Das Rätsel einer 117-Jährigen: Was ein langes Leben über das Altern verrät

Geheimnis einer Superhundertjährigen: Maria Branyas Morera wurde 117 Jahre alt – ohne Krebs oder Demenz.
Titelbild
Maria Branyas Morera im Jahr 2019 im Alter von 112 Jahren.Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Manel Esteller/Familie Maria Branyas über Eloy Santos
Von 11. Oktober 2025

Abweichende Laborwerte können beunruhigen – Maria Branyas Morera hatte einige davon. Ihr LDL-Cholesterinspiegel, das „schlechte“ Cholesterin, lag über der Norm, und genetische Analysen wiesen Veränderungen auf, die oft mit Alterung und Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Dennoch wurde sie die älteste bestätigte Frau der Welt und verstarb im August 2024 im Alter von 117 Jahren friedlich im Schlaf – bemerkenswerterweise ohne je an Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Demenz erkrankt zu sein.

Ihr Fall, dokumentiert in einem Artikel in Cell Reports Medicine, bietet eines der umfassendsten biologischen Profile einer Supercentenarian (Superhundertjährigen).

Alarmierende Werte

Um dieses Rätsel zu lösen, gingen die Untersuchungen zu Morera weit über einen einfachen Cholesterintest hinaus. Mit 116 Jahren und 74 Tagen unterzog sich die Superhundertjährige einer umfassenden Analyse. Forscher untersuchten ihr Blut, Speichel, Stuhl und Urin, um Gene, Proteine, Stoffwechselprodukte und Mikrobiome auf Hinweise zu ihrer außergewöhnlichen Langlebigkeit zu prüfen.

Die Ergebnisse hätten Anlass zur Sorge geben können: Ihr LDL-Cholesterin, oft als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet, war leicht erhöht. Ihre Telomere – die Schutzkappen an den Chromosomenenden, die mit dem Alter kürzer werden – waren verkürzt. Zudem wies ihr Erbgut Mutationen auf, die mit Krebs oder Herzkrankheiten assoziiert werden, und ihr Immunsystem zeigte Anzeichen altersbedingter Schwächung.

Doch all dies führte nicht zu Krankheiten. „Beeindruckend waren ihre klare Ausdrucksweise und ihr bemerkenswertes Gedächtnis für vergangene Ereignisse“, berichtete Eloy Santos, Hauptautor des Artikels, gegenüber Epoch Times. Abgesehen von Proteinergänzungen zum Erhalt der Muskelmasse nahm Morera keine Medikamente ein.

Ein Bild von Maria Branyas Morera als junge Frau im Jahr 1925. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie Manel Esteller/Maria Branyas über Eloy Santos.

1907 in San Francisco geboren, ließ sich Morera in Katalonien, Spanien, nieder, wo Frauen im Durchschnitt 86 Jahre alt werden. Sie übertraf diese Lebenserwartung um drei Jahrzehnte.

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Erstaunliche Biologie

Maria Branyas Moreras’ Laborergebnisse enthüllten Erstaunliches: Trotz ihres Alters von 117 Jahren zeigte ihr Körper bemerkenswerte Vitalität. Ihre Mitochondrien, die zellulären Kraftwerke, arbeiteten mit einer Effizienz, die an Menschen erinnerte, die Jahrzehnte jünger waren.

Auch ihre Entzündungswerte waren erstaunlich niedrig, obwohl diese im Alter normalerweise steigen. Ihr Darmmikrobiom war voller vielfältiger, gesunder Bakterien, vor allem Bifidobakterien, die sie mit einer Ernährung aus Joghurt, Olivenöl, Eiern und Fisch unterstützte. „Solche Bakterien halten Entzündungen in Schach und stärken das Immunsystem“, erklärte Santos.

Insgesamt zeichnete Moreras Körper ein faszinierendes Bild: Während einige biologische Prozesse Spuren des Alters trugen, zeigten andere eine erstaunliche Widerstandskraft. Besonders bemerkenswert war ihr epigenetisches Profil, das die Aktivität ihrer Gene widerspiegelt. Es wirkte 15 bis 20 Jahre jünger als ihr tatsächliches Alter von 117 Jahren.

Eloy Santos, Hauptautor des Artikels, sprach von einer Dualität: jugendliche Vitalität neben unverkennbaren Zeichen der Zeit. „Es ist wie bei einem alten Auto“, erklärte er, „das in vielen Bereichen erstaunlich gut funktioniert, auch wenn einige Komponenten zwangsläufig gealtert sind“.

Maria Branyas Morera, 63 Jahre alt, im Jahr 1970. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Manel Esteller/Familie Maria Branyas über Eloy Santos.

Wie eine Münze aus einer verlorenen Zivilisation

Was verrät uns ein außergewöhnliches Leben über das Altern? Richard Faragher, Professor für biologische Gerontologie an der Universität Brighton, vergleicht das biologische Profil von Morera mit „einer Münze aus einer untergegangenen Zivilisation“: ein faszinierender Hinweis, doch nur ein Bruchteil des großen Puzzles der Langlebigkeit.

Hundertjährige, so Faragher gegenüber Epoch Times, erreichen ihr hohes Alter auf drei Wegen: durch außergewöhnliche Gene, durch pures Glück, das andere nicht teilen, oder durch ungenaue Altersangaben. „Nehmen Sie nie Gesundheitstipps von Hundertjährigen“, rät er mit einem Augenzwinkern. Manche rauchten, mieden Ärzte oder lebten auf eine Weise, die für die meisten riskant wäre. Sie sind Ausnahmen – wie ein Soldat, der unversehrt ein Schlachtfeld überquert.

Doch Dr. Nick Norwitz, ein in Harvard ausgebildeter Arzt mit einem Doktortitel in Stoffwechselwissenschaften, sieht in solchen Ausnahmen einen Schlüssel. „Ein Einzelfall beweist nicht, was uns länger leben lässt, aber er kann unsere Annahmen auf den Kopf stellen“, erklärte er Epoch Times. Moreras kurze Telomere widersprechen der Annahme, dass lange Telomere für Langlebigkeit entscheidend sind. Ihr leicht erhöhter LDL-Cholesterinspiegel stellt die Notwendigkeit niedrigster Werte infrage.

Beide Experten betonen den Kontext: Viele Biomarkerstudien basieren auf kranken Populationen. Moreras Überleben legt nahe, dass Werte, die für die Mehrheit riskant erscheinen, für außergewöhnlich Gesunde weniger Bedeutung haben könnten. Genetik und ein gewisser „Überlebensvorteil“ könnten erklären, warum manche Menschen Risiken einfach abschütteln.

„Die Frage ist“, fügte Norwitz hinzu, „was für unsere Gesundheit grundlegend wichtig ist und ob das medizinische System darauf ausgerichtet ist – oder nur auf Biomarker, die wir mit Medikamenten beeinflussen können“.

Maria Branyas Morera im Jahr 2023. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Manel Esteller/Familie Maria Branyas über Eloy Santos.

Von der Faszination zum Handeln

Unsere Faszination für Menschen wie Morera spiegelt unseren tiefsten Wunsch wider: das Geheimnis eines langen, erfüllten Lebens zu entschlüsseln. Wenn jemand die Grenze von 100 Jahren überschreitet, stellen wir immer dieselben Fragen: Was war ihr Rezept? Welcher Trick steckt dahinter? Wir sehnen uns nach einer einfachen Formel, einem Hebel, den wir selbst betätigen können.

„Die meisten Menschen akzeptieren, dass Sterben zum Leben gehört“, sagt Dr. Norwitz. „Doch tief im Inneren wünscht sich niemand ein Verfallsdatum.“

Moreras hohes Lebensalter zeigt: Die Antworten, die wir suchen, sind selten so einfach, wie wir hoffen. Langlebigkeit ist kein Produkt eines einzigen Laborwertes oder einer bestimmten Diät. Sie wurzelt in der Widerstandskraft des gesamten Systems – einer Kraft, die durch alltägliche, erreichbare Gewohnheiten genährt wird:

  • Bewegung: Morera blieb bis ins hohe Alter aktiv, spielte Musik und pflegte einen festen Tagesrhythmus. Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung die Lebenserwartung verlängern kann.
  • Schlaf: Guter Schlaf war ein Eckpfeiler ihres Lebens. Die Forschung belegt, dass gesunder Schlaf die Lebensdauer verlängern kann.
  • Ernährung: Ihre an die mediterrane Kost angelehnte Ernährung mit Olivenöl, Joghurt, Eiern und Fisch förderte ein jugendliches Darmmikrobiom, das Entzündungen niedrig hielt und ihr Immunsystem stärkte.
  • Beziehungen: Morera war stets von ihrer Familie umgeben. Starke soziale Bindungen – sei es durch Familie, Gemeinschaften oder Vereine – sind ein ebenso starker Prädiktor für Langlebigkeit wie Cholesterinwerte oder Blutdruck.
  • Glaube: Studien zu Nachrufen zeigen, dass Menschen mit religiösen Bindungen fünf bis neun Jahre länger leben, getragen von Gemeinschaft und einem Gefühl von Sinn.
  • Optimismus: Moreras hoffnungsvolle Lebenshaltung spiegelt sich in Studien wider, die zeigen, dass Optimismus Stresshormone senkt, Entzündungen reduziert und die Erholung von Krankheiten fördert.

Moreras 117 Jahre liefern keinen magischen Schlüssel zur Unsterblichkeit. Doch sie erinnern uns daran, dass Gesundheit nicht an perfekten Laborwerten hängt. „Nicht alles dreht sich um Genetik“, betont Santos. „Auch wenn wir nicht ihre Gene haben, können wir durch gesunde Gewohnheiten Jahre voller Lebensqualität gewinnen.“

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „What the Life of a 117-Year-Old Can–and Can’t–Teach Us About Aging“. (deutsche Bearbeitung kr)



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