Überraschend: Multivitaminpräparate erhöhen Lebenserwartung nicht

Eine großangelegte Studie über mehr als zwei Jahrzehnte zeigte, dass die langjährige Einnahme von Multivitaminpräparaten, also Nahrungsergänzungsmitteln, die eine Vielzahl an Vitaminen und Mineralstoffen in einer Zubereitung kombinieren, entgegen den Erwartungen die Lebenserwartung nicht erhöht. Wissenschaftler diskutieren die Gründe und worauf man bei Nahrungsergänzungsmitteln achten sollte.
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Eine Studie untersuchte die Effekte von Multivitaminpräparaten auf die Lebenserwartung.Foto: istock/sasirin pamai
Von 4. August 2025

In Kürze:

Multivitaminpräparate haben laut einer umfassenden Studie keine positiven Effekte auf die Lebenserwartung.

Wissenschaftler debattieren über die Studienergebnisse und sehen mögliche Probleme mit der Studie.

Gezielte Nahrungsergänzung bei Mangel sowie Qualität und Zusammensetzung der Präparate spielen eine wichtige Rolle.


 

Mit einer Pille oder einem Glas Flüssigkeit am Tag alle wichtigen Nährstoffe abdecken und dabei der Gesundheit etwas Gutes tun – das versprechen sich viele Konsumenten von Multivitaminpräparaten. Allerdings zeigt nun eine großangelegte Studie in den USA, dass die tägliche Einnahme von Multivitaminen die Lebenserwartung nicht erhöht und sogar mit einem etwas höheren Sterberisiko in Verbindung steht.

Die Studie stellt fest: „Die tägliche Einnahme von Multivitaminpräparaten war mit einem um 4 Prozent höheren Mortalitätsrisiko verbunden“ im Vergleich zu Nichtanwendern. Dieses erhöhte Risiko, wenn auch gering, deutet darauf hin, dass Multivitaminpräparate möglicherweise nicht die erwarteten gesundheitlichen Vorteile bieten, so die Forscher.

Allerdings sehen andere Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, auch einige Limitierungen in der Analyse und mahnen zur Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse.

Mögliche Gründe für die Studienergebnisse

Die Studie, die im „JAMA Network Open“ veröffentlicht wurde, hat unter Experten eine Diskussion ausgelöst.

Dr. Michael Bauerschmidt, Gründer von Deeper Healing Medical Wellness, weist darauf hin, dass die Einnahme von Multivitaminen bei manchen Personen zu einer unausgewogenen Nährstoffzufuhr führen kann.

„Was bestimmt den Bedarf an einem bestimmten Nahrungsergänzungsmittel? Oder anders gefragt: Was ist das wichtigste Nahrungsergänzungsmittel, das Sie einnehmen sollten? Die Antwort lautet: dasjenige, von dem Sie am wenigsten haben“, sagte Dr. Bauerschmidt gegenüber Epoch Times.

Er betonte, dass die individuellen Ernährungsbedürfnisse sehr unterschiedlich seien und sich im Laufe der Zeit ändern können, was in der Studie nicht berücksichtigt wurde.

„Wir haben keine Ahnung, wie der Ausgangswert des Nährstoffstatus der Studienteilnehmer war oder ob sie überhaupt ein Multivitaminpräparat benötigten“, sagte er. Diese fehlenden Daten seien von Bedeutung, da es ohne Kenntnis der anfänglichen Nährstoffmängel schwierig sei, die tatsächlichen Auswirkungen der Einnahme von Multivitaminpräparaten zu bestimmen, erklärte er seine Sichtweise.

Ein weiteres Problem könnten fehlende Mineralstoffe in vielen Multivitaminpräparaten sein. Der Neurowissenschaftler Robert Love sagte: „Multivitamine weisen einen Mangel an bestimmten Mineralstoffen auf, die den meisten von uns fehlen – insbesondere Magnesium und Zink.“ Er wies darauf hin, dass 40 bis 70 Prozent der Amerikaner einen Magnesiummangel haben – in Deutschland sind es ungefähr 29 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer. Auch bei Zink, welches für die Gesundheit des Gehirns und das Immunsystem von entscheidender Bedeutung ist, würde ein Mangel bestehen.

Umgekehrt enthalten Multivitamine oft übermäßige Mengen an Mineralien wie Kupfer und Eisen. Laut dem Neurowissenschaftler könne zu viel Kupfer und Eisen den oxidativen Stress erhöhen und Hirnschäden verursachen, insbesondere wenn nicht durch Zink ausgeglichen.

Laut David Sinclair, Professor an der Harvard Medical School, kann die Einnahme von Multivitaminpräparaten zu einer übermäßigen Eisenaufnahme führen, wenn kein Mangel besteht.

Qualität und Zusammensetzung der Präparate

Ein weiteres Problem, das Dr. Bauerschmidt anspricht, ist die Qualität und Art der Multivitamine, die von den Teilnehmern eingenommen wurden. „Es wird nicht erwähnt, welche Multivitamine sie eingenommen haben. Viele Präparate am Markt stuft er laut eigenen Angaben als von niedriger Qualität ein. „Mein großes Problem mit Multivitaminen im Allgemeinen ist, dass sie von allem ein bisschen enthalten, aber von nichts wirklich viel“, so Bauerschmidts Einschätzung.

Er betont zudem, dass viele Multivitamine Zusatzstoffe wie Magnesiumstearat enthalten, die sich an Vitamine und Mineralstoffe binden und dadurch die Aufnahme im Körper erschweren, was die Wirksamkeit verringert.

Neurowissenschaftler Love warnt zudem davor, Multivitamine als Ersatz für eine gesunde Ernährung zu betrachten. „Multivitamine und Nahrungsergänzungsmittel sind im Allgemeinen kein Ersatz für gesunde Lebensmittel. Es ist viel wichtiger, sich gesund zu ernähren, als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen“, sagte er.

Vorsicht bei Interpretation der Studienergebnisse

Auch gibt es eine Debatte bei der Interpretation der Studienergebnisse und Wissenschaftler mahnen dabei zur Vorsicht. Da es sich lediglich um eine Beobachtungsstudie mit retrospektivem Design und potenziell unzuverlässigen Fragebögen handelt, kann laut Dr. Bauerschmidt kein kausaler Zusammenhang zwischen Multivitamineinnahme und erhöhter Sterblichkeit nachgewiesen werden. Es könnten zudem unbeachtete Gesundheitsgewohnheiten sein, die nicht in die Daten mit eingeflossen sind, welche aber die Ergebnisse verzerren könnten.

Die Studie zeigt zwar keinen Nutzen von Multivitaminen für die Lebenserwartung, belegt aber auch keinen eindeutigen Schaden, so Morgan McSweeney, der einen Doktortitel in pharmazeutischen Wissenschaften besitzt, gegenüber Epoch Times. McSweeney rät zudem zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nur bei festgestelltem Mangel und nach ärztlichem Rat und warnt vor Konsum aufgrund von Social-Media-Trends.

Die Studiendaten im Überblick

Die Studie umfasst Daten von 390.124 Erwachsene über einen Zeitraum von bis zu 27 Jahren, was sie zu einer der umfassendsten Analysen zum Thema Multivitaminpräparate macht.

Die Teilnehmer hatten keine Krebserkrankungen oder chronische Krankheiten in ihrer medizinischen Vorgeschichte und gaben zu Beginn der Studie und während der Nachuntersuchungen an, ob sie Multivitaminpräparate einnahmen.

Die Daten zeigten im Laufe der Zeit keinen Vorteil bei der Lebenserwartung der Anwender von Multivitaminpräparaten. Stattdessen deuteten die Ergebnisse auf einen leichten Anstieg des Mortalitätsrisikos hin.

Im Rahmen der Studie berücksichtigen die Wissenschaftler auch andere Gesundheitsgewohnheiten wie Ernährung, Bewegung und Rauchen. Sie stellten fest, dass Personen, die Multivitaminpräparate einnahmen, im Allgemeinen gesundheitsbewusster waren, sich meist gesünder ernährten und mehr Sport trieben.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Large Study Links Daily Multivitamin Use to Increased Mortality Risk. (redaktionelle Bearbeitung cs)

 



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