Neuausrichtung der Streitkräfte: Hat das Pentagon von der AfD abgeschrieben oder umgekehrt?

Das AfD-Papier „Streitkraft Bundeswehr“ von 2019 liest sich wie eine Blaupause für die Bundeswehrpläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius. Wie viel Übereinstimmung gibt es mit der neuen Personalpolitik im US-Militär?
Die Modernisierung der Uniformen war schon 2018 beschlossen worden. (Archivbild)
AfD-Verteidigungsexperte Hannes Gnauck fordert mehr Soldatinnen, die Führung in der Bundeswehr übernehmen.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 28. Mai 2025

„AfD wants to copy Hegseth’s ‚warrior culture‘ in the Bundeswehr“ (AfD will die „Kriegerkultur“ von Hegseth nachmachen), titelte am 21. Mai die amerikanische Tageszeitung „Politico“. Das Blatt, das in Washington, D.C. und in Manhattan gratis erscheint, gehört seit 2021 – ebenso wie „Bild“ – zum deutschen Axel-Springer-Medienkonzern. Doch der Titel hält bei näherer Betrachtung dem Faktencheck nicht stand.

„Wir brauchen weniger Bürokraten und mehr Kämpfer. Wir brauchen keine CEOs mit Genderbeauftragten in jeder Stabskompanie, sondern Männer und Frauen, die führen, kämpfen und ihr Land verteidigen können“, sagte am 21. Mai Hannes Gnauck (AfD), ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages. Aus diesem Satz meinte „Politico“ der AfD anhängen zu können, sie „kopiere“ die Personalpolitik des amerikanischen Verteidigungsministers Pete Hegseth.

Wofür Hegseth steht

Hegseth hatte bereits vor seinem Amtsantritt am 14. Januar vor der US-Presse versprochen, er werde im Pentagon eine „Kriegerkultur“ fördern. Ende April sprach er sich dafür aus, den Frauenanteil in den amerikanischen Streitkräften drastisch senken zu wollen. Am 26. Mai berichtete die „New York Post“ über einen neuen Werbespot des Pentagon, zu dem Hegseth mit den Worten zitiert wird: „Keine Geschlechterverwirrung mehr.“

Das Blatt vermutet dahinter die Absicht, „Wokeness“ im Militär zu bekämpfen. Unter „woke“ oder „Wokeness“ versteht man umgangssprachlich Feinfühligkeit gegenüber Minderheiten, Diskriminierungen, auch gegenüber Transgender-Personen, Rassismus, Sexismus und Ähnlichem.

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AfD steht für „Armee von Kameraden“

Der AfD-Abgeordnete Gnauck indes fokussierte die Vorstellungen der AfD über die Bundeswehr völlig anders. Er sprach sich – anders als Hegseth – nicht grundsätzlich gegen „Genderbeauftragte“ aus, sondern gegen die seiner Meinung nach zu hohe Zahl davon. Und er forderte mehr Soldatinnen, die in den Streitkräften führen. Also das Gegenteil von dem, was der amerikanische Verteidigungsminister Hegseth anstrebt.

Anlass der Rede Gnaucks war die Vorstellung des Jahresberichts der scheidenden Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD), die Gnauck ausdrücklich mehrfach lobte. In Medienberichten war daraufhin von einer „hitzigen Debatte im Bundestag“ die Rede; auch habe sich Gnauck von der Militärpolitik Trumps „inspirieren“ lassen. Beide Aussagen sind falsch. Hannes Gnauck, bis zu seinem Einzug in den Bundestag 2021 Oberfeldwebel der Bundeswehr, sprach in aller Ruhe. Eine Referenz zu den USA war in keinem Teil seiner Rede festzustellen.

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Katastrophale Personallage

Vielmehr konzentrierte er sich auf das seiner Meinung nach „drängendste Problem“: die „katastrophale Personallage“. Der Personalstand der Bundeswehr habe sich 2024 weiter verschlechtert. Von der bis 2031 angestrebten Zahl von 203.000 Soldaten sei man „meilenweit entfernt“. 24.000 Stellen für Offiziere und Unteroffiziere seien nicht besetzt. Bei den Stabsunteroffizieren sei ein Fehlstand von bis zu 30 Prozent festzustellen. Stabsunteroffiziere sind das Rückgrat in der Ausbildung von Mannschaftssoldaten.

„Die Truppe altert, ist unterbesetzt und zunehmend überfordert“, kritisierte der AfD-Verteidigungspolitiker. Außerdem bemängelte er zu viel Bürokratie für Personal wie Ärzte und Piloten. Deshalb forderte er:

Wir brauchen weniger Bürokraten und mehr Kämpfer.“

Weiterhin kritisierte der AfD-Politiker angeblich hohe Summen im Verteidigungsetat, die für „klimagerechte Stubengestaltung“ ausgegeben würden. „Klimaschutz statt Gefechtsbereitschaft, das ist Irrsinn grüner Ideologie in Reinkultur“, so Gnauck. Vielmehr fehle es an Räumen für „Kameradschaft“. „Zwei- oder Viermannstuben fördern das Kameradschaftsgefühl, stärken die psychische Widerstandskraft und sind schlichtweg effizienter“, so Gnauck.

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2019 forderte AfD, was Pistorius heute will

Er schloss mit der Frage: „Wofür ist diese Bundeswehr eigentlich da?“ Die Antwort der AfD sei klar: „Für die Verteidigung Deutschlands. Nicht für geostrategische Abenteuer im Nahen und Fernen Osten, nicht für endlose Auslandseinsätze und erst recht nicht für Stellvertreterkriege. […] Wir stehen für eine Bundeswehr, die wieder stolz macht.“ Gerade die letzten Sätze Gnaucks machen noch einmal deutlich, dass der AfD-Standpunkt zur deutschen Sicherheitspolitik sowie der Umgang mit der Bundeswehr keinerlei Gemeinsamkeiten mit der US-Politik aufweisen.

2019 titelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ): „Nicht alles, was die AfD sagt, ist falsch“. Worum ging es? Der Arbeitskreis Verteidigung der AfD-Fraktion hatte ein 50 Seiten langes Denkpapier mit dem Titel „Streitkraft Bundeswehr“ vorgelegt. „Die ablehnenden Reaktionen waren einhellig“, schrieb die FAZ. Doch wer nachliest, was die AfD damals vorschlug, könnte heute meinen, es sei ein Strategiepapier des SPD-Genossen Boris Pistorius, seit 2023 Bundesverteidigungsminister.

Gefordert wurde damals von der AfD unter anderem die Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie die Erhöhung der Militärausgaben. Zudem sollte die Bundeswehr im öffentlichen Leben, an Schulen und Universitäten wesentlich mehr Anerkennung erhalten.

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Werbung ohne Effekte

Genau dafür gibt das Verteidigungsministerium derzeit hohe Summen an Werbung aus, jedoch ohne großen Erfolg, wie der jüngste Wehrbericht offenbart. Auch der Deutsche Bundeswehrverband und der Reservistenverband werben breit in der Bevölkerung. Zumindest der Reservistenverband hat die Ausgaben seiner „Image-Kampagne“ für 2024 veröffentlicht: 2,2 Millionen Euro für verteilte Broschüren und „Medienkontakte“. Ergebnis: keine erhöhten Bewerberzahlen für die Bundeswehr.

Gaben sich deutsche Medien 2019 noch skeptisch darüber, dass die AfD die Wehrpflicht wieder einführen wollte, um so die „angeblich mangelnde Verteidigungsfähigkeit Deutschlands“ zu sichern, ist heute die Feststellung der „mangelnden Verteidigungsfähigkeit“ ein Allgemeinplatz in der Berliner Politik, genauso wie die Forderung, „alle deutschen Männer ab dem 18. Lebensjahr zur Musterung einzuberufen“, so nachzulesen im AfD-Papier von 2019 und ebenso nachzulesen bei Boris Pistorius’ Vorschlag vom Frühjahr 2024, nur ergänzt um den Passus „nach schwedischem Modell“. Außerdem forderte die AfD vor sechs Jahren, endlich den NATO-Beitrag von 2 Prozent des deutschen BIP zu leisten. Heute werden 3,5 bis 5 Prozent diskutiert.

Heimische Waffenindustrie ausbauen

Schlussendlich schlug die AfD noch vor, auch die heimische Waffenindustrie auszubauen und staatlich zu fördern. Dafür sollte die Bunderegierung einen „nationalen Beschaffungspakt“ mit der Industrie schließen, um nicht auf ausländische Firmen und Schlüsseltechnologien angewiesen zu sein.

Genau dies leitete nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Wege, und sein Nachfolger Friedrich Merz (CDU) setzt diese Politik stringent fort. Damals aber schrieb etwa die Onlineplattform „Perspektive“: „Alles in allem fordert die AfD damit eine Militarisierung der gesamten Gesellschaft.“

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Blaupause für Pistorius?

Weder das AfD-„Strategiepapier“ von 2019 noch die kürzliche Bundestagsrede des Abgeordneten Gnauck geben Anlass dazu, eine inhaltliche Nähe zur derzeitigen Personal- und Militärpolitik des amerikanischen Verteidigungsministers Hegseth herzustellen. Berichte in diese Richtung sind schlichtweg sinnentstellend. Allenfalls könnte das sechs Jahre alte AfD-Papier als Blaupause für die neuen Bundeswehrpläne von Verteidigungsminister Pistorius eingestuft werden. Doch: „Stets kommt die Wahrheit zu früh, zu spät immer die Einsicht“, lautete eine Erkenntnis des 2013 verstorbenen Oldenburger Publizisten Peter E. Schumacher.



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