Traditionskultur im Wandel: Hat die Kartoffel in Deutschland noch Zukunft?

Die Kartoffel gilt als geliebte Beilage – ob als Püree, Bratkartoffel oder Pommes. Doch ausgerechnet diese Knolle steckt in der Krise: Auf den Feldern setzen Schädlinge den Pflanzen zu, im Handel brechen die Preise ein. Für viele Landwirte bedeutet das ein doppeltes Problem, das die Ernte 2025 überschattet.
Der aktuelle Erntebericht des Bundesministeriums für Landwirtschaft, der am vergangenen Donnerstag vorgestellt wurde, zeigt ein insgesamt positives Bild:
„Die Ernte 2025 liefert trotz aller Widrigkeiten gute Mengen und stabile Qualität – wenn auch witterungsbedingt mit regionalen Unterschieden.“
Auch die Kartoffelerträge werden als stabil bis leicht steigend bewertet. „Unsere Landwirtinnen und Landwirte haben ganze Arbeit geleistet. Trotz schwieriger Witterung sind die Speicher gefüllt. Dafür gebührt ihnen Respekt und Dank“, wird Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) in einer Pressemitteilung zitiert.
Pflanzenschädling breitet sich aus
Während die Landwirte mit der diesjährigen Bilanz zufrieden sein könnten, wächst die Sorge um die Zukunft. Besonders im Blick steht die Schilf-Glasflügelzikade, ein wenige Millimeter kleiner Schädling, der Pflanzensäfte saugt und dabei Bakterien überträgt. „Mit Sorge wird die Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade beobachtet“, heißt es im Erntebericht.
[etd-related posts=“5191657″]
Die Gefahr liegt in den Krankheitserregern, die die Zikade verbreitet. Sie verursachen sogenannte Krankheitskomplexe wie Stolbur oder SBR, die sich massiv auf Qualität und Ertrag der Pflanzen auswirken können. Besonders Kartoffeln, Rüben und Spargel gelten als bedroht. Schon im März dieses Jahres war die Zikade Thema im Landwirtschaftsausschuss des Landtags Baden-Württemberg. Das Landwirtschaftsministerium des Landes stellte damals fest, dass durch die Schilf-Glasflügelzikade bei Konsumkartoffeln Ernteverluste von 30 bis 70 Prozent möglich seien. Sollte diese Prognose eintreten, könnte die positive Erntesituation schon in den kommenden Jahren ins Wanken geraten.
„Die Schilf-Glasflügelzikade ist die größte pflanzenbauliche Herausforderung, der wir uns in den nächsten Jahren stellen müssen“, fasste Dr. Stefan Streng, Vorsitzender der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, die Situation in einer Pressemitteilung zusammen.
Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, schaut mit Sorgen auf die deutschlandweite Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade. Gegenüber „Bild“ sagte er:
„Die Pflanzenkrankheit Stolbur macht uns sehr große Sorgen. Die Zikade breitet sich schnell aus und kann große Schäden bis zum Totalausfall auf unseren Feldern verursachen. Die Zikade ist eine echte Bedrohung für unsere Landwirtschaft und die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln.“
[etd-related posts=“5169591″]
Für die Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade haben acht Insektizide vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Notfallzulassung erteilt bekommen.
Agrarexpertin Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe sieht abwechslungsreiche Fruchtfolgen als Lösung, um das Problem in den Griff zu bekommen. Gegenüber der „taz“ sagte sie: „Es ist eine uralte ackerbauliche Weisheit, dass zu enge Fruchtfolgen Schädlinge und Krankheiten geradezu heranzüchten.“ Wie „agrarheute“ meldet, schwärmt die Zikade massiv aus bei Wintergetreide, das nach Kartoffeln oder Rüben auf den Feldern angebaut wird.
Das Julius Kühn-Institut erprobt zudem resistente Sorten und Duftstoffe, um die Zikade fernzuhalten.
Wetterbedingungen setzen Kartoffelanbau unter Druck
Doch nicht nur die Zikade sorgt bei deutschen Kartoffelbauern für Sorgenfalten auf der Stirn. Thema sind auch abwechselnde Perioden von Trockenheit und Dauerregen.
Im Frühjahr 2025 brachten ungewöhnliche Witterungskapriolen den Kartoffelanbau in Deutschland aus dem Takt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) meldete für den März, dass gerade einmal ein Niederschlag von 19 Litern pro Quadratmeter gemessen wurde. Das liegt deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 57 Litern pro Quadratmeter, der in den vergangenen Jahren gemessen wurde. Der März war laut diesen Zahlen fast 70 Prozent trockener als in der Vergangenheit. Damit „gehörte der vergangene März zu den trockensten seit Messbeginn im Jahre 1881“, meldet der DWD.
[etd-related posts=“5144384″]
Im Sommer hingegen schlug die Wetterlage vielerorts um. Dauerregen machte die Feldarbeit schwer planbar, verzögerte Erntezeiten und führte in Teilen zu Qualitätsmängeln. Bauernpräsident Rukwied sagte in einer Pressemitteilung Mitte August mit Blick auf die Getreideernte:
„Der anhaltende Niederschlag während der eigentlichen Erntezeit hat auch in diesem Jahr die Arbeit von uns Landwirten erheblich behindert. Die Mähdrescher blieben zum Teil tage- bis wochenlang auf dem Hof stehen, wodurch das bereits reife Getreide deutlich länger auf dem Feld verblieb. Dies führte stellenweise zu deutlichen Qualitätseinbußen.“
Auch der Erntebericht 2025 berichtet von „außergewöhnlichen Herausforderungen“ bei der Ernte. Wörtlich heißt es dort:
„Auch die Ernte 2025 war erneut von außergewöhnlichen Herausforderungen geprägt. Von sehr trockenen Frühjahrsmonaten bis zu viel Regen und Hitze im Juli: Die Witterung hat den Betrieben viel abverlangt.“
Trotz alledem: Viele Kartoffeln auf dem Markt
Trotz dieser Herausforderungen gibt es mehr als genug Kartoffeln auf dem Markt. Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums wurden im vergangenen Jahr 12,7 Millionen Tonnen eingebracht. Das waren 9,2 Prozent mehr als noch im Jahr 2023. Im Vergleich zum sechsjährigen Mittel 2018 bis 2023 ist das sogar ein Plus von 17,5 Prozent, wie das Landwirtschaftsministerium meldet. Ursache war unter anderem eine Ausweitung der Anbauflächen, die im vergangenen Jahr deutlich gewachsen sind.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurden 2024 bundesweit rund 282.200 Hektar mit Kartoffeln bestellt. Das ist ein Zuwachs von 6,6 Prozent gegenüber 2023 und 6,7 Prozent mehr als im sechsjährigen Mittel von 2018 bis 2023. Für dieses Jahr gibt das Ministerium mit rund 301.000 Hektar einen weiteren Flächenzuwachs an.

Quelle: Statistisches Bundesamt
Für die Warenlagerung bedeuten diese Zahlen, dass deutlich mehr Kartoffeln am Markt verfügbar sind. Dies kann zu Lagerengpässen, höherem Lagerdruck und Qualitätsproblemen bei der Lagerung führen, da mehr Ware länger gelagert werden muss.
Preise brechen drastisch ein
Dieser Mix aus Wetterextremen, Qualitätsproblemen und Lagerüberhängen lässt den Kartoffelmarkt unter Druck geraten. Landwirte bekommen zunehmend weniger fürs Kilo, Importware drückt zusätzlich auf die Nachfrage heimischer Produkte und die Verarbeitung kämpft mit sinkenden Margen. So entwickelt sich ein zweischneidiger Zustand: Wetterkapriolen verschlechtern Ertrag und Qualität. Gleichzeitig bremsen gute Vorräte und Angebote die Preise. Beides zusammen macht den Markt anfällig für weitere Störungen.
[etd-related posts=“5105021″]
Die Kartoffelpreise haben 2025 kräftig geschwankt – und das zum Nachteil vieler Landwirte. Zwar gab es im Juni kurzzeitig einen Anstieg, doch am 8. September lag der Preis laut der Plattform „Trading Economics“ bei 7,80 Euro je 100 Kilo. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das immer noch einen dramatischen Preisrückgang um fast 74 Prozent. Damit lassen sich die gestiegenen Produktionskosten für Saatgut, Dünger, Maschinen und Energie wohl kaum noch decken.

Entwicklung der Kartoffelpreise. Quelle: Trading Economics
Besonders deutlich beschreibt die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein die aktuelle Lage: Der Markt sei derzeit „mit Speisekartoffeln mehr als ausreichend versorgt“, die Kurse im Großhandel gäben weiter nach. Hinzu komme, dass „freie Ware aktuell kaum Absatz findet“, da Fabriken fast ausschließlich Vertragsware abnehmen.
Für die Betriebe bedeutet das: Auch wer gute Erträge einfährt, hat Mühe, seine Ware zu verkaufen. Große Überhänge belasten die Lager, und nur qualitativ hochwertige Ware findet überhaupt noch Abnehmer. Während größere Höfe mit Vertragsanbau gegenüber der Industrie zumindest etwas abgesichert sind, geraten besonders kleine Familienbetriebe zunehmend unter Druck. Für sie stellt sich immer häufiger die Frage, ob sich der Kartoffelanbau unter diesen Bedingungen noch lohnt oder ob ein jahrzehntelang wichtiges Standbein der deutschen Landwirtschaft ins Wanken gerät.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion