Fasten: Die Lust am Verzicht

Für alle, die sich auf einen bewussten Verzicht eingelassen haben, ist traditionell am Ostermorgen der Zeitpunkt des sogenannten Fastenbrechens gekommen. Was ist der Nutzen dieser selbstgewählten Askese?
Titelbild
Foto: Sonja Rachbauer/iStock
Von 18. April 2025

Für Constanze Schmitt war die Motivation ganz klar. Fasten wollte sie nicht aus gesundheitlichen Gründen. Sie war noch jung und völlig gesund. Ihr Motor war der einer spirituellen Suche. Um sich sicher zu fühlen, keine Fehler im Ablauf von Entwöhnungsphase und Wiederaufbau zu machen, meldete sie sich zu einem Kontemplationskurs mit Fasten an.

Die Wahl fiel auf einen Kurs in einem Seminarhaus einer christlich-katholischen Gemeinschaft, mitten in Würzburg, der unterfränkischen Universitätsstadt am Main, doch umgeben von einem herrlich weitläufigen Garten mit asiatischer Gartenkunst. Dies spiegelte die Verknüpfung des Hauses zur fernöstlichen Kultur wider, welche Constanzes Neigung entsprach.

Fokus von außen nach innen kehren

Für jeden, der sich zum Fasten entscheidet, wird die Motivation ein wenig anders aussehen. Beim einen wiegt der körperliche Aspekt mehr, der andere wünscht sich mehr geistige Klarheit. Sicher ist es immer ein Zusammenspiel beider Komponenten.

In der Erinnerung sagt Constanze heute, dass die Auseinandersetzung mit den körperlichen Vorgängen den Fokus auf die Außenwelt angenehm nach innen zog. Unterstützt wurde der Vorgang durch Schweigen, einen strukturierten Tagesablauf und viele Zeiten des meditativen Zur-Ruhe-Kommens. In der christlichen Tradition Kontemplation genannt.

Die Nahrungsaufnahme wurde innerhalb von anderthalb Tagen nur noch auf Flüssigkeiten heruntergefahren: Gemüsebrühe, Kräutertees, Wasser. Das in umfangreicher Menge. Schließlich geht es um Reinigungsprozesse, die Schlackenstoffe müssen ausgespült werden. Unterstützend kamen Einläufe hinzu, da der Darm bei mangelnder Nahrungsaufnahme schnell träge wird. Verbleibende Verdauungsreste lösen jedoch Bauchziehen und unangenehme Hungergefühle aus.

Lebhaft im Gedächtnis geblieben ist ihr der Moment des Fastenbrechens: einer der Momente, die man erlebt haben muss. Eine Geschmacksexplosion beim Biss in einen Apfel ließ sie ehrfürchtig staunen. Welche Welten sich offenbaren, wenn wir für eine gewisse Zeit – bei ihr waren es acht Tage – die Reize herunterfahren.

Chef des eigenen Lebens zu sein

Für viele ist diese Art des Fastens nicht möglich, allein aus gesundheitlichen Gründen. Andrea K. beispielsweise hat Gallensteine. Wenn sie nicht ausreichend Fette zu sich nimmt, besteht die Gefahr, dass sich die Galle verdickt und sie so eine Gallenkolik provoziert. Doch fand sie eine andere Lösung. Sie entschied sich zusammen mit ihrem Partner für eine Woche pflanzlich-basisches Essen in einem Kur- und Gesundheitszentrum im Schwarzwald.

Jederzeit würde sie es wieder machen, erzählt sie der Epoch Times, denn sie habe sich sehr, sehr wohlgefühlt. Dabei bedeutete dies auch Verzicht auf Koffein, Teein und Süßigkeiten mit zugesetztem Zucker. Es gab kein Fernsehen, kein Radio und auf dem Zimmer kein Internet. Doch hieß das für Andrea vor allem zu sich zu kommen: „Ich konnte mich frei machen von dem Druck, wer hat jetzt geschrieben, was muss ich machen?“

Es bedeutet auch in erster Linie, sich klar zu werden, wozu möchte ich Ja sagen, ganz bewusst. Dazu trügen auch die netten Gespräche mit anderen Kursteilnehmern bei, auf Wanderungen oder vor und nach dem Rahmenprogramm, beschreibt Andrea. Dieses beinhaltet wahlweise Yoga, Qigong, Feldenkrais, Meditation, auch psychologische Fastenbegleitung.

Für jeden Typ das Richtige finden

Letztlich beginne vieles im Kopf. „Sobald jemand sagt, ich darf das nicht“, lacht sie, sei es aus. Denn sie habe viele Gelüste. Die Gemeinschaft helfe da. Auch, weil bestimmte Lebensmittel tatsächlich nicht verfügbar seien. Wenn der „Japp“ auf Süßes zu groß würde, genehmige sie sich einen Löffel Honig.

Insgesamt sei alles recht einfach gehalten – und langsam. Flüssigkeiten würden gelöffelt und eingespeichelt. Ihre Verdauung sei in dieser Zeit enorm angeregt gewesen, freut sich Andrea. Nicht zuletzt deshalb habe sie ein Gefühl der Leichtigkeit von diesen Tagen mitgenommen.

Andreas Partner Uwe dagegen fiel diese Form des Fastens eher schwer. Ihm fehlten die Proteine, vielleicht auch deshalb, da er, anders als Andrea, sonst eher viel tierische Produkte zu sich nimmt. Doch auch für ihn gibt es ein nächstes Mal – dann aber lieber das klassische Fasten, bei dem gar nichts Festes gegessen wird.

Begrüßenswerte Effekte des Fastens

Das Interesse am Fasten steigt in den vergangenen Jahren zunehmend. Wen wundert es, leben wir doch in einer Gesellschaft des ständigen Überflusses – Übergewicht und zahlreiche sogenannte Zivilisationskrankheiten inklusive. So kommen die allermeisten doch zum Fasten mit dem Wunsch, abzunehmen.

Dabei unterscheidet sich eine Nulldiät ganz grundsätzlich vom klassischen Heilfasten, zum Beispiel nach Otto Buchinger. Denn hier werden rund 300 kcal (umgangssprachlich Kalorien, obwohl es genau genommen Kilokalorien sind) über Gemüsebrühen sowie Gemüse- und Obstsäfte aufgenommen. Außerdem wird auf genügend zusätzliche Flüssigkeitszufuhr, Ruhephasen und Bewegung geachtet.

Auch finden Leberwickel Anwendung: warm-feuchte Tücher, welche die Durchblutung erhöhen und somit den Stoffwechsel ankurbeln. Schließlich steht die Entgiftung im Mittelpunkt. Die Fastenklinik Schloss Warnsdorf beschreibt diesen Vorgang detailliert: „Wenn Sie eine Zelle in einen Hungerzustand versetzen, was beim Heilfasten unweigerlich passiert, so kann diese unbrauchbare Zellbestandteile ‚verdauen‘, indem sie um diese Abfälle ein Säckchen bildet und ein Enzym hineingibt, das sogenannte Lysosom, womit die Abfälle verdaut werden. So erhält die Zelle neue Energie und wird wieder ‚sauber‘.“

Dies löse zwar keine Verjüngung der Zelle aus, stoppe aber Entzündungsprozesse. Die Gewichtsreduktion passiert dabei wie selbstverständlich nebenbei, kann aber natürlich nur durch eine langfristige Ernährungsumstellung gehalten werden.

Tugend der Mäßigung

Allem Fasten zugrunde liegt das Einüben von Selbstdisziplin. Für Constanze Schmitt ist es daher ein beständiger Prozess. Für sie geht es darum, die Balance im Leben zu finden. Auch wenn mit dem Osterfest die klassische Fastenzeit ihr Ende findet, gebe es zahlreiche Möglichkeiten, die Idee der Mäßigung weiterzutragen.

Worin die Mäßigung liege, sei freilich höchst individuell, so Schmitt. Während manche zu Trägheit neigen, sei es bei ihr eher der Hang zur Überaktivität. So sei die viele Zeit, die plötzlich durch das Fasten frei werde, durchaus auch eine Herausforderung. Denn die Stunden, die am Tag sonst durch Einkauf, Essenszubereitung und schließlich Verzehr gebunden sind, stehen nun zur Verfügung. Das Argument „Dafür habe ich keine Zeit“ zähle nicht mehr.

Ähnlich sieht es bei anderen Formen des Fastens aus. Wie viel Zeit würde uns zur Verfügung stehen, wenn wir digital fasten würden? Dabei kann auch die Form des Intervallfastens verwendet werden, sprich in regelmäßigen Abständen für einen festgelegten Zeitraum darauf zu verzichten.

Constanze Schmitt weiß, dass diese Fastenerfahrung vor vielen Jahren geholfen hat, ihren heutigen spirituellen Weg zu finden. „Für mich geht es um Wachheit im Leben. Wir haben vielerlei Strategien, uns zu betäuben, doch wer einmal gespürt hat, wie durchlässig und sensibel Fasten macht, wird das nicht vergessen.“

Sie nimmt sich für die Osterfeiertage eine andere Fastenform vor: Bewusst, jegliche Art schlechter Worte in Gesprächen zu vermeiden.

Namen im Artikel wurden von der Redaktion geändert.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion