Warum Naturheilkunde oft scheitert – und wie sie wirklich hilft

Ich sehe es jede Woche in meiner Praxis: Menschen, die sich intensiv mit Gesundheit beschäftigen, viel Zeit und Geld in die Naturheilkunde investieren – und dennoch kaum weiterkommen. Sie ernähren sich bewusst, nehmen Nahrungsergänzungsmittel, lesen Gesundheitsratgeber oder probieren neue Verfahren. Und trotzdem bleiben die Beschwerden.
Woran liegt das?
In der Naturheilkunde gibt es unzählige Möglichkeiten. Doch Heilung benötigt Fokus. Statt zehn Dinge halbherzig zu machen, ist es meist wirkungsvoller, eine zentrale Blockade konsequent zu lösen.
Eine Patientin kam mit einer langen Liste an Symptomen: Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, Erschöpfung, Gelenkschmerzen. Ihre Küche glich einer Hausapotheke – voll mit Adaptogenen, Enzymen, Darmbakterien, Spurenelementen, Tinkturen und Komplexmitteln. Was fehlte, war ein klarer therapeutischer Plan.

Die Einnahme von Spurenelementen wie Magnesium, Kalium und Co. nützt nichts, wenn die Ursache eines Problems unbeachtet bleibt. Foto: nach AlfaOlga/iStock
Wir haben alles auf den Prüfstand gestellt und uns sechs Wochen lang nur auf den Darm konzentriert – eine klare Ernährungsstruktur, Schleimhautentlastung, gezielte Darmsanierung. Das Ergebnis: tieferer Schlaf, mehr Energie, deutlich weniger Schmerzen.
Die häufigsten Denkfehler
Mein Beispiel ist kein Einzelfall. Viele Menschen machen in bester Absicht immer wieder dieselben Fehler – und geraten dabei in eine Art naturheilkundliche Sackgasse.
1. Falsches Verfahren – wenn der eigentliche Auslöser übersehen wird
Nicht jede Beschwerde spricht auf das gewählte Verfahren an. Wenn etwa eine chronische Entzündung durch einen sogenannten Zahnherd „unterhalten“ wird, helfen weder Entgiftung noch Mikronährstoffe dauerhaft – solange dieser Störfaktor im Körper aktiv bleibt.
Ein Beispiel: Eine 64-jährige Patientin litt unter rheumatoiden Beschwerden. Erst die Entfernung eines verlagerten Weisheitszahns brachte den Durchbruch. Alle bisherigen Verfahren hatten zwar gelindert, aber nie dauerhaft geholfen.
2. Passendes Verfahren – aber nicht konsequent umgesetzt
Ich erinnere mich an eine Frau, die bei einem erfahrenen Homöopathen in Behandlung war. Nach der Gabe eines passenden Mittels waren ihre Beschwerden ein halbes Jahr lang vollständig verschwunden. Auf meine Nachfrage sagte sie dennoch: „Es hat nicht geholfen.“ Warum? Weil die Symptome nach sechs Monaten zurückkamen. Dabei war es ihr längstes beschwerdefreies Intervall seit Jahren.
Ein verbreitetes Missverständnis. Auch in der Physiotherapie kennt man es: Übungen zeigen Wirkung – doch sobald es besser wird, lässt man sie schleifen. Heilung entsteht nicht durch Impulse, sondern durch Wiederholung, Vertiefung und Geduld.
3. Gute Mittel – aber falsche Dosierung oder schlechte Bioverfügbarkeit
Gerade bei Vitalstoffen, Heilpflanzen oder Heilpilzen beobachte ich immer wieder:
- Substanzen werden in einer Form eingenommen, die der Körper kaum aufnehmen kann. Dabei kommt es durchaus auf Feinheiten an, wie die Einnahme von Ubiquinon statt Ubiquinol.
- Die Dosis ist zu niedrig, um einen therapeutischen Effekt zu erzielen.
- Zu kurze Einnahmedauer. Viele natürliche Mittel benötigen Wochen bis Monate, um ihre Wirkung voll zu entfalten.
Gleichzeitig gilt, nicht jede Heilpflanze wirkt besser in hoher Dosis. Manche entfalten ihre Kraft gerade in kleinen Mengen. Hier braucht es Erfahrung, Differenzierung und manchmal auch Laborwerte zur Kontrolle.

Manche Heilpflanzen entfalten ihre gesunde Kraft gerade in kleinen Mengen. Foto: fotomem/iStock
4. Therapieabbrüche bei Erstreaktionen oder Ungeduld
Naturheilkundliche Verfahren wirken sanfter – aber nicht immer langsamer. Manche Patienten erleben eine sogenannte Erstverschlechterung, deuten das als „Unverträglichkeit“ und brechen ab. Andere geben nach zehn Tagen auf, weil noch kein Effekt spürbar ist. Dabei zeigen viele tiefgreifende Heilprozesse oft erst nach vier bis sechs Wochen erste stabile Veränderungen.
5. Therapiehopping ohne System
Die Informationsflut unserer Zeit verleitet viele dazu, alles einmal auszuprobieren – aber nichts zu Ende zu bringen. Eine Woche Intervallfasten, dann Basenpulver, dann Vitalpilze, dann Leberreinigung. Das Ergebnis: Der Körper wird ständig umprogrammiert, ohne je zur Ruhe zu kommen. Heilung benötigt Ordnung – kein Chaos.
6. Die Psyche bleibt außen vor
Heilung ist kein rein biochemischer Prozess. Wer unter Dauerstress steht, ungelöste Konflikte mit sich trägt oder tiefe Ängste nicht ansieht, bleibt oft trotz guter Therapieansätze in einem Krankheitsmuster gefangen. Die Psyche ist kein Nebenschauplatz. Manchmal ist sie der eigentliche Engpass – und verdient mehr als nur ein paar Entspannungsübungen.
Fazit: Naturheilkunde wirkt – wenn man sie richtig einsetzt
Wer die Naturheilkunde ernst nimmt, benötigt mehr als gute Präparate. Es bedarf einer klaren Strategie. Die passende Methode finden, den größten Engpass erkennen, die Therapie konsequent und in wirksamer Dosierung umsetzen sowie die eigenen Erwartungen an einen natürlichen Heilungsverlauf anpassen. Und manchmal auch den Mut, einen eingeschlagenen Weg zu verlassen, wenn er nicht trägt. Festhalten an einem Verfahren um seiner selbst willen bringt niemanden weiter.
Heilung ist kein Zufall. Sie ist das Ergebnis bewusster Entscheidungen – Schritt für Schritt. Nicht durch Wundermittel, sondern durch Klarheit, Konsequenz und Geduld mit dem eigenen Körper.
Über den Autor

René Gräber. Foto: privat
René Gräber studierte Pädagogik und Sportwissenschaften. Aufgewachsen in einer Ärztefamilie, kam er früh mit der Medizin in Kontakt – vor, unter und hinter dem Arzttisch. Bereits in seinen Zwanzigern war seine Krankenakte „so dick wie die mancher 70-Jährigen“.
Sein eigenes Leid führte ihn jenseits der klassischen Medizin schließlich zur Naturheilkunde. Die erfolgreiche Selbstbehandlung legte den Grundstein für seine seit 1998 bestehende Praxis mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Alternativmedizin.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker. Für Informationen zur Dosierung, Anwendung und unerwünschten Effekten von Heilpflanzen wird eine Beratung in der Apotheke empfohlen.
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