Schleswig-Holstein greift in Pensionsfonds – Beamte zahlen für Haushaltskrise

Schleswig-Holstein will 2026 rund 300 Millionen Euro aus seinem Pensionsfonds entnehmen, um das Haushaltsdefizit zu mindern. Kritiker sprechen von einem Tabubruch zulasten der Beamten. Der Schritt könnte bundesweite Signalwirkung entfalten.
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Schleswig-Holstein greift auf den Pensionsfonds zu, um die Haushaltskrise abzufedern – die Beamten tragen einen Teil der Last. (Symbolbild)Foto: filmfoto/iStock
Von 24. Juli 2025

Schleswig-Holstein greift tief in seine finanzielle Reserve: 300 Millionen Euro sollen 2026 aus dem Versorgungsfonds für Beamte entnommen werden, um das strukturelle Haushaltsdefizit abzufedern. Das geht aus einer Pressemitteilung des Finanzministeriums vom vergangenen Dienstag hervor. Die schwarz-grüne Landesregierung hatte an diesem Tag den Entwurf für den Haushalt 2026 beschlossen.

Mit der Ankündigung der Entnahme rückt ein Thema in den Mittelpunkt, das weit über die Grenzen des nördlichsten Bundeslandes hinaus Relevanz hat – nämlich der Umgang mit den finanziellen Vorsorgen für die Pensionen der Beamten. Die politischen Wellen, die diese Entscheidung schlägt, sind hoch.

Ursprünglich als Absicherung gedacht

Der Versorgungsfonds des Landes wurde 2018 eingerichtet, um langfristig die Pensionsverpflichtungen gegenüber den Landesbeamten abzusichern. Hintergrund ist der absehbare Anstieg der Versorgungsausgaben, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer in großer Zahl in den Ruhestand treten. Der Fonds versteht sich als „eiserne Reserve“ – ein Kapitalstock, aus dem künftige Zahlungsverpflichtungen zumindest teilweise gedeckt werden können. Zum 30. Juni 2025 belief sich das Fondsvermögen laut Finanzministerium auf rund 1,25 Milliarden Euro.

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Vor dem Hintergrund stagnierender Steuereinnahmen und einer angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage plant nun die schwarz-grüne Landesregierung, 300 Millionen Euro aus dem Versorgungsfonds für das Jahr 2026 zu entnehmen. Diese Mittel sollen nach Angaben des Finanzministeriums zur „Deckung der Versorgungsausgaben und damit zur Entlastung des Gesamthaushalts eingesetzt“ werden. Diese Maßnahme soll helfen, das Haushaltsloch von knapp 920 Millionen Euro zu verkleinern, ohne an anderer Stelle noch tiefere Einschnitte vornehmen zu müssen.

Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) verteidigt den Schritt: Die Entnahme sei angesichts der Haushaltslage „vertretbar“ und habe „keinen Einfluss auf die künftigen Versorgungsbezüge“ der Landesbeamten. Zudem soll der ursprünglich eingebrachte Grundstock von 641 Millionen Euro unangetastet bleiben.

Kritik: „Raubzug“ und „Plünderung“

Die Opposition sieht das anders – und spart nicht mit drastischen Worten. Beate Raudies, finanzpolitische Sprecherin der SPD, nennt die Maßnahme gegenüber „Bild“ einen „Raubzug“, der mit seriöser Haushaltspolitik nichts zu tun habe. Auch FDP-Fraktionschef Christopher Vogt spricht von einem „skandalösen Plündern“ der Rücklagen. Er erinnert daran, dass der Fonds teilweise durch Gehaltsverzicht der Beamtenschaft aufgebaut wurde und daher „keine Verfügungsmasse einer schlecht haushaltenden Landesregierung“ sei.

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob mit der Entnahme aus dem Fonds nicht ein Tabubruch begangen wird. Denn: Wenn Rücklagen, die für Jahrzehnte angespart wurden, zur kurzfristigen Haushaltsstabilisierung herangezogen werden, wird damit faktisch das Problem lediglich verschoben – zulasten künftiger Haushalte. Weitere Zuführungen in den Versorgungsfonds sind darüber hinaus im Moment nicht vorgesehen. Das Finanzministerium schrieb dazu im Dezember vergangenen Jahres im „Finanzplan des Landes Schleswig-Holstein 2024 bis 2028“:

„In der aktuellen Finanzplanung sind keine weiteren Zuführungen zum Versorgungsfonds vorgesehen. Die aktuelle Haushaltslage sowie die zukünftige Entwicklung erfordern in den nächsten Jahren u. U. einen höheren Verzehr des Versorgungsfonds.“

Damit wird deutlich, dass mit der vorgesehenen Entnahme im nächsten Jahr nicht nur das Fondsvermögen schrumpft, sondern dieses auch nicht mehr weiter aufgefüllt wird.

Hinzu kommt: Auch andere Rücklagen, etwa für Sabbatjahre, Hochschulgehälter oder das Flächenmanagement, werden im neuen Haushalt teilweise aufgelöst. Die Entnahme aus dem Versorgungsfonds ist also keine Einzelmaßnahme, sondern Teil einer breiteren Strategie, um bestehende Rücklagen zur Haushaltssanierung heranzuziehen.

Beamtenbund fordert auf, auf Entnahmen zu verzichten

Der Vorsitzende des Beamtenbundes dbb Schleswig-Holstein, Kai Tellkamp, übt deutliche Kritik an der geplanten Entnahme von 300 Millionen Euro aus dem Versorgungsfonds. Für ihn sieht es so aus:

„Als würden die Beamten für die von der Politik verzockten Northvolt-Millionen haften.“

Der Fonds sei ursprünglich durch Gehaltsverzichte der Beamtinnen und Beamten aufgebaut worden – unter anderem durch gekürzte Besoldungsanpassungen, die seit 2017 finanzielle Einbußen von bis zu 2,8 Prozent bedeuteten. Diese Einschnitte wirken bis heute nach und haben laut Tellkamp auch die jüngsten Zuführungen zum Fonds überhaupt erst ermöglicht.

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Der dbb verweist darauf, dass der Fonds gesetzlich zweckgebunden ist und ausschließlich der Finanzierung künftiger Versorgungsausgaben dienen darf. Eine Umwidmung, etwa durch Änderung des Versorgungsfondsgesetzes, wäre aus Sicht des Beamtenbundes ein klarer Bruch dieses Prinzips – und würde erneut zulasten der Beschäftigten gehen, die jetzt dringend gebraucht würden, etwa zur Umsetzung der geplanten Infrastrukturprojekte.

Tellkamp sieht darin einen gefährlichen Vertrauensbruch: „Wenn die öffentlichen Kassen durch neue Bundesmittel gefüllt werden und gleichzeitig ausgerechnet bei den Beamten gekürzt wird, passt das nicht zusammen.“ Er fordert von Landesregierung und Landtag, auf die Entnahme zu verzichten, andernfalls würden sie „sich die Finger verbrennen“ und langfristig das Vertrauen in die staatliche Fürsorgepflicht verspielen.

Haushaltslage bleibt kritisch

Unstrittig ist, dass sich Schleswig-Holstein – wie viele andere Bundesländer – in einer schwierigen finanziellen Lage befindet. Nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts aus dem April, das einen Notkredit aus dem Jahr 2024 für verfassungswidrig erklärt hatte, steht die Regierung unter erheblichem Druck, ohne neue Schulden und mit möglichst wenigen Härten zu konsolidieren. Die Folge: Stellenabbau, geringere Investitionen in Bildung und Digitalisierung – und eben Rückgriff auf langfristig gebundene Reserven.

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Finanzministerin Schneider versucht in ihrer Presseerklärung, Zuversicht zu verbreiten:

Die Bedarfe in Schleswig-Holstein kennen wir durch unseren Infrastrukturbericht 2024 sehr genau. Dank des zusätzlichen Verschuldungsrahmens ist es möglich, wie geplant in die Landesinfrastruktur zu investieren. Durch die weiteren Investitionsmittel aus dem Sondervermögen des Bundes werden wir zudem zusätzliche Maßnahmen anschieben, sobald wir wissen, wann und wie die Mittel beim Land ankommen.

Schneider betonte weiter, dies sei ein Haushaltsentwurf, „der den eingeschlagenen Konsolidierungskurs konsequent fortsetzt und gleichzeitig einen deutlichen Fokus auf Zukunftsinvestitionen des Landes setzt“.

Ein bundesweiter Präzedenzfall?

Was derzeit in Kiel passiert, könnte zum Musterfall werden – im Positiven wie im Negativen. Denn nicht nur Schleswig-Holstein steht vor dem demografischen Kipppunkt.

In vielen Bundesländern steigen die Versorgungsausgaben rasant, während gleichzeitig die Einnahmen stagnieren oder sinken. Rücklagen wie der schleswig-holsteinische Versorgungsfonds existieren auch anderswo. Wird die Zweckbindung dieser Fonds zur Disposition gestellt, könnten auch andere Landesregierungen auf die Idee kommen, finanzielle Löcher auf diesem Weg zu stopfen.



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