Gehirn jung halten: Wie Elternsein vor kognitivem Abbau schützt

Das Elternsein ist voller Herausforderungen. Genau diese stärken laut einer neuen Studie die Gehirnnetzwerke und schützen sie möglicherweise vor dem altersbedingten Abbau.
Titelbild
Je mehr Kinder, desto stärker die Konnektivität im Gehirn, heißt es in einer neuen Studie.Foto: nd3000/iStock
Von 16. April 2025

Kinder verändern das Leben – von Prioritäten und Zeitplänen bis sogar zum Gehirn von Mutter und Vater. Dass Eltern kurzfristige Veränderungen im Gehirn erfahren, ist gut dokumentiert. Bisher war es aber nicht klar, ob sie von Dauer sind. Eine Studie, die Ende Februar 2025 in der Fachzeitschrift „PNAS“ erschien, legt nun nahe, dass das Elternsein das Gehirn neu verdrahtet. Dadurch wird das Denkorgan jung gehalten, was dem altersbedingten kognitiven Abbau entgegenwirkt.

„Wenn Eltern mir sagen, dass sie ‚den Verstand verlieren‘, denke ich lieber, dass sie in Wirklichkeit ‚ihr Gehirn neu verdrahten‘“, sagte Melissa Schwartz gegenüber Epoch Times dazu. Sie ist Coach für Familien mit hochsensiblen Kindern und hochsensible Erwachsene bei dem US-Unternehmen Leading Edge Parenting und war nicht an der Studie beteiligt. „Ihre Kinder bringen sie an die Grenzen ihrer neuronalen Verdrahtung und bauen stärkere, gesündere und effektivere neuronale Bahnen auf.“

Wie Elternschaft das Gehirn verändert

Im Rahmen der Studie analysierten die Studienautoren Magnetresonanztomografie-Scans von rund 20.000 Müttern und 18.000 Vätern aus der britischen UK Biobank, der weltweit größten bevölkerungsbezogenen Datenbank für bildgebende Verfahren des Gehirns.

Sie fanden heraus, dass Elternschaft mit einer höheren Gehirnsynchronisation einherging, wobei die Konnektivität mit zunehmender Kinderzahl immer stärker wurde. Im Vergleich zu Erwachsenen, die keine Eltern sind, arbeiteten die verschiedenen Teile ihres Gehirns reibungsloser zusammen.

Demnach hatten Eltern eine stärkere Konnektivität zwischen ihren sensorischen und motorischen Bereichen und dem Hippocampus. In ihm befinden sich Netzwerke, die mit sozialem Denken, visueller Verarbeitung, Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis zu tun haben. Diese Netzwerke nehmen normalerweise nach dem 40. Lebensjahr in ihrer Funktion ab.

Bei Müttern und Vätern traten ähnliche Veränderungen im Gehirn auf. Das deutet darauf hin, dass die Elternschaft und nicht die Schwangerschaft allein für diese neurologischen Auswirkungen verantwortlich sind. Die schützende Wirkung des Elternseins gegen das Altern blieb auch erhalten, nachdem die Forscher Faktoren wie Bildung und sozioökonomischen Status berücksichtigt hatten.

Die Autoren stellten zudem fest, dass Eltern mit mehr Kindern tendenziell über größere soziale Netzwerke, stärkere soziale Unterstützung und häufigere Besuche von Freunden und Verwandten verfügen. Diese sozialen Faktoren könnten zu der bei Eltern beobachteten erhöhten Konnektivität des Gehirns beitragen.

Verschiedene Studien zeigten bereits, dass soziales Engagement die Gehirnfunktion im Alter erhält, heißt es in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2022. Soziale Bindungen bieten auch emotionale und praktische Unterstützung und stärken die Widerstandsfähigkeit im Alter.

Bessere Körperwahrnehmung bei Männern mit Kindern

Bei den Vätern konnten die Forscher einen positiven Zusammenhang zwischen einer höheren Kinderzahl und einer besseren Griffstärke feststellen, ohne eine direkte Ursache dafür zu nennen. Dafür maßen sie die Griffstärke der Väter, also die Kraft ihrer Handmuskeln, mit einem Kraftmesser. Diese Stärke gilt als ein Prädiktor für die Gesundheit des Gehirns und die kognitive Belastbarkeit im Alter.

Ferner brauchen Kinder ständige Beschäftigung und Aufsicht. Viel Zeit wird mit Kuscheln, Füttern, Wiegen und Spielen verbracht. Der Studie zufolge weisen insbesondere Väter eine stärkere Konnektivität in ihren somatosensorischen Regionen auf, die für das Empfinden und die Schmerzwahrnehmung zuständig sind. Die Forscher führen das auf den eher körperlich interaktiven Spielstil der Väter zurück, wie zum Beispiel Raufen und Toben.

Eine transformative Erfahrung

Im Vergleich zu anderen Studien bieten diese Studienergebnisse einen differenzierteren Blick auf die Auswirkungen der Elternschaft. Denn andere Untersuchungen stellten einen Zusammenhang zwischen Elternschaft und einem schnelleren Alterungsprozess fest. Ein Grund dafür ist, dass Eltern häufiger als andere Erwachsene über ein hohes Maß an Stress berichten.

Beispielsweise heißt es in einer Studie der Yale School of Medicine, dass eine Schwangerschaft den Alterungsprozess beschleunigt. Das kehrt sich jedoch in der Zeit nach der Geburt um.

Eine ähnliche Untersuchung der amerikanischen Northwestern University ergab, dass jedes Kind, das eine Frau bekommen hat, ihre Zellen um bis zu zwei Jahre altern lassen kann.

Die aktuelle Studie beleuchtet das Elternsein aus einer anderen Perspektive. Statt biologische Alterungsmarker untersucht sie, wie gut verschiedene Gehirnregionen miteinander kommunizieren.

„Ja, Elternschaft ist anstrengend und anspruchsvoll, aber sie ist auch die transformativste Erfahrung. Das hat mit dem persönlichen Wachstum und den Veränderungen im Laufe des Lebens beim Kindergroßziehen zu tun, von denen man als Elternteil profitiert“, meint Lisa Pion-Berlin gegenüber Epoch Times. Sie ist Präsidentin und CEO der Selbsthilfegruppe Parents Anonymous® in den USA.

Warum Elternsein dem Gehirn guttut

Warum genau die Elternschaft für das Gehirn auf diese Weise vorteilhaft ist, ist noch nicht geklärt. Forscher vermuten allerdings, dass drei Schlüsselfaktoren eine Rolle spielen könnten.

1. Ständige Stimulation

Kinder zu betreuen, ist mit ständig neuen Herausforderungen verbunden, die die kognitive Flexibilität und die Problemlösungsfähigkeiten anregen.

„Der geistige Aspekt der Elternschaft – das Jonglieren mehrerer Aufgaben und Zeitpläne, das Lösen von Problemen und so weiter – trägt zweifellos dazu bei, dass das Gehirn aktiv bleibt. Das kann zu einer besseren geistigen Gesundheit beitragen“, so Pion-Berlin.

Oft würden Herausforderungen auftauchen, die von den Eltern verlangen, sich schnell anzupassen. „Diese ständigen Anforderungen können das Gehirn auf jeden Fall aktiv und scharf halten“, sagt sie.

2. Wachsende emotionale Intelligenz

Eltern müssen Antennen für die Bedürfnisse ihrer Kinder entwickeln, insbesondere was nonverbale Signale wie Gestik und Mimik anbelangt.

In diesem Sinne fördert die Elternschaft das sensorische und motorische Netzwerk, das entscheidend für die soziale Kognition ist. Dieses Netzwerk hilft den Menschen, sich in zwischenmenschlichen Interaktionen effektiv zurechtzufinden. Dadurch können wir die Handlungen anderer Personen einfacher verstehen und nachahmen. Zudem fördert es die Empathie und ermöglicht uns, die Gefühle anderer Personen emotional zu erfassen.

Mithilfe des Netzwerks können wir auch erkennen, dass andere Personen ihre eigenen Gedanken und Gefühle haben. Darüber hinaus unterstützt es die Koregulation – den dynamischen Austausch von Emotionen zwischen Individuen – und trägt so zu sozialer Harmonie und Verbundenheit bei.

3. Gelegenheit zur persönlichen Heilung

Schwartz erzählte über ihre Erfahrungen mit ihrer elfjährigen Stieftochter. Oft bemerkt sie, wie das, was ihre Stieftochter gerade durchmacht, bei ihr alte Wunden aufriss.

„Wenn unsere Kinder uns auf die Palme bringen, dann deshalb, weil sie ungelöste Verletzungen aus unserer eigenen Kindheit hervorrufen“, so der Coach für Familien mit hochsensiblen Kindern.

Die Aufarbeitung dieser Wunden verdrahte unser Gehirn neu und förderte unsere emotionale Entwicklung. Das mache uns zu besseren Eltern, fügte sie hinzu.

„Das ist nicht nur eine Gelegenheit für mich, mehr Mitgefühl und Verständnis für sie aufzubringen. Sondern es gibt mir auch die Möglichkeit, mein jüngeres Ich mit meiner erwachsenen Weisheit und aus meiner erwachsenen Perspektive zu betrachten“, so Schwartz.

Wenn Eltern ihre Wunden aus der Vergangenheit heilen, üben sie sich in Achtsamkeit, Selbstreflexion und emotionaler Kontrolle. Dies wiederum stärkt die Gehirnbereiche, die mit sozialem Denken und dem Umgang mit Emotionen verbunden sind.

„Elternschaft ist eine Co-Evolution mit unseren Kindern. Wir prägen nicht nur unsere Kinder, sondern sie verändern uns ebenfalls“, so Schwartz.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Dieser Artikel erschienen im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Parenthood Linked to Lower Cognitive Decline With Age“. (redaktionelle Bearbeitung as)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion