Milliarden im Visier: Politik entdeckt das Erbe als Steuerquelle

In Kürze:
- Der Staat plant, mit neuen Modellen wie Lebensfreibetrag und Auflagen noch tiefer ins Privateigentum zu greifen
- Ob Stundung, Regionalisierung oder höhere Freibeträge – am Ende bleibt mehr Bürokratie und Unsicherheit
- Kritiker warnen: So drohen Enteignung, Kapitalflucht und ein Angriff auf die Freiheit der Erben
Die Erbschaftsteuer ist seit Jahren in Deutschland ein Zankapfel. Während für viele Bürger die Frage, wie viel vom Elternhaus oder einer Eigentumswohnung nach dem Tod der Eltern beim Fiskus landet, drängend erscheint, geht es in den politischen Debatten der letzten Wochen vor allem um die großen Vermögen.
Im Februar stellte die damalige Gruppe der Linken im Bundestag eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung zu Steuernachlässen bei großen Erbschaften und Schenkungen. In den vergangenen zehn Jahren wurden demnach, so antwortete die Bundesregierung, in Deutschland 463-mal Vermögen von mindestens 100 Millionen Euro vererbt oder verschenkt worden. In mindestens 258 dieser Fälle sei keine Erbschaftsteuer angefallen, hieß es in der Antwort der Bundesregierung weiter. Die Einnahmeausfälle summieren sich auf Milliardenbeträge. Nach Berechnungen des Ministeriums gehen dem Staat jährlich etwa 8,8 Milliarden Euro durch Steuervergünstigungen verloren.
Der Bundestagsabgeordnete der Linken, Dietmar Bartsch, sprach damals auf X in Bezug auf die Erbschaftssteuer von der „ungerechtesten Steuer in Deutschland“. Und Bartsch weiter:
„Die Superreichen sparen, die Mehrheit zahlt. Gerecht? Sicher nicht!“
Union-Fraktionschef zeigt Offenheit, Erbschaftssteuer aufzurollen
Einen neuen Impuls setzte im September Union-Fraktionschef Jens Spahn (CDU), der in einer TV-Debatte die ungleiche Vermögensverteilung und steuerfreie Großübertragungen kritisierte. Mit dem Satz „Wer schon hatte, hat immer mehr“ bekannte er offen, dass die Vermögenskonzentration in Deutschland ein Problem darstellt – eine ungewöhnliche Position für einen konservativen Spitzenpolitiker.
Spahn forderte, die bestehenden Privilegien im Erbschaftsteuerrecht kritisch zu überprüfen und betonte, Ausnahmen und Schlupflöcher müssten stärker in den Blick genommen werden. Zugleich machte er klar, dass Unternehmensübergaben ohne Substanzverlust möglich bleiben müssten und die Union nicht auf pauschale Steuererhöhungen, sondern auf die Begrenzung ungerechtfertigter Vergünstigungen zielt. Seine Aussagen signalisierten damit die Bereitschaft, das Thema Erbschaftsteuer im Rahmen einer größeren Steuerreform in dieser Legislaturperiode neu aufzurollen.
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Neue Vorschläge der SPD: Lebensfreibetrag und soziale Auflagen
Den Impuls hat die SPD nun aufgenommen und prescht in der Debatte vor. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf schlug in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ die Einführung eines sogenannten Lebensfreibetrags vor. „Es würde dann eine bestimmte Summe X geben, die ein Mensch in seinem Leben erben oder geschenkt bekommen kann, ohne Steuern zu zahlen“, so Klüssendorf. Alles darüber hinaus werde dann konsequent besteuert. Damit solle, so Klüssendorf, sichergestellt werden, dass kleine und mittlere Erbschaften unangetastet bleiben, während große Übertragungen stärker zur Kasse gebeten werden.
Man müsse endlich an die „Multimillionen- und Milliardenerbschaften ran“, so der SPD-Generalsekretär weiter. Derzeitige Freibeträge – etwa 400.000 Euro pro Kind und Elternteil alle zehn Jahre – würden von Superreichen systematisch ausgenutzt, wodurch enorme Summen steuerfrei übertragen werden könnten. „Das ist unfair und gehört beendet“, so Klüssendorf. Zudem sei es „aus der Zeit gefallen“, dass Freibeträge nur nach Verwandtschaftsgrad gelten. Künftig solle jeder selbst bestimmen können, „wer ihm am nächsten steht“. Für große Mietshäuser-Erben schlägt der SPD-Politiker ein Anreizmodell vor: Wer Mieten begrenzt und sich etwa an ortsüblichen Preisen orientiert, solle steuerlich entlastet werden.
Widerspruch kommt umgehend aus der Union
Der SPD-Koalitionspartner CDU und CSU haben dem Vorstoß von Klüssendorf umgehend eine Absage erteilt. Der „Bild“ sagte Union-Fraktionsvize Sepp Müller (CDU):
„Die Debatte über eine Reform der Erbschaftsteuer kommt zur maximalen Unzeit. Ziel der SPD ist ja auch, Unternehmer stärker zu belasten. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt brauchen, damit die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt.“
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Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) erteilt den SPD-Überlegungen eine klare Absage, wobei er auch die Befürworter in der eigenen Partei einbezieht. Diese Steuer sei „hochkomplex, und hohe Privatvermögen werden bereits besteuert“, sagte Frei in einem Interview in der „Welt am Sonntag“. „Problematisch wird es beim Generationenwechsel in Familienunternehmen. Eine harte Verschärfung würde oft zum Verkauf zwingen – ein Investor zum Beispiel mitten im Schwarzwald verlagert womöglich Know-how und Jobs.“
Grüne suchen nach Kompromissen
Auch die Grünen wollen die Debatte um die Erbschaftssteuer vorantreiben, wenngleich sie einen anderen Akzent setzen. Fraktionschefin Katharina Dröge plädierte im „Spiegel“ für eine Reform, die große Erbschaften zwar klar besteuert, Erben aber ermöglicht, Zahlungen zu stunden. So könnten sie ihre Steuerschuld über Jahre verteilen, ohne das Unternehmen oder die Immobilie sofort verkaufen zu müssen. Ziel sei es, Steuerfairness zu schaffen, ohne wirtschaftliche Substanz zu gefährden.
Diese Kompromisslinie soll vor allem Unternehmerfamilien beruhigen, die immer wieder vor „Zerschlagungen“ warnen, sollte die Steuerlast auf einmal fällig werden. Dröges Vorschlag deutet an, dass die Grünen eher an einer „sozialverträglichen“ Reform interessiert sind, die nicht sofort maximale Einnahmen generiert, aber dennoch stärker auf Millionenerben zielt.
Milliarden für den Staat
Ökonomisch geht es um viel Geld. Die „Bild“ schreibt, dass der nun gemachte SPD-Vorschlag unterm Strich mehr als 10 Milliarden Euro Extra-Einnahmen im Jahr bringen kann. Mit einer ähnlichen Summe rechnet auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Auf ihrer Website heißt es dazu:
„Jedes Jahr gehen uns dadurch 5 bis 10 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren. Geld, das für wichtige Investitionen in Krisenbewältigung, Klimaschutz und Bildung fehlt.“
Die bis zu 10 Milliarden Euro Steuerausfälle pro Jahr durch bestehende Vergünstigungen gelten vielen Verfechtern einer Reform der Steuern als untragbar. Bleibt die Frage: Wie schnell ließen sich diese Summen realisieren, wenn ein Teil der Steuerlast gestundet oder über Auflagen abgefedert wird?
Gerechtigkeit kontra Neiddebatte und Kapitalflucht
Die Debatte wirft viele Detailfragen auf. Wie hoch soll der Lebensfreibetrag sein – 500.000 Euro, eine Million oder mehr? Wie wird verhindert, dass er durch geschickte Schenkungsmodelle mehrfach genutzt wird? Sollten Schenkungen und Erbschaften zusammengezählt werden? Und wie lassen sich Steuervergünstigungen an Mietpreisbindungen oder andere Auflagen binden, ohne dass Bürokratie und Kontrollaufwand explodieren würden?
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Hinzu kommt die gesellschaftliche Dimension. Während Befürworter einer Reform auf Gerechtigkeit und Staatsfinanzen verweisen, warnen Kritiker vor Neiddebatten und Kapitalflucht. Gerade Familienunternehmen sehen ihre Existenz gefährdet, sollte die Steuer zu scharf ausfallen. Befürworter halten dagegen: Wer Milliarden erbt, könne es sich leisten, einen fairen Anteil zu zahlen.
Reformdruck wächst
Fest steht: Die Erbschaftsteuer wird in den kommenden Monaten ein zentrales Streitthema in Deutschland bleiben. Die SPD hat mit dem Vorschlag eines Lebensfreibetrags die Diskussion neu befeuert.
Bewegung könnte noch aus einer anderen Richtung kommen: Bayern dringt schon seit Längerem auf eine Reform der Erbschaftsteuer – auch weil die Immobilienpreise stark gestiegen sind, die Freibeträge aber seit 15 Jahren nicht erhöht wurden. Die bayerische Staatsregierung hat deshalb Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Diese zielt auf eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer ab – für geringere Steuersätze und höhere Freibeträge. Das Gericht in Karlsruhe hat bisher nicht über die Klage entschieden.
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Ob am Ende tatsächlich mehr Milliarden in die Staatskasse fließen oder die Debatte erneut im politischen Stillstand endet, wird sich zeigen. Klar ist jedoch: Angesichts wachsender sozialer Spannungen und knapper Haushaltskassen wird der Druck auf eine Reform der Erbschaftsteuer nicht kleiner werden.
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