Nach Schlaganfall: Kann die Stimulation des Vagusnervs das Gehirn neu verdrahten?

Ein Schlaganfall schränkte Stephen Gradys Beweglichkeit stark ein, doch eine neue Methode, die in einer Studie in London untersucht wird, in der sanfte Vagusnervstimulation genutzt wird, gibt ihm neue Hoffnung.
Titelbild
Der Vagusnerv fungiert wie eine Autobahn, die lebenswichtige Organe mit dem Gehirn verbindet. Wenn man weiß, wie man ihn stimuliert, kann dies Linderung bei hartnäckigen Beschwerden verschaffen und gleichzeitig mehr Ruhe und Widerstandsfähigkeit fördern.Foto: Deagreez/ iStock
Von 27. August 2025

In Kürze:

Ein Schlaganfall veränderte Stephen Gradys Leben.

Doch eine neue Behandlungsmethode, bei der ein wichtiger Nerv stimuliert wird, gibt ihm neue Hoffnung.

Diese Methode, kombiniert mit Rehabilitation, verbessert die Beweglichkeit und unterstützt die Heilung des Gehirns.


Eines Morgens änderte sich Stephen Gradys Leben schlagartig. Gegen 5 Uhr wachte er mit Schmerzen auf, die er zunächst für einen Krampf hielt. Doch es war ernster: Im Krankenhaus bekam er die Diagnose Schlaganfall – seine gesamte rechte Körperhälfte war gelähmt.

Trotz dieser Herausforderung gibt es neue Hoffnung für Menschen wie Stephen Grady. Am King’s College Hospital in London läuft die TRICEPS-Studie, die eine neue Behandlungsmethode testet. Dabei wird die nichtinvasive Vagusnervstimulation (VNS) mit Reha-Therapie kombiniert, um die Beweglichkeit von Hand und Arm zu verbessern. Bei der VNS wird der Vagusnerv, ein wichtiger Nerv im Körper, durch sanfte elektrische Impulse von außen stimuliert, was die Erholung nach einem Schlaganfall unterstützen könnte.

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Neue Hoffnung nach Schlaganfall

Arshad Majid, Neurologe und leitender Forscher der TRICEPS-Studie, hatte VNS bereits seit Jahren zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt. Später wurde er darauf aufmerksam, dass Kardiologen die VNS als Teil der aktiven Rehabilitation einsetzten, um Patienten nach Herzinfarkten bei der Genesung zu unterstützen. Als Majid sah, wie hilfreich die VNS in der Kardiologie war, kam ihm eine neue Idee: Vielleicht könnte die VNS auch die Genesung des Gehirns nach einem Schlaganfall unterstützen, indem sie dessen Fähigkeit zur Neuverdrahtung und Heilung fördert.

Der Bedarf an besseren Lösungen ist offensichtlich. Viele Menschen, die einen ischämischen Schlaganfall überleben, leben mit langfristigen Behinderungen, insbesondere in Arm, Schulter, Hand oder Handgelenk, die als Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten bezeichnet werden. Mehr als 60 Prozent der Überlebenden haben mit dauerhaften Bewegungsproblemen zu kämpfen, die sich auf ihre täglichen Aktivitäten und ihre allgemeine Unabhängigkeit auswirken. Selbst fünf Jahre nach dem Schlaganfall gibt etwa jeder Fünfte eine sehr schlechte Lebensqualität an.

Intensive Physio- und Ergotherapie können nach einem Schlaganfall Verbesserungen bringen, auch Jahre später, doch die Genesung stagniert meist früh. Nach den ersten Monaten verlangsamt sich der Fortschritt, und nur wenige Behandlungen zeigen langfristige Vorteile.

Vagusnervstimulation über das Ohr

Traditionell wird bei der VNS ein Gerät ähnlich einem Herzschrittmacher chirurgisch in den Hals implantiert. Für Schlaganfallpatienten, die oft Blutverdünner nehmen und ein höheres Operationsrisiko haben, ist eine invasive Behandlung nicht ideal. Majids Team setzte daher auf eine weniger invasive Methode: die transkutane Vagusnervstimulation (tVNS), bei der der Vagusnerv durch sanfte elektrische Impulse über das Ohr stimuliert wird.

Das Team begann mit einer kleinen Pilotstudie mit einem Dutzend Teilnehmern, bei der tVNS mit körperlicher Bewegung kombiniert wurde. Nach sechs Wochen stellte es Verbesserungen bei der Armschwäche der Patienten fest.

„Da gab es eine Signalübertragung“, sagte Majid. „Wir hatten keine Kontrollgruppe, aber es gab uns Grund zum Optimismus. Ein Teilnehmer, ein Boxtrainer, konnte zu Beginn der Studie seinen Arm nicht benutzen. Sechs Wochen später schlug er wieder auf einen Boxsack.“

Ermutigt durch dieses und weitere positive Ergebnisse startete das Team die groß angelegte TRICEPS-Studie, bei der die Teilnehmer die Behandlung zu Hause erhalten. Die Teilnehmer wenden die tVNS drei Monate lang täglich 1 Stunde selbst an – eine leicht zugängliche Alternative zu früheren stationären oder chirurgischen Verfahren.

Laut Majid könnte die Studie bei Erfolg die Schlaganfallrehabilitation neu gestalten und den Weg für weitere Forschungen zur VNS ebnen.

„Wir möchten verstehen, wie sich dies auf die Funktionen im Alltag auswirkt – was kann man jetzt tun, was vorher nicht möglich war?“, so Majid.

Vagusnerv natürlich aktivieren

Neben VNS-Geräten wächst das Interesse an natürlichen Methoden zur Stimulation des Vagusnervs als Teil eines ganzheitlicheren Ansatzes zur Schlaganfallbehandlung.

Atemtechniken, insbesondere langsames Zwerchfellatmen, können helfen, den Vagusnerv über die Lunge und das Zwerchfell zu stimulieren. Laut Modi hilft Atemarbeit dabei, das Nervensystem in einen ruhigeren, erholsameren Zustand zu versetzen und so die körpereigene Intelligenz und Heilungsfähigkeit zu unterstützen.

Kontakt mit Kälte, einschließlich kalter Duschen oder Tauchgängen, sanftes Summen oder Singen und achtsame Bewegungen wie Yoga oder Tai Chi sind weitere natürliche Möglichkeiten, den Vagusnerv zu aktivieren, merkte sie an.

Diese Methoden sind zwar kein direkter Ersatz für die medizinische VNS, aber dennoch besonders nützlich.

Ein Schritt zur Genesung

VNS heilt zwar keine Schlaganfälle, kann aber effektiv die Genesung unterstützen, besonders in Kombination mit gezielter Rehabilitation, erklärt Modi. Dies zeigt einen Wandel in der Schlaganfallbehandlung: Statt nur Symptome zu lindern, wird die Anpassungs- und Heilungsfähigkeit des Gehirns gefördert.

„Das Nervensystem ist unglaublich anpassungsfähig, und mit der richtigen Stimulation und Unterstützung ist eine Genesung oft besser möglich, als wir früher glaubten“, sagte Modi.

Grady hat seit Beginn der Behandlung bereits kleine Fortschritte bemerkt und sagt, dass sich sein Arm mittlerweile nicht mehr so anfühlt, als würde er nur noch herunterhängen.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Stimulating the Vagus Nerve May Help With Stroke Recovery—Here’s How“. (deutsche Bearbeitung kr)



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