Inflation und Umbrüche: Wie den Seelenfrieden bewahren?

Voller Lebenskraft, Lebensmut und Lebensfreude steckt er: Helmut Wittmann. Seit über 35 Jahren ist der Oberösterreicher Märchenerzähler – hauptberuflich. Als er das entschied, war er 28 Jahre jung, seine Frau mit dem ersten Kind hochschwanger. Bis dato hatte er schon eine Vielzahl unterschiedlicher Berufe ausgeübt.
Das Beständige bei Helmut Wittmann ist also der Wandel, verbunden mit einem großen Gottvertrauen. Diese seelische und geistige Elastizität will geübt sein. Bei körperlichen Belangen ist uns dies wohl vertraut, denn eine Sehne wird nicht mit einem Training gedehnt. Es bedarf vieler größerer und kleinerer Einheiten, die manchmal auch bis an die Schmerzgrenze gehen.
Experte in finanzieller Sorglosigkeit
Wie kann man sich beispielsweise aus der geistigen Abhängigkeit von seinen Finanzen befreien, die sich auch schädlich im Körper manifestieren können? Wie sieht das Trainingsprogramm aus, das unseren Geist und unsere Seele geschmeidig hält?
Als allererstes bleibt festzuhalten, dass Wittmann Sorglosigkeit nicht damit verwechselt, die Hände in den Schoß zu legen, um einfach abzuwarten, was passiert. Es ist vielmehr das Ja im Herzen, zu dem, was man tut, das einen anspornt, motiviert und bildlich gesprochen das Rad in Schwung hält.
Zentral dabei bleibt für den Geschichtenverteller – wie ein Norddeutscher sagen würde – die Frage, was Glück für einen bedeutet. Denn schließlich seien seine Märchen, Sagen und Erzählungen nichts anderes als Anregungen, sich dem Glück des eigenen Lebens zu nähern.
Dabei würden die Geschichtenbilder nicht bewerten, eher sich wie ein verdichtetes Bildprogramm in die Seele legen, um in schwierigen Situationen abrufbar zu sein – kein Rezept, sondern Ermutigung, dem Klang des Kosmos zu lauschen.
So stehen wir am idyllischen Almsee vor dem imposanten Toten Gebirge, und Helmut Wittmann ist es ein Leichtes, ein Lied oder einen Jodler anzustimmen. Seine Frau Ursula unterstützt ihn im Dreiklang dazu. Das sind Momente, in denen alles perfekt erscheint, nicht weil es ideal ist, sondern weil das Individuum Platz macht für ein größeres Ganzes.
Auf dem Weg zum Auto erzählt er, wie er in den 80er-Jahren den ersten Bioversandhandel mit aufbaute. Als dieser zu Ende ging, schlossen sich andere Betätigungsfelder an. Im Rückblick ohne Drama erzählt. Doch lässt es vermuten, dass auch zum Zeitpunkt des Geschehens Wittmann nicht festhielt und dadurch dem Lebensprinzip des Wandels folgen konnte.
Die Verwirbelungen des Lebens willkommen heißen
Sicher, aller Anfang ist schwer. Wir sind es gewohnt, uns abzusichern, uns zu versichern, reagieren gereizt bei allzu viel Veränderung. Und natürlich macht es keinen Spaß, an der Supermarktkasse zu stehen und nicht zu wissen, ob das Geld für den Einkauf reicht. Wir sind konfrontiert mit unserer Scham, mit unserem Neid, mit mangelndem Selbstwert.
Aber egal, wie sehr wir versuchen, solche Situationen zu vermeiden, hundertprozentig gefeit ist davor niemand. Dies zeigen Inflationen, Börsencrashs und Erdbeben eindeutig.
Zu Tisch bei den Almwirtinnen in Grünau auf der Terrasse neben dem rauschenden Almfluss erzählt Wittmann von Fischen und wie sie den Strom aufwärts schwimmen können. Wie werden Fische mit dieser Kraft des Wassers fertig? – zumal, wenn Hindernisse wie Steine zahlreiche Wirbel in der Strömung auslösen.
James Liao, Biologe an der Harvard University, ging dem mit Aufzeichnungen in einem Strömungskanal nach und fand heraus, dass sich die Fische bevorzugt im Kielwasser von Wirbelstraßen aufhielten.
Wittmann erzählt die gleichen Beobachtungen von Viktor Schauberger, der als Förster in einem der Nachbartäler Anfang des letzten Jahrhunderts zu demselben Schluss kam. Die Verwirbelungen werden nicht als unwillkommenes Hindernis wahrgenommen, sondern dienen den Tieren dazu, vorwärtszukommen – energieschonend.
Was erhält uns am Leben und lässt es uns wertvoll werden?
Während diese Zeilen entstehen, schiebt sich mir eine Biene ins Blickfeld. Emsig fliegt sie Blüte für Blüte ab, an einer Pflanze, die wir landläufig als Unkraut bezeichnen. Mitten in einer deutschen Großstadt schmiegt sie sich hier an eine Betonmauer. Die Sonne verschwindet allmählich hinter einem Gebäude. Unerbittlich mahnend, dass die Zeit läuft – beständig und so wertvoll, Lebenszeit.
Sicher, es gehört Mut dazu, auf den nächsten Atemzug zu vertrauen und nicht auf seine Kredit- oder EC-Karte. Doch für diese Ermutigung gibt es Geschichten wie die „Vom Glück in der Welt“, in der bei einem Bauern alles wunderbar wächst und beim anderen alles nur vor sich hin kümmert.
Eines Nachts jedoch trifft der Bauer, dem nichts gelingen will, das Glück des wohlhabenden Bauern, der in Gestalt eines kräftigen jungen Mannes bei eben jenem die Saat ins Feld bringt. Der gemarterte Bauer ist erstaunt und fragt reichlich entrüstet, wo denn sein Glück sei? „Da schau, da drüben am Felsen, da liegt’s und schläft.“
Der Bauer rennt zu seinem Glück, weckt es unsanft und raunzt es an: „Los, aufstehen, du musst arbeiten für mich.“ „Was, ich? Ich und arbeiten?“, antwortet das Glück verdattert. „Ja, klar. Du bist doch mein Glück“, erwidert der Bauer reichlich ungehalten. „Ja, sicher“, entgegnet da ihm sein Glück, „sicher bin ich dein Glück. Aber ich bin doch kein Bauernglück.“ „Ja, was denn dann?“ „Ich bin vielleicht ein Kaufmannsglück oder ein Handwerkerglück.“
Das nahm sich der Bauer zu Herzen. Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte, zog er ins Dorf und wurde Handwerker. Und es dauerte nicht lang, da fand er sein Glück.
Heute kann Wittmann mit seiner Frau Ursula auf ein prall mit guten Erinnerungen gefülltes Leben zurückschauen. Ihre fünf Kinder stehen ihnen zur Seite. In seinem Wohnort Grünau im Almtal kennt ihn jeder und er kennt jeden. Klar, er ist doch seit 25 Jahren regelmäßig im ORF mit einer eigenen Sendung, der „sagenhaften Stunde“, zu hören. Außerdem sei er Ehrenbürger, erzählt er lachend.
Die Liste der Auftritte bis nach Istanbul oder Moskau, vor allem bei internationalen Festivals, ist lang. Immer wieder sind dabei auch zweisprachige Programme gemeinsam mit Erzählkollegen. Dank ihm ist das Märchenerzählen in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen worden.
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