Deutsche Konjunktur nur ein Strohfeuer – Erholung auf unbestimmte Zeit vertagt

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2025 stärker geschrumpft als zunächst gemeldet. Das Bruttoinlandsprodukt sank um 0,3 Prozent – vor allem Industrie und Bau bremsten die Konjunktur. Experten warnen vor den Folgen des Handelskonflikts mit den USA, sehen aber auch statistische Sondereffekte am Werk.
Titelbild
Rote Ampel für die Konjunktur: Der Rückgang im Bau und in der Industrie drückt das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal.Foto: Andreas Arnold/dpa
Von 23. August 2025

Die deutsche Wirtschaft hat im zweiten Quartal 2025 einen deutlicheren Rückschlag erlitten als zunächst angenommen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. In der ersten Schnellmeldung vom 30. Juli war lediglich ein Minus von 0,1 Prozent berichtet worden. Auch im Jahresvergleich wurde das Bild nachträglich korrigiert: Preisbereinigt lag das BIP um 0,2 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, preis- und kalenderbereinigt allerdings um 0,2 Prozent höher. Zuvor hatten die Statistiker noch ein Plus von 0,4 Prozent gemeldet.

Industrie und Bau schwächeln – Konsum allein reicht nicht

Als Hauptursachen für die schwächere Entwicklung nennt Destatis die Eintrübung in Industrie und Bauwirtschaft. Die Bruttowertschöpfung im Baugewerbe brach nach einem witterungsbedingt starken Jahresstart um 3,7 Prozent ein. Auch die Industrieproduktion ging insgesamt um 0,3 Prozent zurück. Lediglich bei der Herstellung von Kraftwagen und Fahrzeugteilen konnten leichte Zuwächse verzeichnet werden, während nahezu alle anderen Sparten Verluste hinnehmen mussten.

Der private Konsum, lange Stütze der Konjunktur, konnte den Rückgang nicht abfedern. Zwar legten die Konsumausgaben insgesamt leicht um 0,3 Prozent zu, doch der Zuwachs der privaten Haushalte blieb mit 0,1 Prozent äußerst verhalten. Stärker ins Gewicht fielen die Ausgaben des Staates, die um 0,8 Prozent wuchsen – unter anderem aufgrund höherer Sozialleistungen.

Deutlicher Einbruch bei Investitionen

Besonders kritisch entwickelten sich die Investitionen. Nach einem leichten Plus zu Jahresbeginn sanken sie im zweiten Quartal deutlich um 1,4 Prozent. In Ausrüstungen wie Maschinen, Geräten und Fahrzeugen wurde sogar 1,9 Prozent weniger investiert, während die Bauinvestitionen um 2,1 Prozent zurückgingen. Im Jahresvergleich fiel der Rückgang mit 1,9 Prozent ebenfalls deutlich aus. Belastend wirkten vor allem die stark rückläufigen gewerblichen Fahrzeugzulassungen und die anhaltend hohen Baupreise.

Auch vom Außenhandel kamen keine positiven Signale. Die Exporte stagnierten, im Quartalsvergleich stand ein Minus von 0,1 Prozent. Dahinter steckten schwache Warenexporte (-0,6 Prozent), die durch steigende Dienstleistungsexporte (+1,4 Prozent) nicht kompensiert werden konnten. Im Jahresvergleich sanken die Ausfuhren sogar um 2,4 Prozent. Besonders betroffen waren Maschinenbau, Chemieindustrie sowie die Autoindustrie. Die Importe dagegen zogen kräftig an: Sie lagen zum Vorjahr um 3,3 Prozent höher, was unter anderem auf höhere Einfuhren von Nahrungsmitteln, Metallen und elektrischen Ausrüstungen zurückzuführen war.

Trotz der schwachen Konjunktur blieb der Arbeitsmarkt robust. Rund 46,0 Millionen Erwerbstätige waren im zweiten Quartal beschäftigt – ein Plus von 10.000 gegenüber dem Vorjahr. Allerdings sank die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen um 0,5 Prozent. Dadurch ging auch das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen zurück. Die Produktivität pro Arbeitsstunde stieg leicht um 0,3 Prozent, pro Kopf jedoch um 0,2 Prozent.

Das Einkommen der Beschäftigten wuchs im zweiten Quartal kräftig: Das Arbeitnehmerentgelt lag um 4,8 Prozent höher als im Vorjahr, die Bruttolöhne und -gehälter je Kopf stiegen um 4,3 Prozent. Netto blieb wegen steigender Sozialabgaben ein Plus von 3,6 Prozent. Während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen sanken (-3,5 Prozent), legte der private Konsum um 3,7 Prozent zu. Dadurch ging die Sparquote spürbar zurück – von 10,8 Prozent im Vorjahr auf 9,7 Prozent.

Revision überrascht selbst Fachleute

Ökonomen reagierten mit gemischten Einschätzungen. „Der Rückgang des BIP im zweiten Quartal fiel dann doch etwas stärker aus als ursprünglich gemeldet. Zwar scheint die Volatilität der Quartalszahlen im Moment sehr hoch zu sein, aber das Ergebnis deutet auch tiefere Bremsspuren des Handelskriegs an als zunächst vermutet“, sagte Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, in einem ersten Kommentar auf der Website der KfW.

Alexander Krüger von Hauck Aufhäuser Lampe formulierte gegenüber dem Sender ntv es noch deutlicher: „Diese Konjunkturnachricht zieht einem schon am frühen Morgen die Schuhe aus. Die Wachstumsbelebung zu Jahresbeginn war nur ein Strohfeuer, mehr nicht. Das fette Minus bei den Exporten ist das Ergebnis des zollgehemmten Handels.“ Der private Konsum werde zunehmend durch Ersparnisse gestützt, so Krüger. „Der Zoll-Deal mit den USA wird erst einmal Wachstumspunkte kosten.“

Die Commerzbank warnt jedoch vor übertriebenen Schwarzmalereien. „Das Minus im zweiten Quartal ist wohl zum Teil eine Gegenbewegung zu der recht positiven Entwicklung zu Jahresbeginn, wobei die späte Lage des Osterfestes und Vorzieheffekte angesichts der drohenden US-Zölle eine Rolle gespielt haben dürften“, erklärte Ökonom Ralph Solveen in einem Kommentar für „Dow Jones Newswires“, den unter anderem das Portal „MarketScreener“ veröffentlicht hat. „Darum sollte jetzt nicht von einem neuerlichen Einbruch die Rede sein.“

Carsten Brzeski von ING blickt pessimistischer auf die Daten des Statistischen Bundesamts: „Es könnte bis zum nächsten Jahr dauern, bevor eine substanziellere Erholung einsetzt.“ Vor allem die exportorientierte deutsche Wirtschaft werde weiterhin stark unter Zöllen und Handelsstreitigkeiten leiden, so Brzeski gegenüber dem Portal „EuroNews“.

Deutschland hinkt international hinterher

Im internationalen Vergleich zeigt sich die Schwäche besonders deutlich. Während die Wirtschaft in Spanien im zweiten Quartal um 0,7 Prozent, in Frankreich um 0,3 Prozent und in der EU insgesamt um 0,2 Prozent wuchs, fiel Deutschland mit seinem Minus von 0,3 Prozent zurück. Nur Italien rutschte ebenfalls ins Minus (-0,1 Prozent), allerdings weniger stark. In den USA legte die Wirtschaftsleistung sogar um 0,7 Prozent zu.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion