Die große Schwäche: Warum „Made in Germany“ nicht mehr zieht

Deutschland ist auf seine Exporte angewiesen – doch der Vorsprung auf den Weltmärkten schrumpft. Woran liegt das? Eine neue Analyse der Bundesbank liefert überraschend klare Antworten.
Die USA waren 2024 der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Exportgüter.
Acht Jahre Niedergang – die Gründe für den Abstieg der Export-Nation Deutschland sind vielfältig.Foto: Federico Gambarini/dpa
Von 18. Juli 2025

Deutschlands Exportwirtschaft, lange das Rückgrat der heimischen Konjunktur, steht unter Druck. Die Bundesbank hat berechnet, dass Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich weniger gewachsen ist, weil die Exportwirtschaft auf dem Weltmarkt Marktanteile verloren hat. Wären die deutschen Ausfuhren so stark gestiegen wie die Nachfrage im Ausland, hätte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 2021 und 2024 um 2,4 Prozentpunkte höher ausfallen können. Besonders stark war der Bremseffekt im Jahr 2022: Allein in diesem Jahr kosteten die Marktanteilsverluste die deutsche Wirtschaft rund 1,3 Prozentpunkte Wachstum. Auch 2023 war der Rückgang mit 0,8 Prozentpunkten noch spürbar.

Die Grafik zeigt: Die nominalen Weltmarktanteile Deutschlands bei Warenexporten sind in den letzten Jahren gesunken. Quelle: Welthandelsorganisation und eigene Berechnungen der Deutschen Bundesbank.

Der „Monatsbericht – Juli 2025“ der Bundesbank zeigt nun: Die Ursachen reichen weit über kurzfristige Konjunkturschwankungen hinaus. Vielmehr deuten die Entwicklungen auf strukturelle Schwächen hin, die der deutschen Wirtschaft insgesamt zu schaffen machen. Die Folgen sind bereits messbar – und sie kosten Wachstum.

Häufig wurde in den vergangenen Jahren das Bild gezeichnet, dass die Ampelregierung aus SPD, Grünen und der FDP den wirtschaftlichen Niedergang des Landes zu verantworten hätte. Diese begann ihre Arbeit erst im Jahr 2021. Die Analyse der Bundesbank kommt zum Ergebnis: Schon seit 2017 schrumpfen die Marktanteile deutscher Exporteure im internationalen Handel – ein beachtlicher Rückschlag für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland.

Mehr als nur ein Konjunkturproblem

Doch was sind die Gründe für den Abstieg der Exportnation Deutschland? Die Bundesbank hat die Einflüsse auf die Exportmarktanteile in zwei große Kategorien unterteilt: Nachfrageeffekte und Angebotseffekte. Nachfrageeffekte betreffen die Entwicklung der internationalen Nachfrage nach den Produkten, auf die Deutschland spezialisiert ist – also unter anderem Kraftfahrzeuge, Maschinen oder chemische Erzeugnisse. Auch die wirtschaftliche Entwicklung in den wichtigsten Handelspartnerländern spielt hier eine Rolle. Angebotseffekte hingegen beschreiben die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte im internationalen Vergleich – sowohl in preislicher Hinsicht als auch in Bezug auf Qualität, Innovation, Produktionskosten oder Zuverlässigkeit.

Die Analyse kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Über drei Viertel der seit 2021 verlorenen Marktanteile lassen sich auf Angebotsprobleme zurückführen. Das heißt: In den meisten Fällen lag es nicht daran, dass die Nachfrage nach deutschen Produkten gesunken ist – also nicht daran, dass andere Länder plötzlich kein Interesse mehr an „Made in Germany“ haben. Vielmehr konnten viele deutsche Unternehmen im Wettbewerb mit internationalen Konkurrenten nicht mehr mithalten.

Das betrifft vorwiegend Branchen, die für den Export besonders wichtig sind – etwa den Maschinenbau, die Elektroindustrie und die Chemie- sowie Metallbranche. Diese Industrien hatten in den vergangenen Jahren Schwierigkeiten, ihre Position auf dem Weltmarkt zu halten.

Ein wesentlicher Belastungsfaktor war dabei der sprunghafte Anstieg der Energiepreise, ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine. Deutsche Industrieunternehmen zahlen seitdem im europäischen Vergleich besonders hohe Preise für Gas und Strom. Laut dem „Strom-Report“ lag der durchschnittliche Strompreis im vergangenen Jahr für Unternehmen in der Europäischen Union bei 22,3 Cent/kWh. Am meisten zahlten Firmen in Irland (31,2 Cent), gefolgt von Deutschland (27,1 Cent) und Zypern (26,5 Cent). Damit lag Deutschland rund 22 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Am günstigsten war der Strom in Schweden, Norwegen und Finnland – jeweils rund 10 Cent/kWh. Auch Frankreich (21,4 Cent) und Österreich (22,4 Cent) lagen deutlich unter dem deutschen Niveau.

Gerade energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl oder Papier spüren diese Mehrkosten deutlich und verlieren dadurch an Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu kommen, so das Ergebnis der Ökonomen der Bundesbank, die Nachwirkungen der Corona-Pandemie: Lieferkettenstörungen haben besonders in Deutschland tiefe Spuren hinterlassen. Viele Unternehmen konnten ihre Aufträge nicht mehr fristgerecht erfüllen oder mussten ihre Produktion zwischenzeitlich drosseln. Das Vertrauen internationaler Abnehmer hat dadurch gelitten.

Doch die strukturellen Probleme gehen noch tiefer. Der zunehmende Fachkräftemangel macht es für Unternehmen schwer, Produktionskapazitäten aufrechtzuerhalten oder auszubauen. Die demografische Entwicklung verschärft diese Situation weiter – in kaum einem anderen europäischen Land ist die Alterung der Gesellschaft so ausgeprägt wie in Deutschland. Gleichzeitig steigen die Arbeitskosten: Der Mangel an qualifizierten Kräften führt zu Lohnsteigerungen, während die Produktivität kaum noch zunimmt. Die Folge: steigende Lohnstückkosten, die deutsche Produkte im Ausland teurer machen. Auch die Bürokratie wird von vielen Unternehmen als schwierig empfunden. Laut Umfragen der Europäischen Investitionsbank sehen mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland darin ein erhebliches Investitionshindernis.

Stärkerer Wettbewerb durch China und politische Krisen

China hat sich in den vergangenen Jahren als zunehmend starker Konkurrent etabliert – nicht nur bei Konsumgütern, sondern auch bei industriellen Erzeugnissen. Die Bundesbank stellt fest: „Die deutsche Exportwirtschaft verlor seit 2019 bei seinen wichtigsten Handelspartnern tendenziell dort mehr Marktanteile, wo China welche aufbaute. “

Diese Entwicklung trifft, so die Bundesbanker, nicht nur die Automobilbranche, sondern ist in vielen Industriezweigen spürbar. Hinzu kamen externe Schocks wie der Brexit, der den Handel mit dem Vereinigten Königreich erschwert hat. Auch die Exporte nach Russland brachen infolge des Krieges und der damit verbundenen Sanktionen massiv ein.

Auf der Nachfrageseite identifiziert die Bundesbank vor allem zwei dämpfende Faktoren: die schwache weltweite Nachfrage nach Autos und Luftfahrttechnik – zwei Sektoren, in denen Deutschland traditionell stark ist. Besonders die globale Automobilnachfrage stagnierte seit 2016, unter anderem wegen der Marktsättigung in Ländern wie China und den anhaltenden Lieferengpässen bei Halbleitern. Gleichzeitig konnten sich andere Produktbereiche – wie etwa die Pharmabranche – besser behaupten, insbesondere während der Pandemie. Diese haben jedoch im deutschen Exportmix ein geringeres Gewicht.

Trotz all dieser Schwierigkeiten ist es bemerkenswert, dass die deutsche Automobilindustrie selbst im internationalen Vergleich ihre Wettbewerbsfähigkeit weitgehend halten konnte. Die rückläufigen Exporte in diesem Sektor lassen sich laut Bundesbank eher durch Nachfrageschwächen als durch Angebotsmängel erklären. Anders sieht es in Branchen wie dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik aus – hier traten die Wettbewerbsverluste besonders deutlich zutage. Diese Sektoren litten sowohl unter hohen Energiekosten als auch unter den komplexen Lieferketten, die während der Pandemie massiv gestört wurden.

Rückgänge bei den Mengen, nicht bei den Preisen

Eine weitere Erkenntnis der Studie: Die Marktanteilsverluste gehen fast ausschließlich auf rückläufige Absatzmengen zurück – nicht etwa auf Preisveränderungen. Das bedeutet, dass deutsche Unternehmen ihre Produkte nicht etwa zu teuer verkauft hätten, sondern schlicht weniger verkaufen konnten. Die Preiseffekte – etwa durch höhere Produktionskosten – spielten zwar ebenfalls eine Rolle, fielen aber deutlich weniger ins Gewicht als die Mengenverluste.

Die Marktanteilsverluste waren also mengenmäßig und nicht lediglich eine Folge ungünstiger Preisbewegungen. Quelle: Eigene Berechnungen auf den BACI-Daten von CEPII. Deutsche Bundesbank

Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass andere Länder besser durch diese schwierige Phase kamen. Die USA konnten ihre Marktanteile sogar ausbauen. Frankreich und der Euroraum ohne Deutschland hielten ihre Positionen, teilweise dank günstiger Nachfrageentwicklung auf den jeweiligen Exportmärkten. Währenddessen rutschte Deutschland deutlich ab – und verlor sein früheres Alleinstellungsmerkmal als besonders widerstandsfähige Exportnation. Die Bundesbank weist darauf hin, dass Deutschland von 2001 bis 2016 kaum Marktanteile wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit verloren hatte – ganz im Gegensatz zu anderen Industrieländern wie Frankreich, Großbritannien oder den USA. Diese Sonderstellung ist nun verloren.

In rund 180 Produktgruppen weltweit führend

Trotz dass die Exportdominanz Deutschlands in den vergangenen acht Jahren erheblich zurückgegangen ist, gehört Deutschland immer noch zu den exportstarken Ländern. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus dem März ist die Bundesrepublik in rund 180 Produktgruppen immer noch weltweit führend, mit einem Exportanteil von mindestens 30 Prozent. Besonders stark ist Deutschland in der Chemie, im Maschinen- und Anlagenbau sowie bei Elektrotechnik und Metallen. In einigen Segmenten, etwa bei bestimmten Schmerzmitteln, Mikroskopen oder Erntemaschinen, liegt der Weltmarktanteil sogar bei über 90 Prozent. Trotz dieser Spitzenpositionen, so das Fazit des Ökonomen des Instituts, nimmt die Exportdominanz langsam ab.

Samina Sultan, Studienautorin und IW-Außenhandelsexpertin erklärte:

„Es wird deutlich, wie wichtig die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa ist, um mit den Schwergewichten USA und China mithalten zu können.“

„Deutschland muss seine Wettbewerbsfähigkeit umfassend und nachhaltig stärken“, sagt Co-Autor Jürgen Matthes. „Es braucht eine unternehmens- und investitionsfreundlichere Wirtschaftspolitik, damit die deutsche Wirtschaft ihre dominanten Exportpositionen besser verteidigen und auch neue erschließen kann“, sagt Matthes.

Die Botschaft der Studie der Bundesbank bestätigt die Aussagen der IW-Ökonomen: Die deutsche Wirtschaft leidet nicht primär unter schlechter Weltkonjunktur, sondern unter hausgemachten strukturellen Problemen. Wenn die Wettbewerbsfähigkeit nicht zügig gestärkt wird, drohen weitere Marktanteilsverluste – mit allen Folgen für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand.

Die Empfehlungen der Bundesbank sind entsprechend klar: Deutschland benötigt bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen. Dazu zählen der Abbau überbordender Bürokratie, eine gezielte Fachkräftezuwanderung, steuerliche Anreize für Investitionen, eine effizientere Gestaltung der Energiewende sowie neue Freihandelsabkommen, um Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. Auch eine Reform der Sozialversicherungen wäre nötig, um künftige Kosten- und Abgabenanstiege zu begrenzen.



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