Jens Spahn bricht Tabu: Union öffnet Tür für Reform der Erbschaftsteuer

„Wer schon hatte, hat immer mehr.“ Mit diesem Satz ließ Unionsfraktionschef Jens Spahn am vergangenen Donnerstag in der ZDF-Polittalksendung „maybrit illner“ aufhorchen. „Wir hatten in den letzten Jahren, gerade in der Niedrigzinsphase, die Situation, dass Vermögen eigentlich ohne größeres eigenes Zutun von allein fast gewachsen ist. Immobilienwerte, Aktienwerte und anderes mehr.“ Spahn fügte hinzu: „Es ist ein Problem, die Vermögensverteilung.“
Damit hat erstmals ein konservativer Spitzenpolitiker eine Privilegierung Vermögender beklagt. In der Diskussion ging es um das Thema Erbschaftsteuer. In Deutschland gilt derzeit das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in der Fassung von 2016, das seit dem 1. Juli 2016 rückwirkend in Kraft ist.
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Die Steuer unterscheidet drei Steuerklassen je nach Verwandtschaftsgrad zum Erblasser, erhebt Freibeträge (z. B. 500.000 Euro für Ehegatten, 400.000 Euro für Kinder) und staffelt Steuersätze, die bei sieben Prozent beginnen und bei sehr großen Vermögen in Steuerklasse III bis zu etwa 50 Prozent reichen. Weiterhin gibt es begünstigte Regelungen, insbesondere für Betriebsvermögen, die unter bestimmten Bedingungen steuerlich verschont oder begünstigt werden.
Bayern dringt schon seit Längerem auf eine Reform der Erbschaftsteuer – auch weil die Immobilienpreise stark gestiegen sind, die Freibeträge aber seit 15 Jahren nicht erhöht wurden. Die bayerische Staatsregierung hat deshalb Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Diese zielt auf eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer ab – für geringere Steuersätze und höhere Freibeträge. Das Gericht in Karlsruhe hat bisher nicht über die Klage entschieden.
Vermögensverteilung in Deutschland „nicht in Ordnung“
Bei Maybrit Illner lieferten sich vor allem Jens Spahn und die Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek einen heftigen Schlagabtausch um das Thema Vermögen. Die Linken-Politikerin hatte, nachdem Spahn die Pläne der Union verteidigt hatte, bei den Ausgaben für Bürgergeldempfänger einsparen zu wollen, gekontert: Statt die Schwächsten ins Visier zu nehmen, brauche es eine Vermögenssteuer und hohe Besteuerung von Erbschaften.
Die Linke fordert eine deutliche Verschärfung der Erbschaftsteuer: Steuerprivilegien für Unternehmensvermögen sollen gestrichen, Freibeträge abgesenkt und große Erbschaften mit deutlich höheren Sätzen – bis zu 60 Prozent – besteuert werden. Kleine und selbst genutzte Wohnimmobilien sollen hingegen geschont bleiben. Ziel sei es, Vermögenskonzentration aufzubrechen und mehr Chancengleichheit zu schaffen, unter anderem durch die Finanzierung eines „Grunderbes“ für alle jungen Erwachsenen.
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Spahn gab Reichinnek daraufhin recht: „Bei der Vermögensverteilung, dass die so nicht in Ordnung ist, stimme ich zu“. Die Frage sei „natürlich, wie man auch da eine größere Gerechtigkeit herstellen kann“.
Bei der Erbschaftsteuer wies Spahn dann auf die Bedingung hin, dass Unternehmensübergänge ohne Substanzverlust möglich sein müssten. Und Spahn weiter: Die Koalition plane zur Mitte der Legislaturperiode eine Steuerreform – und werde die Steuer dann möglicherweise neu regeln.
SPD will Milliardäre in „Verantwortung“ nehmen
Zustimmung für die Bereitschaft, die Erbschaftsteuer neu zu regeln, kam umgehend vom Koalitionspartner. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagte gegenüber der „Rheinischen Post“:
„Wir haben in Deutschland eine extreme Ungerechtigkeit, was die Verteilung von Vermögen angeht. Jedes Jahr werden 400 Milliarden Euro in diesem Land vererbt, von denen nur ein ganz kleiner Teil überhaupt steuerpflichtig ist. Das sorgt für eine massive Schieflage, die wir seit Jahren anprangern.“
„Es wäre nur gerecht, wenn Milliardäre Verantwortung übernehmen und sich an den Kosten für unser Gemeinwesen beteiligen würden.“ Der SPD-Politiker betonte dabei, dass es „nicht um das Haus der Oma“ gehe, das vererbt werde. „Es geht ausdrücklich nicht um die gesellschaftliche Mitte“, betonte Klüssendorf. „Dass nun auch Jens Spahn in diese Richtung argumentiert, lässt mich hoffen, dass wir gemeinsam etwas hinbekommen für mehr Steuergerechtigkeit in diesem Land. Wir sind jederzeit gesprächsbereit.“
Auch aus dem Bundesfinanzministerium unter Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) kam Zustimmung zu den Äußerungen Spahns. „Es ist richtig, dass die ungerechte Vermögensverteilung in Deutschland thematisiert wird und in diesem Zusammenhang über Steuergerechtigkeit gesprochen wird. Das ist für Bundesfinanzminister Klingbeil ein zentrales Thema“, sagte der Sprecher Klingbeils ebenfalls gegenüber der „Rheinischen Post“.
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„Menschen, die sehr hohe Vermögen und Einkommen haben, sollten ihren Teil dazu beitragen, dass es in dieser Gesellschaft gerechter zugeht.“ Und weiter: „Hierüber wird zwischen den Spitzen der Koalition vertraulich beraten, konkret zwischen dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister, der Bundesarbeitsministerin und dem bayerischen Ministerpräsidenten als den vier Vorsitzenden der die Koalition tragenden Parteien“, sagte der Sprecher.
Nicht Steuersätze, sondern Ausnahmen ändern
Unterstützung für Jens Spahn kommt auch aus den eigenen Reihen. Der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, äußerte sich in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ zustimmend zu einer Reform der Erbschaftsteuer:
„Bei der Erbschaftsteuer werden jedes Jahr Milliardenbeträge verschenkt, weil es Ausnahmetatbestände gibt, die sie den Normalverdienern nicht mehr erklären können. “
Radtke sprach sich dagegen aus, bei der Erbschaftsteuer die Steuersätze zu ändern. Man müsse aber „ungerechtfertigte Ausnahmen“ streichen. „Die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung beispielsweise führt dazu, dass Milliardäre unter Umständen nichts zahlen müssen, weil sie angeblich nicht liquide sind – während jemand mit einem Einfamilienhaus in München in die Steuerpflicht rutscht.“ Das sei „absurd“. Daher solle man eine Debatte über die Schließung von Schlupflöchern bei der Erbschaftsteuer nicht voreilig beenden.
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Kritik kam von der FDP, die inzwischen nicht mehr im Bundestag vertreten ist. In einer Pressemitteilung sagte Generalsekretärin Nicole Büttner: „Eine Erhöhung der Erbschaftsteuer würde nicht nur die Probleme unserer Wettbewerbsfähigkeit verschärfen, sie träfe auch die Unternehmensnachfolgen und belastete damit gerade die nächste Generation an Arbeitsplätzen.“ Spahns Bereitschaft zu solchen Steuererhöhungen offenbare „die vollständige Absage des angekündigten Politikwechsels“.
Erben mussten unterm Strich mehr zahlen
Im Jahr 2024 erreichte die festgesetzte Erbschaft- und Schenkungsteuer in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt mit 13,3 Milliarden Euro einen neuen Höchststand, ein Plus von 12,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Davon entfielen 8,5 Milliarden Euro auf die Erbschaftsteuer (+9,5 Prozent) und 4,8 Milliarden Euro auf die Schenkungsteuer (+17,8 Prozent).
Grundlage war ein steuerlich berücksichtigtes übertragenes Vermögen von 113,2 Milliarden Euro, wobei vor allem die Übertragungen von Betriebsvermögen stark zurückgingen. Auffällig ist, dass Steuerbegünstigungen nach § 13a ErbStG – insbesondere bei Schenkungen – massiv sanken: Sie halbierten sich nahezu auf 13,1 Milliarden Euro (-47,1 Prozent zum Vorjahr), bei Erbschaften wurden 4,0 Milliarden Euro (–1,5 Prozent) gewährt. Damit wurde zwar mehr Steuer festgesetzt, gleichzeitig aber erheblich weniger an Erbschaft- und Schenkungsteuer erlassen.
Bei der Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer können große Teile des übertragenen Vermögens durch Steuerbegünstigungen abgezogen werden – vor allem bei Betriebsvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften oder land- und forstwirtschaftlichem Vermögen. Diese Begünstigungen bewirken, dass ein kleinerer Teil des Vermögens als steuerpflichtig gilt.
2023 waren diese Steuervergünstigungen sehr hoch (besonders bei Schenkungen). 2024 sind sie stark zurückgegangen – bei Schenkungen um fast die Hälfte. Das bedeutet: Es gab weniger Abzüge, also weniger erlassenes Steueraufkommen. Dadurch ist das steuerpflichtige Vermögen höher ausgefallen und in der Folge wurde auch mehr Erbschaft- und Schenkungsteuer festgesetzt. Kurz: Weil weniger Sonderrabatte gewährt wurden, mussten Erben und Beschenkte 2024 unterm Strich mehr Steuern zahlen.
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