Corona-Hilfen: So wehren Sie sich gegen Rückforderungen

Einige Jahre nachdem die Politik Corona-Soforthilfen als „nicht rückzahlbare Zuschüsse“ verkauft hatte, flattern vielen Betrieben unerwartet Rückforderungsbescheide ins Haus. Verwaltungsgerichte in Münster, Stuttgart und Freiburg kippen diese Praxis jedoch reihenweise, rügen unklare Förderbedingungen und stellen den Vertrauensschutz der Antragsteller über nachträgliche Behördeninterpretationen. Warum sich der Gang vor Gericht lohnen kann.
Unbürokratisch und schnell sollten die Corona-Soforthilfen ausgezahlt. Das hat Folgen, oftmals müssen Gerichte bemüht werden.
Unbürokratisch und schnell sollten die Corona-Soforthilfen ausgezahlt werden. Das bringt nun Ärger für manchen Unternehmer.Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa
Von 26. Mai 2025

Während der Corona-Pandemie wurden Unternehmen und Selbstständige durch staatliche Soforthilfen unterstützt. Ziel war es, kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken. In kürzester Zeit legte die damalige Bundesregierung Förderprogramme auf. Überbrückungs- oder Neustarthilfe, November- oder Dezemberhilfe – Bund und Länder schnürten damals zahlreiche Hilfspakete. Sieben Pakete wurden derzeit allein für Unternehmer geschnürt, um ihnen in der Krise unter die Arme zu greifen.

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Wer Geld haben wollte, musste abschätzen, wie stark sein Umsatz damals pandemiebedingt zurückging. Auf Grundlage dieser Schätzungen wurden in den meisten Fällen dann die Wirtschaftshilfen überwiesen. Das sorgt nun für Ärger.

Nicht-Rückzahlungsversprechen nach vier Jahren gebrochen

Im Juli vergangenen Jahres machte der damalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Sven Gigold, deutlich, dass die anfangs so unbürokratisch daherkommende Corona-Hilfe manchem Unternehmer jetzt im Nachgang Kopfzerbrechen bringen kann. Gigold seinerzeit in einer Pressemitteilung:

Der Erfolg der Corona-Hilfsprogramme basiert vor allem auf der schnellen und unbürokratischen Bewilligung an die Unternehmen. Der Schutz aller Steuerzahler verlangt nun, dass der korrekte Bedarf der ausgezahlten Steuergelder nun auch nachgewiesen wird.“

Im Klartext: Wer damals zu viel Geld bekommen hat, weil der Umsatz am Ende weniger stark eingebrochen ist als geschätzt, soll das Geld wieder zurückzahlen.

Das machte manchen Unternehmer sprachlos, hatte man sich doch auf die Politik verlassen. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte 2020 bei Vorstellung der Unterstützerprogramme vollmundig angekündigt:

Wir gehen in die Vollen, um auch den Kleinstunternehmen und Solo-Selbständigen unter die Arme zu greifen. Sie brauchen unsere besondere Unterstützung, sie werden von dieser Krise hart getroffen. Deshalb gibt es vom Bund jetzt schnell und unbürokratisch Soforthilfe. “

In diesem Zusammenhang fiel dann auch der entscheidende Satz von Scholz, auf den viele Unternehmen damals gebaut hatten:

Ganz wichtig ist mir: Wir geben einen Zuschuss, es geht nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden.“

Dass die Welt vier Jahre danach plötzlich anders aussieht, das ahnten viele Unternehmer nicht. Wie der „Deutschlandfunk“ im Juli mit Berufung auf Recherchen von WDR, NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ berichtete, soll jeder Fünfte, der im Jahr 2020 Corona-Soforthilfen bekommen hat, das Geld ganz oder teilweise zurückzahlen.

Den Versprechen der Politik geglaubt

Pamela Buggenhagen, die Geschäftsführerin des Unternehmerverbandes Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin, brachte den Ärger vieler Unternehmer im Interview mit dem „Nordkurier“ auf den Punkt: Die geforderten Rückzahlungen treffen die Falschen. „Wer wirklich Betrug begangen haben sollte, wird jetzt zusehen, dass man aus dem Thema irgendwie rauskommt, oder hat vielleicht auch schon abgerechnet und zurückgezahlt“, so Buggenhagen.

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Für die Geschäftsführerin des Unternehmerverbandes ist klar, dass diejenigen nun Geld zurückzahlen müssen, die ehrlich alles angegeben haben. „Dass so viele nun die Abrechnung bis auf den letzten Drücker herausgezögert haben, hat mit fehlendem Geld auf dem Konto, offenen Fragen, unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen und auch der Hoffnung zu tun, dass die Politik noch eine Lösung anbietet.“ Dabei hätten diese Menschen zum Großteil laut Buggenhagen vor allem einen Fehler begangen:

„Sie haben den Versprechen der Politik geglaubt. Und diese Versprechen wurden gebrochen.“

Viele Unternehmen haben inzwischen gegen ihre Rückzahlungsforderungen geklagt. Wie viele Klagen im Moment eingereicht sind, darüber gibt es keine gesicherten Zahlen. Die Recherchen von WDR, NDR und der „Süddeutsche Zeitung“ sprechen deutschlandweit von mehr als 5.500 Klagen. Die Medien berufen sich hier auf Umfragen, die sie selbst durchgeführt haben. Fast ein Jahr später kann man davon ausgehen, dass die Anzahl der Klagen noch einmal angestiegen ist.

Es gibt in diesem Zusammenhang eine gute Nachricht: Immer mehr Verwaltungsgerichte erklären Rückforderungen von Corona-Soforthilfen für rechtswidrig. Mit mehreren klägerfreundlichen Urteilen stärken sie die Rechte von Unternehmern, die während der Pandemie auf staatliche Hilfe angewiesen waren. Besonders im Fokus: der Vertrauensschutz und die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Bewilligungsbescheide. Drei zentrale Urteile stechen heraus.

Oberverwaltungsgericht erklärt Rückforderungen für rechtswidrig

Mit gleich drei Urteilen vom 17. März 2023 hat das Oberverwaltungsgericht Münster eine Grundsatzentscheidung getroffen: Die Rückforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen waren rechtswidrig.

Das Gericht kritisierte vor allem, dass sich das Land bei der Rückforderung nicht an die eigenen Vorgaben in den Bewilligungsbescheiden gehalten habe. Insbesondere das eingeführte Rückmeldeverfahren fand darin keine Grundlage. Zudem bemängelte das OVG die vollständig automatisierten Schlussbescheide und die häufigen Änderungen der Förderinformationen zwischen März und Mai 2020, die zu erheblicher Rechtsunsicherheit führten.

Vertrauensschutz vor Behördenwillkür

Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart stellte sich in seinem Urteil vom 18. September 2024 auf die Seite der Antragstellerin, einer Friseurin aus Heidenheim.

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Die Landesbank in Baden-Württemberg hatte einen Teil der Soforthilfe zurückgefordert. Das Gericht erklärte die Rückforderung für unzulässig, weil die ursprünglichen Förderbedingungen missverständlich waren. Die Klägerin habe die Mittel im Vertrauen auf die damals geltenden Vorgaben verwendet, eine nachträgliche Korrektur sei unzulässig. Die Richter betonten: Der Vertrauensschutz hat Vorrang, wenn Behörden ihre Einschätzung später ändern.

Liquiditätsengpass muss taggenau betrachtet werden

Das Verwaltungsgericht Freiburg hob am 10. Juli 2024 in fünf von sechs Fällen Rückforderungsbescheide der Landesbank auf. Das Gericht stellte klar, dass ein Liquiditätsengpass – Voraussetzung für die Soforthilfe – nicht pauschal über drei Monate, sondern für den konkreten Tag der Mittelverwendung zu prüfen sei.

Ein nachträglicher Umsatzanstieg dürfe die ursprüngliche Notlage nicht entwerten. Die Entscheidung korrigiert damit die pauschale Praxis der Behörden und bringt mehr Rechtssicherheit für viele Betroffene.

Gerichte zeigen fünf Kritikpunkte auf

Die Urteile enthalten eine deutliche Kritik an der Verwaltungspraxis der Länder:

  • Unklare Förderbedingungen: Häufig waren die Bescheide missverständlich formuliert, und die Regeln wurden mehrfach geändert – oft ohne transparente Kommunikation.
  • Verletzter Vertrauensschutz: Unternehmen dürfen nicht für die nachträgliche Umdeutung durch Behörden haftbar gemacht werden, so die Gerichte einstimmig.
  • Fehlerhafte Berechnungsmethoden: Pauschale Drei-Monats-Betrachtungen und Saldierungen aller Einnahmen und Ausgaben seien unzulässig. Entscheidend sei der Zeitpunkt der Mittelverwendung.
  • Verfahrensmängel: Automatisierte Schlussbescheide ohne gesetzliche Grundlage seien rechtswidrig, wie das OVG Münster klarstellte.
  • Eingeschränkter Förderzweck: Die Behörden verengten den Förderzweck nachträglich auf die Überbrückung von Liquiditätsengpässen, obwohl ursprünglich auch „existenzbedrohende Wirtschaftslagen“ oder „erhebliche Umsatzeinbrüche“ anerkannt waren

Die Urteile senden ein klares Signal: Wer die Soforthilfe im guten Glauben auf die damals gültigen Bedingungen beantragt und verwendet hat, hat Chancen, Rückforderungen zu entgehen.

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Die Gerichte setzen ein klares Zeichen gegen die pauschale Rückforderungspraxis und stärken den Vertrauensschutz. Wer betroffen ist, sollte rechtliche Schritte sorgfältig prüfen – der Gang vor Gericht kann sich lohnen.



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