Mutter verklagt Social-Media-Riese Snapchat: Fentanyltabletten töteten ihren Sohn

Eine Mutter sowie 62 weitere Familien klagen gegen Social-Media-Riese Snapchat: Tödliche Fentanyltabletten – über die App gekauft – töteten ihre Kinder.
Titelbild
Fentanyltragödie: Wie eine Mutter Leben retten will. Amy Neville, Gründerin der Alexander Neville Foundation in Anaheim, Kalifornien, am 10. Juli 2025.Foto: John Fredricks/The Epoch Times
Von 16. August 2025

Amy Neville zwingt sich, die schmerzhafte Geschichte ihres 14-jährigen Sohnes Alexander zu erzählen, der unwissentlich Fentanyl konsumiert hatte und starb.

In einem Interview mit der amerikanischen Ausgabe der Epoch Times am 23. Juni, dem Todestag ihres Sohnes, wischte die 52-Jährige Tränen fort und mahnte, dass solch eine Tragödie jede Familie treffen könne. Über die Alexander Neville Foundation teilt sie ihren Verlust, um andere Eltern zu warnen. Sie schätzt, in Hunderten Vorträgen – persönlich und online – etwa 300.000 Menschen vor den Gefahren sozialer Medien und deren tödlichen Folgen gewarnt zu haben.

Neville und ihr Ehemann gehören zu den 63 Familien von Fentanylopfern, die Snapchat in den USA verklagen. Ihnen zufolge sei Snapchat ein digitaler „Open-Air-Drogenmarkt“. Die Plattform ermögliche es Drogendealern, straffrei und offen zu agieren. Zudem sorge ihr Algorithmus dafür, dass Drogendealer sich leicht mit Kindern vernetzen können. Snapchat sollte deshalb für Todesfälle, Vergiftungen und Verletzungen durch Fentanylüberdosierungen verantwortlich gemacht werden, fordern die Kläger. Snap Inc., das Mutterunternehmen von Snapchat, weist die Vorwürfe entschieden zurück, wie ein Richter feststellte.

Das Social Media Victims Law Center vertritt in der Klage zahlreiche Familien, deren Kinder an einer Fentanylvergiftung gestorben seien, weil sie auf Snapchat erworbene, verunreinigte Drogen konsumiert hätten, erklärte Matthew Bergman, der Gründungsanwalt des in Seattle ansässigen Zentrums, in einem Gespräch mit Epoch Times.

Snap Inc. reagierte nicht auf eine Anfrage nach einer Stellungnahme.

Ein Morgen, der alles veränderte

Vor fünf Jahren lebte die Familie Neville in Aliso Viejo, einem sicheren, von Bäumen umgebenen Vorort von Irvine, Kalifornien. Amy Neville führte ein Yogastudio, ihr Mann Aaron war Webentwickler. Beide, Mitte 40, hatten zwei Kinder: Eden, eine hochintelligente Tochter, die die Schule liebte, und Alex, einen ebenso klugen Sohn, der sich für Geschichte, Skateboarden und Gaming begeisterte, aber Hausaufgaben verabscheute. Sie waren eine typische Mittelschichtfamilie, wie die trauernde Mutter betonte. Damals hielt Neville das sich ausbreitende Coronavirus für die größte Bedrohung für ihren asthmatischen Sohn.

Das Leben der Nevilles war von einer scheinbar unbeschwerten Normalität geprägt, die Amy Neville als „die Zeit davor“ beschreibt – jene Zeit, bevor ein einziger Tag alles abrupt veränderte, „als hätte jemand einen Lichtschalter umgelegt“, wie sie es eindringlich formuliert.

Am Morgen des 23. Juni 2020 wollte Neville ihren Sohn Alex für einen Zahnarzttermin wecken. Als sie an seine Schlafzimmertür klopfte, blieb es still. Besorgt betrat sie sein Zimmer und stand vor einem entsetzlichen Anblick: Ihr Sohn lag reglos in seinem geliebten roten Sitzsack, die Haut unnatürlich blau verfärbt. Es war offensichtlich, dass er tot war. Doch als Mutter klammerte sich Neville an einen Funken Hoffnung, dass ihr Erstgeborener vielleicht noch gerettet werden könnte.

Inmitten des Schocks und der Verzweiflung hielt Amy Neville ihre damals zwölfjährige Tochter Eden davon ab, ihren älteren Bruder in diesem Zustand zu sehen, um sie vor dem traumatischen Anblick zu schützen. Währenddessen rief sie ihren Mann Aaron, der sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung begann, während Amy am Telefon mit einem Mitarbeiter der Notrufzentrale sprach.

Als die Sanitäter eintrafen, übernahmen sie die Wiederbelebungsmaßnahmen, legten Alex auf eine Trage und brachten ihn ins Krankenhaus, wo er schließlich für tot erklärt wurde. Die Nevilles standen vor einem unfassbaren Verlust. Doch kurz darauf ergab sich ein erster Hinweis, der Licht in die Tragödie bringen sollte.

„Im Zimmer liegt eine Tablette“, teilte ein Ermittler Neville mit. Sie hatte sie nicht bemerkt.

Die unbekannte Tablette wurde der Drogenbehörde übergeben.

„Da erfuhren wir von Fentanyl“, sagt sie. „Die Tablette wurde positiv auf Fentanyl getestet.“

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Tödliche Pillen per Klick

Aufgrund seiner kostengünstigen Herstellung mischen illegale Drogenhändler Fentanyl häufig mit anderen Substanzen, obwohl dieses synthetische Opioid bereits in minimalen Mengen tödlich wirken kann. Fentanyl ist etwa 100-fach potenter als Heroin. Bereits eine Dosis in der Größe einer Bleistiftspitze kann tödliche Folgen haben.

Zumeist aus China stammend, macht die außerordentliche Potenz von Fentanyl dieses synthetische Opioid zu einer der gefährlichsten Substanzen in der aktuellen Drogenkrise in den Vereinigten Staaten.

Sucht- und Drogenbeauftragter Burkhard Blienert sagte in einer Pressemitteilung: „Die Lage in Deutschland ist nicht vergleichbar mit der in den USA und Kanada, aber wir müssen uns trotzdem auf eine Zuspitzung der Lage vorbereiten, auf möglicherweise mehr Drogennotfälle und vor allem auch, dass mehr Menschen zu allem greifen, was der Markt hergibt und billig ist.“

Matthew Bergman, einer der Anwälte, der die klagenden Familien vor Gericht vertritt, sagte: „Soziale Medienplattformen und insbesondere Snapchat ermöglichen es Drogenhändlern, ihr tödliches Geschäft in großem Stil relativ anonym und mit relativer rechtlicher Immunität zu betreiben.“

Er sagte, dass die Eindämmung der Fentanylkrise in den USA nicht nur die Unterbindung der Drogenlieferungen aus dem Ausland erfordert, sondern es auch nötig sei, „die sozialen Medienunternehmen zur Verantwortung zu ziehen, da sie das wichtigste Vehikel“ für den Vertrieb von mit Fentanyl versetzten Pillen sind.

Im Jahr 2023 verstarben laut der US-amerikanischen Drogenbehörde (DEA) über 107.000 Amerikaner an einer Drogenüberdosis. Fast 70 Prozent dieser Todesfälle wurden Opioiden wie Fentanyl zugeschrieben. Die Zahl der Fentanyltodesfälle bei Kindern unter 18 Jahren stieg zwischen 2013 und 2021 um mehr als das 30-Fache.

Alex’ tragisches Schicksal

Der Tod ihres Sohnes Alex traf Neville völlig unvorbereitet, obwohl seine Offenlegung am Vatertag, zwei Tage vor seinem Tod, rückblickend ein Warnsignal war.

Während eines Gesprächs am Küchentisch gestand der Teenager seinen Eltern: „Ich muss euch etwas beichten. Ich wollte Oxy ausprobieren. Ich habe es über Snapchat von einem Dealer bekommen. Es hat mich sofort gefesselt, und ich weiß nicht, warum.“

Alex sprach von OxyContin, einem stark suchterzeugenden Opioid, das in Deutschland verschreibungspflichtig als Oxycodon erhältlich ist. Er hatte die illegale Straßenversion etwa eine Woche lang sporadisch konsumiert.

Seine Eltern dankten ihm für seine Offenheit und hatten vor, umgehend einen Platz in einer Entzugsklinik für ihn zu organisieren. Am nächsten Tag brachte Neville ihren Sohn zum Friseur – es sollte sein letzter Besuch sein. „Bitte nimm heute Abend keine Tabletten“, mahnte sie ihn. Er versprach, darauf zu verzichten.

Doch am nächsten Morgen war Alex tot – vermutlich nach der Einnahme einer Substanz, die er für OxyContin hielt, jedoch mit der tödlichen Substanz Fentanyl versetzt war.

„Wir wussten nichts über Fentanyl“, sagt sie. „Damals sprach niemand darüber, und auch die Gefahren von sozialen Medien waren uns nicht bewusst.“ Neville hatte die Social-Media-Konten ihres Sohnes gelegentlich auf Anzeichen von Gefahren wie Sexualstraftätern oder Mobbing überprüft. Doch die verschlüsselten Emojis, mit denen Teenager und Drogendealer Nachrichten über Drogen austauschen, waren ihr unbekannt.

„Stelle dich schwierigen Aufgaben“ – ein Mantra gegen den Schmerz

Nach dem Tod ihres Sohnes bemühte sich Neville, sich an den Wortlaut einer inspirierenden Aussage zu erinnern, die ihr Sohn auf ein Stück Papier gekritzelt und an seine Schlafzimmerwand geklebt hatte.

Eines Tages tauchte ein Bild dieses Papiers unter den Fotos auf dem Handy ihres Mannes auf. Darauf steht unter anderem: „Do uncomfortable work“ (Deutsch etwa: Stelle dich schwierigen Aufgaben). In der Handschrift ihres Sohnes nachgezeichnet, sind diese Worte nun dauerhaft auf Nevilles linkem Unterarm verewigt.

Amy Neville zeigt eine Tätowierung auf ihrem linken Unterarm mit der Aufschrift „Do uncomfortable work“ (Deutsch etwa: Stelle dich schwierigen Aufgaben) in der Handschrift ihres verstorbenen Sohnes Alexander, am fünften Jahrestag seines Todes durch Fentanyl, in Washington am 23. Juni 2025. Foto: Janice Hisle/The Epoch Times

Dieser Spruch sei zu ihrem „Mantra“ geworden, sagte Neville, und inspiriere sie dazu, anderen zu helfen, nicht das gleiche Schicksal wie ihr Sohn zu erleiden.

„Jeder Tag, den man ohne sein Kind leben muss, ist schwer, nicht wahr?“, sagte sie. „Aber es wäre noch schwerer, nichts dagegen zu tun.“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Why Parents Are Suing Snapchat Over Fentanyl Deaths“. (deutsche Bearbeitung kr)



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