Verblüffende Entdeckung: Wie Stille neue Gehirnzellen wachsen lässt

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Stille nicht nur Stress reduziert, sondern auch neue Gehirnzellen wachsen lässt.
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Wie Stille Stress abbaut und Nervenzellen wachsen lässt.Foto: Illustration Lumi Liu
Von 15. September 2025

In Kürze:

  • Stille wirkt wie eine aktive Kraft, die Herzfrequenz und Blutdruck senkt, kognitive Funktionen stärkt und sogar neue Gehirnzellen fördert.
  • Studien zeigen, dass sie Stress reduziert, Kreativität entfesselt und die Gehirnstruktur positiv verändert.
  • Strategische Pausen können zudem das Ergebnis von Verhandlungen und auch des Lernens verbessern.

 

Im Jahr 2006 wagte Dr. Luciano Bernardi, ein renommierter Professor für Innere Medizin an der Universität Pavia und leidenschaftlicher Amateurmusiker, ein faszinierendes Experiment. Sein Ziel war es, die Wirkung von Musik auf das Herz-Kreislauf- und Atmungssystem zu entschlüsseln. Mit wissenschaftlicher Präzision und einem Gespür für die Magie von Klängen gestaltete er eine Studie, die nicht nur seine Probanden, sondern auch die Wissenschaft selbst überraschen sollte.

Bernardi kuratierte sechs Musikstücke, die in zufälliger Reihenfolge gespielt wurden, unterbrochen von zweiminütigen Pausen der Stille. Diese Pausen sollten die Teilnehmer auf einen neutralen Ausgangszustand zurückführen – ein Standard in experimentellen Designs. Doch was er entdeckte, sprengte alle Erwartungen: In diesen Momenten der Stille kehrten die Probanden nicht etwa in einen Ruhezustand zurück, sondern sie entspannten sich auf eine Weise, die Bernardi verblüffte.

„Der Effekt war außergewöhnlich“, berichtete Bernardi Epoch Times. In seinem Experiment erwies sich die Stille als wirkungsvoller als die eingesetzte Musik selbst. Diese Entdeckung zwang den Wissenschaftler, die Grundlage seines Experiments zu hinterfragen und die Rolle der Stille neu zu definieren.

Stille als aktive Kraft

Stille wird oft als bloße Abwesenheit von Klang wahrgenommen – doch Bernardis Forschung enthüllt ein weitaus komplexeres Bild. Stille ist keine Leere, sondern eine aktive Kraft, die tiefgreifende Auswirkungen auf unseren Körper und Geist entfaltet. Studien zeigen, dass unterschiedliche Formen von Stille das Herz-Kreislauf-System harmonisieren, kognitive Prozesse stärken und sogar das Wachstum von Neuronen fördern können.

Bernardis Studie war im Jahr 2006 der am häufigsten heruntergeladene Artikel in „Heart“, einer Fachzeitschrift für Kardiologen. Auch wenn es intuitiv einleuchtend erscheint, dass Stille den Körper beruhigt, hatte dies zuvor noch niemand empirisch nachgewiesen.

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Warum hat Stille so tiefgreifende Auswirkungen? Die Antwort liegt darin, wie unser Körper auf Geräusche reagiert, sowohl auf angenehme als auch auf unerwünschte.

„Lärm kann als unerwünschtes Geräusch definiert werden“, sagte die Lärmforscherin Erica Walker, Assistenzprofessorin für Epidemiologie an der Brown University School of Public Health.

Lärm versetzt den Körper in Alarmbereitschaft – eine Reaktion, die so instinktiv ist wie jene, die man bei einer Bedrohung auf offener Straße erleben würde, erklärt Walker. „Ihr Körper reagiert mit einer erhöhten Pumpleistung des Herzens. Sie beginnen zu schwitzen und setzen eine Kaskade von Stresshormonen frei“, so die Expertin.

Zu diesen Stresshormonen gehören unter anderem Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Eine chronische Aktivierung dieser Hormone kann zu Schäden an den Zellen führen, die die Blutgefäße auskleiden, was zu einer Verschlechterung der Herz-Kreislauf-Gesundheit und zu oxidativem Stress führt. Walker merkte an, dass bereits Geräusche von 40 Dezibel (Umgebungsgeräusche in einem ruhigen Büro) negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben können und Geräusche von bis zu 65 Dezibel zu Schlaganfällen, Bluthochdruck und einer höheren Sterblichkeitsrate führen können.

Andererseits senkt Stille, wie Bernardi in seiner Studie nachgewiesen hat, die Herzfrequenz und den Blutdruck. Dies geht so weit, dass Stille „potenziell nützlich bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein kann“, so Bernardi.

Wie Ruhe Ihr Gehirn stärkt

Stille kann sogar die kognitiven Funktionen verbessern.

Eine Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass diejenigen, die in Stille arbeiteten, im Vergleich zu denen, die Sprache oder anderen Hintergrundgeräuschen ausgesetzt waren, die geringste kognitive Belastung erfuhren. Die Teilnehmer, die in Stille arbeiteten, zeigten die höchste Genauigkeit und das beste Gedächtnis bei der Ausführung kognitiver Aufgaben und hatten das geringste Maß an Belästigung und wahrgenommener Arbeitsbelastung. Darüber hinaus führte Stille zu einer deutlich gesenkten Cortisolkonzentration, was auf weniger physiologischen Stress hindeutet. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Reduzierung von Lärm die beste Umgebung für kognitive Arbeit bietet.

Die Vorteile der Stille können greifbar sein – sie kann sogar zur Bildung neuer Neuronen beitragen.

Das Labor von Imke Kirste an der Duke University Medical School hatte eine weitere zufällige Begegnung mit der Stille. Im Jahr 2013 setzten sie und ihr Team Mäuse verschiedenen Arten von Geräuschen aus, darunter Notrufe von Babymäusen, aber auch Stille. Wie auch Bernardi hatte sie überhaupt nicht vor, die Stille zu untersuchen.

Die Forscher erwarteten, dass die Schreie der Babymäuse das Wachstum von Gehirnzellen bei erwachsenen Mäusen anregen würden, da sie Not signalisieren und hypothetisch die Flexibilität des Gehirns steigern würden. Die Schreie führten tatsächlich zu einem kurzfristigen Zellwachstum. Die Überraschung kam jedoch, als die Forscher feststellten, dass 2 Stunden völliger Stille pro Tag bei den Mäusen zu dem größten Wachstum neuer Zellen im Hippocampus führten – dem Zentrum des Gehirns für Gedächtnis, Emotionen und Lernen –, und was noch wichtiger ist, dass diese Zunahmen am längsten anhielten.

Wie Stille Ihre Kreativität entfesselt

Das Konzept der „aktiven“ Stille wird noch faszinierender, wenn man bedenkt, was im menschlichen Gehirn in stillen Momenten geschieht.

Robert Zatorre, kognitiver Neurowissenschaftler am Montreal Neurological Institute der McGill University, erklärte gegenüber Epoch Times, dass es psychologisch gesehen möglicherweise keine Stille gibt. Seine Forschung zeigt, dass das Gehirn selbst in Abwesenheit von Geräuschen „interne Darstellungen von Geräuschen“ erzeugt. „Wenn Sie beispielsweise ein Lied hören und es plötzlich aufhört, hören Sie es möglicherweise immer noch in Ihrem Kopf“, sagte er.

„Diese Fähigkeit ist, soweit wir wissen, einzigartig für den Menschen und eine Form und Quelle der Kreativität. Sie können visuelle oder auditive Repräsentationen in Ihrem Kopf erzeugen, die es Ihnen ermöglichen, für die Zukunft zu planen oder als Musiker ganze Kompositionen in Ihrem Kopf zu erschaffen.“

7 Minuten Stille am Tag: Der Schlüssel zu emotionaler Stärke

Ein glückliches Leben entsteht aus einem stillen Geist. Ein Artikel aus dem Jahr 2018 im „British Journal of Guidance and Counselling“ legt nahe, dass „innere Stille“ ein Weg zu dauerhaftem Glück sein kann, das in Sinn, Zweck und echter Verbundenheit verwurzelt ist. Die Autoren erklären, dass solche Stille den Menschen hilft, sich von mentalem Lärm zu lösen, verschiedene Seiten ihrer selbst zu sehen und sich wieder mit dem zu verbinden, was wirklich wichtig ist. Andere Studien bestätigen, dass mentale Stille wichtig ist, um Stress und Depressionen zu reduzieren.

Am bemerkenswertesten ist vielleicht, dass diese Art der praktizierten Stille tatsächlich die Gehirnstruktur verändert. In einer neurowissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2020 praktizierten die Teilnehmer sechs Wochen lang an fünf Tagen pro Woche 7 Minuten lang eine Form der Meditation mit bewussten Pausen völliger Stille. Gehirnscans vor und nach der Studie zeigten eine signifikante Zunahme der Integrität der weißen Substanz im linken Fasciculus uncinatus, einem wichtigen Pfad, der das emotionale Zentrum des Gehirns mit den Bereichen verbindet, die für das logische Denken und die Selbstkontrolle zuständig sind. Diese strukturelle Veränderung steht im Zusammenhang mit einer besseren emotionalen Regulierung und klareren Entscheidungen.

Interessanterweise berichteten die Teilnehmer, dass sie im Laufe des Trainings weniger „mentale Ruhe“ empfanden, obwohl ihre Gehirnscans eine größere Konnektivität zeigten. Die Forscher vermuteten, dass Stille mit zunehmender Übung weniger zu einem auffälligen Ereignis wird, sondern eher zu einem automatischen, stabilen Geisteszustand.

Strategische Stille

Über die körperlichen und gehirnfördernden Vorteile der Stille hinaus haben Forscher entdeckt, dass strategische Stille einen Perspektivwechsel erleichtern und zukünftige Ergebnisse in verschiedenen Bereichen verbessern kann.

Eine Studie aus dem Jahr 2022 ergab beispielsweise, dass eine einfache Pause von 3 Sekunden während einer Verhandlung den Gesamtwert des Geschäfts um 17 Prozent steigern kann. Wie die Autoren feststellen, ist „Schweigen Gold“.

Der Effekt war am stärksten, wenn die Pausen zwischen 3 und 10 Sekunden dauerten, sodass beide Seiten Zeit hatten, nachzudenken, ihre Emotionen zu beruhigen und von starren Positionen zu einer Problemlösung überzugehen. Die stille Pause durchbricht das, was Forscher als „Fixed-Pie-Denken“ bezeichnen, bei dem jede Seite den Gewinn der anderen als ihren Verlust betrachtet, und fördert stattdessen die Suche nach Optionen, von denen beide Seiten profitieren.

Die Verhandlungsforscher verweisen auf ähnliche Ergebnisse in anderen beruflichen Kontexten. Studien, die sie zitieren, zeigen, dass Lehrer, die zwischen den Fragen 3 bis 5 Sekunden Pause machen, größeres Engagement und durchdachtere Antworten von den Schülern erhalten.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „A Quiet Medicine: How Silence Slows Down Your Heart and Grows Neurons“. (deutsche Bearbeitung kr)



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