Chinas Griff nach dem Einzelhandel: Droht der Aufkauf Deutschlands?

Kauft China Deutschland auf? Mit dem Einstieg des Online-Giganten JD.com bei MediaMarkt und Saturn rückt diese Frage erneut in den Fokus. Der Deal könnte weit über den Einzelhandel hinausreichen – direkt in den Alltag deutscher Verbraucher.
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Mit dem Einstieg von JD.com bei MediaMarkt und Saturn rückt Chinas Einfluss erstmals direkt in den Alltag.Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild/dpa
Epoch Times22. September 2025

In Kürze:

  • Das Bundeskartellamt hat der Übernahme von Ceconomy (MediaMarkt/Saturn) durch JD.com zugestimmt
  • Chinesische Investitionen verlagern sich zunehmend von Firmenkäufen zu neuen Fabriken und Projekten
  • Mit dem Einstieg in den Einzelhandel rückt Chinas Einfluss erstmals direkt in den Alltag deutscher Verbraucher
  • Ob der Deal zustande kommt, hängt nun von einer sicherheitspolitischen Prüfung der Bundesregierung ab

 

Die Frage, ob China Deutschland „aufkauft“, flammt in Wellen auf – mal nach dem Einstieg in Hightech-Schmieden wie Kuka, mal beim Mitreden in der Hafenlogistik wie in Hamburg, nun wieder im Hinblick auf den Einzelhandel: Das Bundeskartellamt hat dem chinesischen Online-Konzern JD.com grünes Licht für die Übernahme des Düsseldorfer Elektronikhändlers Ceconomy gegeben, zu dem die Marken MediaMarkt und Saturn gehören.

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Warum jetzt? Chinas Investitionsmuster im Wandel

Chinesische Engagements in Deutschland sind kein neues Phänomen. Seit den frühen 2000er-Jahren stieg die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen, gipfelnd im Rekordjahr 2016. Der „Mitbestimmungsreport“, herausgegeben vom Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung, beleuchtete im August 2021 diese Entwicklungen.

In den frühen 2010er-Jahren, so der Report, nahm die Zahl chinesischer Übernahmen in Deutschland erstmals spürbar zu: Von nahezu null in den Jahren 2009 und 2010 stieg sie auf ein niedriges zweistelliges Niveau und blieb dort mehrere Jahre stabil. Einen Höhepunkt erreichte die Entwicklung in den Jahren 2016 und 2017, die als Rekordjahre mit besonders starkem Zuwachs gelten.

Gab es 2011 in Deutschland 19 Unternehmensübernahmen mit danach chinesischer Unternehmensmehrheitsbeteiligung, waren es im Jahr 2016 schon 48 Unternehmen und 2017 noch 37 Unternehmen. Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung beruft sich im Report dabei auf eigene Daten.

Zwischen 2001 und 2023 wurden laut einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung aus dem April dieses Jahres 294 Unternehmen von Investoren aus China mehrheitlich oder vollständig übernommen. Bis Anfang 2024 wurden 205 dieser Unternehmen von ihren chinesischen Investoren geführt.

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Gleichzeitig verweist eine EY-Analyse aus dem Februar 2024, die der Redaktion vorliegt, auf einen deutlichen Rückgang der Zukäufe in Europa seit 2017. Im Jahr 2023 zählten die Berater 119 europäische Übernahmen – den niedrigsten Stand seit 2012 – und ein Investitionsvolumen von rund 2 Milliarden US-Dollar, fast weniger als die Hälfte des Vorjahres. In Deutschland gab es 2023 zwar 28 Transaktionen, aber mit dem niedrigsten Investitionsvolumen seit 2010.

Das Mercator Institute for China Studies, ein unabhängiger europäischer Thinktank, beobachtet zudem eine strukturelle Verschiebung, wie das Institut in einer Studie aus dem Juni 2024 schreibt. Chinesische Investitionen in Deutschland verlagern sich: Statt ganze Firmen zu übernehmen, setzen Konzerne zunehmend auf sogenannte Greenfield-Projekte – also den Bau neuer Fabriken und Werke „auf der grünen Wiese“.

2023 machten diese Neugründungen fast 80 Prozent aller chinesischen Investitionen in Europa aus. Besonders im Fokus stehen Batterien und Elektromobilität: So errichtet der Batteriehersteller CATL ein Milliardenwerk in Thüringen, weitere Projekte entstehen in Frankreich und vor allem in Ungarn. Für Deutschland bedeutet das: Chinesisches Kapital bleibt präsent, doch weniger über Aufkäufe traditioneller Unternehmen, sondern über neue Produktionsstandorte, die sich eng an die E-Auto-Industrie binden.

Frühere Übernahmen: Kuka, Cosco – und nun MediaMarkt/Saturn

Die Liste von Übernahmen, die in der Vergangenheit für Diskussionen sorgten, reicht von der Kuka-Übernahme 2016 durch die Midea Group über Beteiligungen chinesischer Akteure an Infrastruktur bis zu aktuellen Vorstößen in den Handel. Zuletzt sorgte der Hamburger Hafen für Schlagzeilen, als Anteile am Containerterminal Tollerort an einen chinesischen Staatskonzern gingen.

Solche Einstiege lösen Debatten aus, die weiter reichen als reine Investitionsfragen: Es geht um Technologiezugang, Lieferketten, Standorthoheit – und um die Frage, wie weit politische Richtlinien aus Peking in deutsche Unternehmen hineinwirken könnten.

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Mit der nun kartellrechtlich gebilligten Übernahme von Ceconomy durch JD.com rückt erstmals seit Langem der stationäre Einzelhandel in den Brennpunkt. JD.com, mit einem Jahresumsatz von knapp 159 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr, ein Schwergewicht des chinesischen E-Commerce, beschreibt sich als „weltweit führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen“. Bekannt sind die Stärken in der Logistik und im Technologiebetrieb.

Für Deutschland hätte der Einstieg von JD.com eine besondere Signalwirkung: Erstmals wagt sich ein chinesischer Großkonzern in ein Feld vor, das bisher nicht im Fokus solcher Investoren stand – dem klassischen Elektronikeinzelhandel mit bekannten Marken wie MediaMarkt und Saturn. Ein Bereich also, der Millionen Verbraucher direkt im Alltag erreicht und weit mehr ist als ein Nischengeschäft.

Marktpräsenz und Markenreichweite von MediaMarkt/Saturn

Ceconomy betreibt mit den Hauptmarken MediaMarkt und Saturn ein bundesweites Filialnetz und ist zudem im Onlinehandel aktiv. Wie hoch der Marktanteil der Marken Saturn und MediaMarkt am Elektromarkt ist, kann anhand öffentlich zugänglicher Daten nicht ermittelt werden.

Eine grobe Schätzung ist trotzdem möglich. Lag der Gesamtumsatz der Branche im Jahr 2023 laut dem „Home Electronics Index“ bei 47,3 Milliarden Euro, taxiert „Statista“ die Umsätze der Ceconomy AG mit den Elektrofachmärkten MediaMarkt und Saturn auf rund 9,6 Milliarden Euro. Legt man diese Zahlen zugrunde, dann ergäbe sich daraus ein Marktanteil von rund 20 Prozent.

Klar ist bei diesem grob gerechneten Marktanteil: Ein Betreiberduo dieser Sichtbarkeit bündelt Sortimentstiefe, Preissignale, Serviceversprechen und Kundendaten in einem Umfang, der weit über Nischenbedeutung hinausgeht.

Sollte Ceconomy unter das Dach von JD.com wechseln, läge diese gebündelte Präsenz zumindest mehrheitlich in chinesischer Hand – mit entsprechendem Hebel auf Einkaufsbedingungen, Lieferkettenintegration und datengetriebenen Handelsstrategien.

Ausverkauf oder Normalität?

Chinas Investitionen in Europa haben sich verändert. Während in den vergangenen Jahren viele deutsche Firmen aufgekauft wurden, ist dieser Kaufrausch inzwischen abgeflaut. Studien, wie die oben erwähnten, zeigen: Es gibt weniger Übernahmen und die Summen sind deutlich kleiner.

Stattdessen setzen chinesische Unternehmen verstärkt auf sogenannte „Greenfield“-Projekte – also auf neue Fabriken und Werke, die von Grund auf in Europa gebaut werden. Trotzdem bleibt das Interesse an Deutschland hoch, wie die mögliche Übernahme von MediaMarkt und Saturn zeigt.

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Hier geht es nicht mehr um den Kauf einer Roboterfirma oder eines Hafenanteils, sondern um direkten Zugang zum Massenmarkt. JD.com könnte künftig bestimmen, wie Elektronikgeräte in Deutschland verkauft werden, welche Preise durchgesetzt und welche Daten gesammelt werden. Damit würde China im Alltag vieler Verbraucher sichtbarer, als es bisher der Fall war.

Ob die Bundesregierung diesen Deal zulässt, ist noch offen. Kartellrechtlich gibt es keine Einwände. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, stellt dazu in einer Pressemitteilung fest:

„JD.com ist bislang nur in sehr geringem Umfang in Deutschland aktiv. Der Zusammenschluss weist deshalb nur wenige wettbewerbliche Berührungspunkte auf und gibt keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken.“

Doch das Wirtschaftsministerium könnte einschreiten, wenn sicherheitspolitische Gründe dagegen sprechen. Laut der sogenannten „Außenwirtschaftsverordnung“ (AWV) prüft das Bundeswirtschaftsministerium Investitionen ausländischer Investoren, die eine Kontrolle an inländischen Unternehmen erwerben wollen, insbesondere wenn öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt sein könnten. Das gab es schon in der Vergangenheit.

Bundesregierung kann dem Verkauf einen Riegel vorschieben

Die Bundesregierung hatte 2022 den geplanten Verkauf einer Dortmunder Chipfabrik von Elmos Semiconductor an ein chinesisches Unternehmen untersagt. Der Käufer wollte die Übernahme über eine schwedische Tochter abwickeln. Nach Einschätzung der Regierung hätte der Deal jedoch die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, vorwiegend wegen möglicher Abflüsse von Schlüsseltechnologien.

Es geht also nicht nur um Marktanteile, sondern um größere Fragen: Wie abhängig darf Deutschland bei der Versorgung mit wichtigen Konsumgütern werden? Welche Rolle spielen Datenströme, die über solche Handelsplattformen laufen? Und wie viel Einfluss könnten Manager nehmen, die stark an Vorgaben aus Peking gebunden sind?

Ein einfaches „Ja“ oder „Nein“, wie aus der kartellrechtlichen Einschätzung des Bundeskartellamtes hervorgeht, reicht hier nicht. Gefragt sind klare Regeln, die Offenheit für Investitionen mit Schutz vor Abhängigkeiten verbinden.

Der Fall MediaMarkt/Saturn zeigt, wie sich die Gewichte verschieben: China investierte bislang vor allem in Industrie und Technologie – jetzt rückt der Einzelhandel in den Fokus. Während die Wettbewerbsbehörden grünes Licht gegeben haben, bleibt die politische Entscheidung offen.

Ging es bei Kuka um Hightech und bei Cosco um Hafenlogistik, so geht es bei MediaMarkt und Saturn um Alltagsmacht: um Preise, Produkte und Plattformen. Die eigentliche Frage lautet also nicht, ob China Deutschland „aufkauft“. Sie lautet: Welche Regeln setzen wir, damit Investitionen möglich sind, ohne dass Souveränität und Mitbestimmung auf der Strecke bleiben?

Die Epoch Times hat beim Bundeswirtschaftsministerium nach der Stellungnahme zur MediaMarkt-Übernahme gefragt. Bei der Regierungspressekonferenz am 22. September antwortete der Sprecher des Ministeriums, dass die Bundesregierung die Entscheidung des Bundeskartellamtes zur Kenntnis genommen habe und dazu nicht kommentiere. Was das Investitionsprüfungsverfahren angeht, bezieht das Ministerium wie üblich zu Einzelnen keine Stellung.



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