Wie gute Taten unseren Körper von Innen verändern

Eine Taxifahrt, die unter die Haut geht: So verändert Freundlichkeit unser Leben – und unsere Gene.
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Von der DNA bis zur Seele: Die erstaunliche Wirkung von Freundlichkeit.Foto: Halfpoint/ iStock
Von 26. Oktober 2025

In einer Welt, die oft von Eile und Oberflächlichkeit geprägt ist, vermag eine einzige Begegnung das Leben nachhaltig zu verändern. So erging es dem amerikanischen Schriftsteller Kent Nerburn, dessen Entscheidung, 1989 als Taxifahrer zu arbeiten, ihn nicht nur durch nächtliche Straßen führte, sondern auch in die Tiefen menschlicher Geschichten.

„Als ich den Job annahm, hätte ich nie gedacht, dass er auch eine Form der Seelsorge sein würde. In der Nachtschicht wurde mein Taxi zu einem rollenden Beichtstuhl“, schrieb Nerburn, heute ein preisgekrönter Autor, in seiner bewegenden Erzählung „The Cab Ride I’ll Never Forget“ (Deutsch etwa: Die Taxifahrt, die ich nie vergessen werde) aus dem Buch „Make Me an Instrument of Your Peace“ (Deutsch etwa: Mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens).

„Ich begegnete Menschen, deren Leben mich tief berührten, mich bereicherten, mich zum Lachen und zum Weinen brachten. Doch keine Begegnung prägte mich so sehr wie die mit einer Frau, die ich in einer warmen Augustnacht fuhr.“

Als Nerburn an der angegebenen Adresse ankam, stieg zunächst niemand ein. „Ich überlegte: Soll ich an die Tür klopfen oder einfach warten? Viele Fahrer wären wohl weitergefahren“, erzählte er Epoch Times. Er entschied sich, an die Tür zu gehen. Eine Frau, vermutlich in ihren Achtzigern, öffnete. Sie bat ihn, ihren Koffer zum Auto zu tragen. „Selbstverständlich“, antwortete Nerburn. Im Gespräch erklärte sie: „Ich gehe ins Hospiz. Mein Arzt hat mir gesagt, dass es so weit ist.“

Sie stieg in das Taxi, setzte sich auf den Rücksitz und fragte: „Können wir durch die Stadt fahren? Es wird das letzte Mal sein, dass ich sie sehe. Ich möchte Orte besuchen, die in meinem Leben wichtig waren“.

So lenkte Nerburn das Taxi zu einem Tanzlokal, wo sie und ihr Mann sich kennengelernt hatten, zu Häusern, in denen sie gelebt hatte, und zu einem Hotel, in dem sie einst als Fahrstuhlführerin gearbeitet hatte. Die ganze Nacht fuhren sie durch die Stadt, bis die Frau schließlich sagte: „Ich bin müde. Lassen Sie uns jetzt zum Hospiz fahren.“

Dort angekommen, fragte sie: „Wie viel schulde ich Ihnen?“ Nerburn erwiderte: „Sie schulden mir nichts.“ Als sie insistierte, er müsse doch seinen Lebensunterhalt verdienen, antwortete er: „Es gibt noch andere Fahrgäste, keine Sorge.“ Er half ihr mit dem Gepäck, und das Hospizpersonal erwartete sie bereits mit einem Rollstuhl. Bevor sie ging, umarmte sie Nerburn und sagte: „Vielen Dank, dass Sie das für mich getan haben.“

„Es war einer jener Momente, die einen innehalten lassen“, reflektierte Nerburn. „Vielleicht war genau das mein Daseinszweck in diesem Augenblick – dieser Frau zu helfen.“

Freundlichkeit, so scheint es, kommt nicht nur dem Empfänger zugute. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass selbstloses Handeln auch den Gebenden bereichert – emotional, physisch und sogar auf zellulärer Ebene, bis hin zu Veränderungen in unserer DNA.

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Die Kraft der Freundlichkeit: Ein menschliches Grundbedürfnis mit tiefgreifender Wirkung

Freundlichkeit ist tief in der menschlichen Natur verwurzelt. Bereits Kleinkinder im Alter von 18 Monaten zeigen eine klare Bereitschaft, anderen zu helfen, wie wissenschaftliche Studien belegen.

Dieses grundlegende Bedürfnis, Mitmenschen beizustehen, entspringt in der Regel der Empathie. Wenn wir das Leid anderer nachempfinden, wächst der Wunsch, dieses Leid zu lindern – ein Impuls, der uns zu selbstlosen Handlungen antreibt. In solchen Momenten wird ein „Empathie-Kreislauf“ im Gehirn aktiviert, der unser Handeln lenkt.

Doch Freundlichkeit geht weit über die bloße Linderung von Leid hinaus. Sie umfasst die bewusste Absicht, das Wohlbefinden anderer zu fördern, ohne dabei eigennützige Motive zu verfolgen. Paradoxerweise bereichert jedoch gerade dieses selbstlose Geben den Gebenden selbst. Wer anderen Gutes tut, schafft nicht nur äußere Veränderungen, sondern auch eine innere Bereicherung, die tiefes Wohlbefinden hervorbringt.

In einer 2023 durchgeführten Studie aus Australien nahmen 671 Teilnehmer an einem zweiwöchigen Experiment zum Thema „Gut leben” teil. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe wurde gebeten, freundlich zu sich selbst zu sein, die zweite, offener und geselliger zu sein, die dritte, sich mit Aktivitäten wie Kunst- oder Musik zu beschäftigen, und die vierte, sich in freundlichen Handlungen für andere zu engagieren. Anschließend überprüften die Forscher täglich, wie sich die Teilnehmer durch diese Aktivitäten fühlten.

In Bezug auf „Eudaimonia“ – ein tiefes Gefühl von Sinnhaftigkeit und Erfüllung – übertrafen die Hilfsaktionen für andere alle anderen Aktivitäten. Selbstfürsorge, Geselligkeit und die Auseinandersetzung mit Kunst lösten zwar positive Gefühle aus, konnten jedoch nicht mit dem warmen Gefühl mithalten, das andere durch ihre Hilfsaktionen für andere erlebten.

Gute Taten beinflussen wie unsere Gene wirken

In einer 2019 im Journal of Social Psychology veröffentlichten Studie fanden Forscher heraus, dass Menschen, die sieben Tage lang jeden Tag freundliche Taten vollbrachten, einen signifikanten Anstieg ihres Glücksempfindens erlebten. Interessanterweise waren die Menschen umso glücklicher, je mehr freundliche Taten sie vollbrachten oder beobachteten, unabhängig davon, ob sie freundlich zu ihrer Familie oder zu Fremden waren.

Darüber hinaus wirkt sich Freundlichkeit nicht nur auf die Emotionen aus, sondern beeinflusst auch die DNA und prägt die Funktionsweise des Immunsystems.

Gute Taten verändern Ihre DNA

Eine Gruppe von Wissenschaftlern der University of California wollte herausfinden, ob Freundlichkeit gegenüber anderen unseren Körper auf genetischer Ebene verändert. Die Wissenschaftler dieser Studie untersuchten Veränderungen in einer Reihe von Genen, die mit Entzündungen und Stress in Verbindung stehen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Gruppe, die freundliche Handlungen für andere Menschen vollbrachte, die größten positiven Veränderungen in ihrer Genaktivität in den Immunzellen aufwies.

Der Welleneffekt der Freundlichkeit

„Die meisten menschlichen Verhaltensweisen, Emotionen und Eigenschaften sind zumindest bis zu einem gewissen Grad sozial ansteckend“, erklärte Abigail Marsh, Neurowissenschaftlerin und Empathieforscherin an der Georgetown University, gegenüber Epoch Times.

Wenn Menschen andere Menschen bei freundlichen Handlungen beobachten, löst dies im Gehirn der Zeugen einen Mechanismus aus, der sie dazu veranlasst, diese Freundlichkeit zu spiegeln, sodass sie selbst ohne bewusste Anstrengung freundlicher werden.

Eine berühmte Parabel erzählt, wie ein Sturm Tausende sterbender Seesterne an den Strand spülte. Ein Mann beobachtete, wie sich Menschenmengen versammelten, jedoch nichts unternahmen. Dann begann ein Kind, die Seesterne einzeln aufzuheben und sie zurück ins Meer zu werfen. „Mein Sohn“, sagte der Mann, „ist dir nicht klar, dass der Strand kilometerlang ist und es Hunderte von Seesternen gibt? Du kannst nichts bewirken!“ Das Kind lächelte, hob einen weiteren Seestern auf, warf ihn ins Meer und antwortete: „Für diesen einen habe ich etwas bewirkt!“ Der Mann war bewegt. Er schloss sich an, und nach und nach tat es ihm die ganze Menschenmenge gleich.

Wie Daten zeigen, können einzelne Akte der Freundlichkeit weiter reichen, als man denkt.

Untersuchungen von Adam Grant, Professor an der Wharton School der University of Pennsylvania, bestätigen die Ansteckungskraft von Freundlichkeit in dem, was er als „Upstream-Reziprozität“ bezeichnet. In kontrollierten Experimenten waren Teilnehmer, die Zeuge wurden, wie jemand einem anderen Menschen half, um 26 Prozent eher bereit, später einem zufälligen Fremden zu helfen.

Die Sozialwissenschaftler James Fowler und Nicholas Christakis führten eine Studie durch, die zeigte, dass sich großzügiges Verhalten über soziale Netzwerke bis zu drei Stufen weiterverbreitet. Ihre Studie, die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde, ergab, dass wenn eine Person großzügig handelt, dies andere dazu inspiriert, gegenüber einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen großzügig zu handeln, wodurch eine Kette von freundlichen Handlungen entsteht.

Wie weit kann Freundlichkeit realistisch gesehen reichen?

In den 1960er Jahren führte der amerikanische Psychologe Stanley Milgram ein Experiment durch, das ergab, dass Menschen jeden Fremden über durchschnittlich 5,2 Zwischenpersonen erreichen können. Dies wird als das sogenannte „Small-World-Problem“ bezeichnen. Denn wir sind viel stärker miteinander verbunden, als wir glauben. Durch die Technologie ist die Welt noch kleiner geworden – auf 3,57 Zwischenpersonen reduziert.

Freundlichkeit entwickeln

In einer Studie, veröffentlicht in Psychological Science, wies ein achtwöchiges Achtsamkeitstraining beeindruckende Ergebnisse nach. Freiwillige, zufällig einer Meditations- oder Kontrollgruppe zugeteilt, wurden nach dem Training in eine vermeintlich unabhängige Wartezimmersituation gebracht. Dort erschien eine Schauspielerin auf Krücken, sichtbar gequält, und lehnte seufzend gegen eine Wand. Erstaunlich: 50 Prozent der Meditationsgruppe gaben ihren Stuhl auf, aber nur 15 Prozent der Kontrollgruppe. Die Forscher schlussfolgerten, dass Meditation die Bereitschaft, fremdes Leid zu lindern, mehr als verfünffacht.

Folgeexperimente bestätigten, dass selbst kürzere Meditationsinterventionen von drei Wochen eine signifikante Empathie fördern.

Eine weitere Möglichkeit, Freundlichkeit zu entwickeln, besteht darin, das Gefühl zu haben, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Ein Ansatz besteht darin, hinauszugehen, um Ehrfurcht zu empfinden.

In einer 2015 im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichten Studie stand ein Teil der Teilnehmer vor hohen Eukalyptusbäumen und blickte eine Minute lang zu ihnen auf, während andere Teilnehmer von den Bäumen wegschauten und direkt auf ein modernes Wissenschaftsgebäude starrten. Die Teilnehmer, die auf die Bäume blickten, waren später eher bereit, jemandem zu helfen und gaben an, weniger selbstbezogen zu sein.

Nerburn sagte, dass er in seinem Leben seit dieser unvergesslichen Autofahrt einige Möglichkeiten gefunden habe, bewusste Freundlichkeit zu integrieren.

„Ein einfaches Modell ist [zu fragen]“, sagte Nerburn, „Bedeutet das Gute zu tun für die andere Person mehr, als es mir Unannehmlichkeiten bereitet? Und wenn das der Fall ist … dann tue ich das Richtige.“

Bewusste Freundlichkeit kann klein anfangen. Marsh schlägt eine Formel vor: Wenn X passiert, dann werde ich Y tun – so detailliert wie möglich. „Immer wenn ich durch eine Tür gehe, werde ich darauf achten, ob jemand kommt, und die Tür für ihn offen halten … wenn ich Müll auf dem Boden sehe, werde ich ihn aufheben.“

„Am Anfang ist es mühsam, aber dann wird es zur Gewohnheit“, sagte sie.

Nerburn kam zu dem Schluss, dass Momente in denen man Freundlichkeit üben kann – wie seine Taxifahrt – unerwartet sind, aber dennoch jeden Tag vorkommen. Wenn Sie sie bemerken, „nutzen Sie den Moment und seien Sie freundlich“.

„Auf lange Sicht wird Ihr Leben dadurch wesentlich besser werden“, meint der Autor.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „How Kindness Can Enhance Your Life—and Your Genes“. (deutsche Bearbeitung kr)



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