränktem Zugang zu Finanzdienstleistungen.
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Für die breite Akzeptanz sei laut EZB entscheidend, dass der digitale Euro einfach nutzbar, sicher und kostengünstig ist und hohen Datenschutz gewährleistet. Gleichzeitig müssten Maßnahmen sicherstellen, dass der digitale Euro nicht in großem Umfang als Geldanlage genutzt werde, um die Stabilität des Bankensystems nicht zu gefährden.
Insgesamt stellt die EZB den digitalen Euro als öffentliches Gut dar, das die Stabilität des Währungssystems wahrt, die europäische Autonomie stärkt und die Wirtschaft effizienter macht.
Verfolgbare Online-Zahlungen werden kritisch gesehen
Es gibt aber auch Kritiker an den EZB-Plänen. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme warnten der Europäische Datenschutzausschuss und der Europäische Datenschutzbeauftragte schon in der Startphase des Projekts, dass der digitale Euro nur dann Akzeptanz finden könne, wenn er ein Schutzniveau für Privatsphäre und personenbezogene Daten gewährleistet, das dem von Bargeld möglichst nahekommt. Kritisch sehen sie insbesondere, dass der aktuelle Entwurf vorsieht, sämtliche Online-Zahlungen nachverfolgbar zu machen; dies sei weder erforderlich noch verhältnismäßig und gefährde das Vertrauen der Bürger in die neue Währung.
Der Parlamentsausschuss und die Behörde empfehlen deshalb, für digitale Zahlungen kleiner Beträge eine anonyme oder zumindest nicht rückverfolgbare Nutzung zu ermöglichen. Zudem bemängeln sie, dass die Einrichtung eines zentralen Zugangssystems für Nutzerkennungen datenschutzrechtlich unzureichend begründet sei und die Rollen sowie Datenverarbeitungsbefugnisse der EZB und der Zahlungsdienstleister klarer definiert werden müssten. Auch der geplante Mechanismus zur Betrugserkennung sei zu vage beschrieben und könne zu unverhältnismäßigen Datenzugriffen führen, wenn er nicht enger begrenzt werde.
Bedenken im Gesetzentwurf nicht ausgeräumt
Im bisherigen Gesetzesentwurf sind diese Bedenken jedoch nicht vollständig ausgeräumt. Zwar sieht die Verordnung vor, den digitalen Euro nach dem Prinzip „Datenschutz durch Technik“ zu gestalten und neben Online- auch eine besonders geschützte Offline-Nutzungsform zu ermöglichen. Die zentrale Forderung der Datenschutzbehörden nach einem anonymen oder zumindest nicht rückverfolgbaren Online-Zahlungsverkehr für kleinere Beträge blieb bislang unberücksichtigt.
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Auch die geplante Einrichtung eines zentralen Zugangssystems für Nutzerkennungen ist weiterhin vorgesehen, ohne dass seine Notwendigkeit und datenschutzrechtliche Absicherung klar definiert wären. Ebenso ist die Abgrenzung der Datenverarbeitungsbefugnisse zwischen EZB und Zahlungsdienstleistern nicht eindeutig präzisiert. Der vorgesehene Mechanismus zur Betrugserkennung ist nach wie vor nur in groben Zügen beschrieben. Damit ist die Gefahr unverhältnismäßiger Eingriffe in Zahlungsdaten nicht ausgeräumt.
Entscheidung über das Gesetz bis Ende 2026
Nach der Vorlage des Berichtsentwurfs im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments folgt nun die interne Beratung, in deren Verlauf Änderungsanträge eingebracht und abgestimmt werden. Im Anschluss daran wird der Entwurf im Plenum des Parlaments in erster Lesung behandelt. Erst danach beginnt die Phase der Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission, in dem ein gemeinsamer Gesetzestext ausgearbeitet werden muss. Mit einer endgültigen Fassung ist daher erst zu rechnen, wenn sich die drei Institutionen auf einen Kompromiss geeinigt haben. Laut Angaben der „Deutschen Bundesbank“ wird der Abschluss des Gesetzgebungsprozesses für Ende 2026 erwartet.
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