Nach geplatzter Richterwahl: „Plagiatsjäger“ widerspricht der CDU

Nach dem geplatzten Versuch, neue Verfassungsrichter zu wählen, überschlagen sich die politischen Reaktionen. Grüne, Linke und AfD werfen der Union gezielte Sabotage vor.
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Debatte im Bundestag – Wahlen von Verfassungsrichtern verschobenFoto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images
Von 11. Juli 2025

Die geplante Wahl von drei neuen Richterinnen und Richtern für das Bundesverfassungsgericht ist an der schwarz-roten Regierungskoalition gescheitert. Union und SPD konnten sich nicht auf die Wahl der von der SPD vorgeschlagenen Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für einen der vakanten Richterposten am Bundesverfassungsgericht einigen. Beide Fraktionen beantragten nach einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion die Absetzung der Tagesordnungspunkte der Richterwahl. Damit ist klar: Vor der Sommerpause wird es im Bundestag keine Entscheidung mehr geben.

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Die Entwicklung hat Konsequenzen: Union und SPD sind an der Richterwahl gescheitert. Die schwarz-rote Koalition konnte sich trotz tagelanger Verhandlungen nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. In der Folge werden die Abstimmungen von der Tagesordnung genommen – ein herber Rückschlag für die Regierungskoalition.

„Plagiatsjäger“ Weber widerspricht der CDU

Ausschlaggebend für die Eskalation waren Plagiatsvorwürfe, die aus der Union gegen die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf erhoben wurden. Doch der Mann, auf den sich CDU und CSU dabei berufen – der als „Plagiatsjäger“ bekannte Wissenschaftler Dr. Martin Weber – widerspricht nun öffentlich und scharf.

„Die Sichtweise der CDU, dass Plagiatsvorwürfe gegen Frau Frauke Gersdorf erhoben wurden, ist falsch. Diese wurden, zumindest von mir, vielmehr zurecht gegen Herrn Merz und Herrn Voigt erhoben“, schrieb Weber auf X.

 

 

Weber habe keine Plagiatsvorwürfe gegen Frauke Brosius-Gersdorf erhoben, sondern gegen Friedrich Merz und den thüringischen Ministerpräsidenten Mario Voigt, stellt er auf X klar. Die Dissertation von Brosius-Gersdorf und die Habilitationsschrift ihres Ehemanns Hubertus Gersdorf seien nahezu zeitgleich 1997 entstanden und wiesen laut Softwareanalyse 17 Prozent Textübereinstimmung auf. Möglich seien drei Szenarien: Er habe von ihr abgeschrieben, sie von ihm – oder beide hätten gemeinsam gearbeitet, ohne dies kenntlich zu machen. Vor allem das zweite und dritte Szenario wären für Brosius-Gersdorf problematisch. Eine genaue Analyse sei im Gange.

Grüne wittern politisches Manöver – und stellen Koalitionsfrage

Für die Grünen war der Vorgang eindeutig: Die Vorwürfe gegen Brosius-Gersdorf seien politisch motiviert und gezielt lanciert worden, um die Wahl zu blockieren. Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sprach von einem „manipulativen politischen Manöver“ der Union. „Heute darf überhaupt nicht gewählt werden“, forderte sie auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Auch die Abstimmungen über die beiden anderen Kandidaten müsse ausgesetzt werden. Gemeinsam mit ihrer Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann stellte sie klar: Man gehe davon aus, dass alle drei Kandidaten bei einer späteren Wahl erneut antreten könnten.

AfD sieht in Merz und Spahn die „Ursache aller Instabilität“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, macht Bundeskanzler Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn für die gescheiterte Wahl verantwortlich. Beide seien die „Ursache aller Instabilität“, schreibt er auf X. Vor den Wahlen hätten sie mit „Links ist vorbei“ geworben, und betrieben nun „linksgrüne Politik durch und durch“. Das Ansehen des Verfassungsgerichts sei massiv geschädigt worden, so der AfD-Politiker.

 

Linken werfen Union Schlingerkurs vor

Ines Schwerdtner, die Parteivorsitzende der Linken, spricht der Union auf X die Fähigkeit ab, „einen vernünftigen parlamentarischen Prozess zu führen“. Merz und Spahn seien dazu „nicht fähig“ oder „nicht willens“. Das sei „Radikalisierter Konservatismus, aber als Schlingerkurs“.

 

Droht eine Koalitionskrise?

Die SPD-Fraktion zog sich am Vormittag zu einer Sondersitzung zurück, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die laufende Bundestagssitzung wurde unterbrochen – und erst gegen 11:45 Uhr wieder fortgesetzt. Anders als zunächst von den anwesenden Journalisten erwartet, trat die Fraktionsspitze nicht für eine Stellungnahme vor die Presse.

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Öffentlich äußerte sich weder die Union, noch die SPD zur rumpelig gelaufenen Wahl. Wortlos verließen die SPD-Abgeordneten nach der Fraktionssitzung den Otto-Wels-Saal, ohne einen Kommentar an den Kameras der Journalisten vorbei zum Fahrstuhl runter in den Plenarsaal.

SPD-Chef Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf und Verteidigungsminister Boris Pistorius stehen wenig später zu dritt im Plenarsaal, diskutierten über die abgesagte Richterwahl. Dann erscheint auch Bundeskanzler Merz und macht einen völlig frustrierten Eindruck. Er geht direkt auf Klingbeil, Klüssendorf und Pistorius zu.

Die Richterwahl, in den vergangenen Jahren eher ein Routinevorgang im Bundestag, wurde dieses Mal zum Schauplatz parteipolitischer Machtspiele – mit ungewissem Ausgang. Fest steht: Eine Entscheidung über die Besetzung am höchsten deutschen Gericht wird es vor der Sommerpause nicht mehr geben.



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