Fast 80 Prozent anonyme Spenden an die WHO-Stiftung

Die Stiftung der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation Foundation, WHOF) in Genf hat in den ersten 32 Monaten nach ihrer Gründung im Mai 2020 Spendengelder in Höhe von fast 83 Millionen US-Dollar eingenommen. Die Namen vieler Gönner, die den Löwenanteil davon einzahlten, wurden nicht veröffentlicht, obwohl ihre Gelder letztlich der UN-Organisation WHO (World Health Organisation) zugutekommen sollen.
Das geht aus einer gemeinsamen Untersuchung der drei Gesundheitswissenschaftler Nason Maani, Emily R. Adrion und Jeff Collin hervor. Die Forscher gehören alle drei zum Referat für globale Gesundheitspolitik der Fakultät für Sozial- und Politikwissenschaften an der Universität Edinburgh in Schottland.
Ihre Transparenzanalyse zur Finanzierung der WHOF erschien am 23. Juli 2025 in der englischsprachigen Fachzeitschrift „BMJ Global Health“, die von der Publikationssparte des „British Medical Journal“ herausgegeben wird. „Ziel dieser Analyse war es, die Transparenz und Muster der von der WHOF erhaltenen Spenden anhand der Offenlegungen der Stiftung zu untersuchen“, heißt es im Abstract des BMJ-Artikels. „The Guardian“ hatte als eine der ersten großen Zeitungen über die „Schwarzgeld“-Studie berichtet.
Herkunft von 51,6 Millionen US-Dollar unklar
Etwa 48 Prozent der WHOF-Spendeneinnahmen, rund 39,8 Millionen US-Dollar, entsprachen demnach in den ersten zweieinhalb Jahren seit Stiftungsgründung 2020 einem bestimmten Doppelmuster. Erstens untersagten die Geldgeber die Nennung ihres Namens, zweitens lagen die dazugehörigen Summen jeweils über 100.000 US-Dollar. Dazu kamen anonyme Gelder geringeren Ausmaßes, die am Ende aber immerhin 11,8 Millionen US-Dollar ausmachten. Die Herkunft der Spenden wurde für die Öffentlichkeit also bei insgesamt rund 51,6 Millionen US-Dollar (62,3 Prozent) geheim gehalten. Im zuletzt untersuchten Jahr 2023 betrug der Anteil der anonymen Spenden sogar fast 80 Prozent.
Somit bleibt aus Sicht der Autoren unklar, ob womöglich auch „Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie, Alkoholproduzenten, Hersteller zuckergesüßter Getränke und E-Zigaretten-Unternehmen“ zu den Großspendern gehören könnten. Nach den WHOF-Richtlinien würden nämlich ausdrücklich lediglich Tabak- und Waffenproduzenten als Spender ausgeschlossen.
Als namentlich genannte Großspender tauchten in den untersuchten WHOF-Spenderdaten in erster Linie Big Player wie die Bill & Melinda Gates Foundation oder Unternehmen aus den Branchen Social Media, Medizin, Nahrungsmittel, Bankwesen, Pharma oder Energie auf. Die Bill & Melinda Gates Foundation gehört den Autoren zufolge zugleich zu jenem Spenderkreis, der die WHO regelmäßig auch direkt finanziell unterstützt.
Transparenzbewertung im Zeitverlauf stark gesunken
Nach der Analyse von Maani, Adrion und Collin sei auf ausdrücklichen Antrag der jeweiligen Geldgeber jedes Jahr ein größerer Anteil des Spendenaufkommens nicht namentlich ausgewiesen worden.
Im letzten Untersuchungsjahr, 2023, seien bereits 79,8 Prozent der Spendengelder auf einen jener anonymen Gönner zurückzuführen gewesen, die über 100.000 US-Dollar lockergemacht hätten. Die Finanzierungstransparenz der WHOF habe von daher schon 2023 auf Augenhöhe mit solchen Organisationen gelegen, „die als ‚Dark Money‘-Denkfabriken charakterisiert“ würden, meinen die Autoren.
Zur Bewertung der Transparenz hatten die Forscher das ursprünglich für private Thinktanks entwickelte fünfstufige Bewertungssystem „Who Funds You?“ (PDF) der britischen Medienplattform „Open Democracy“ in angepasster Form benutzt. Wo „Open Democracy“ die nur viertbeste Bewertung „D“ schon dann vergeben würde, wenn weniger als die Hälfte jener Geldgeber (nach Wert) namentlich genannt wird, die in einem Jahr 5.000 britische Pfund gespendet hatten, lag diese Grenze für die britischen Studienautoren bei 100.000 US-Dollar. Damit habe man die spezielle Offenlegungspraxis der WHOF berücksichtigen wollen, die ebenfalls mit einer 100.000-Dollar-Grenze arbeite.
Bei diesem angepassten Maßstab hätte die WHOF nach Einschätzung der Autoren in den Jahren 2020 bis 2021 noch die zweitbeste Transparenzbewertung „B“ verdient. In den beiden Folgejahren aber wäre die Note jeweils auf „D“ abgesackt.
WHOF-CEO sah keine Interessenkonflikte
Anil Soni, CEO der WHO-Stiftung, begegnete dem Vorwurf der mangelhaften Transparenz anno 2023 im Gespräch mit der Agentur „Associated Press“ damit, dass das Vorstandsgremium der Stiftung, dem stets auch ein Vertreter der WHO angehöre, die Identitäten aller Spender kenne. Im Falle eines möglichen Interessenkonflikts werde man keine Spende von jemandem annehmen, der ungenannt bleiben wolle. Das Beharren vieler Geldgeber auf Unsichtbarkeit verteidigte er:
„Sie wollen anonym bleiben, weil sie sonst angeworben oder sogar gezielt angesprochen werden, weil sie als Quelle des Reichtums angesehen werden. Und das respektiere ich.“
Für die Studienautoren steht Sonis Aussage „im Widerspruch zu den Normen und Praktiken der WHO selbst, die alle Spenden an die WHO von jedem Spender und deren Zweckbestimmung über ihr Programmbudget-Webportal offenlegt“.
Die geringe Gebertransparenz setze sowohl die WHOF als auch die WHO damit „potenziell dem Risiko einer wahrgenommenen Reputationsschädigung oder unangemessener Einflussnahme aus“, schlussfolgerten die drei Autoren des BMJ aus ihren Untersuchungsergebnissen.
Zweckbindung als Hebel für WHO-Linie?
Der größte Anteil aller Spendengelder – knapp 40 Millionen US-Dollar – floss im Untersuchungszeitraum allgemein für die „operative Unterstützung der WHO-Stiftung“, also ohne konkreteren Verwendungswunsch für bestimmte WHO-Initiativen. Nach Angaben der Studienautoren war der Zweck der Mittelverwendung zumeist von vornherein mit einem WHOF-Spendenaufruf, einem entsprechenden Spezialfonds oder einem bestimmten Problem verknüpft.
Zweitgrößter Posten nach Zweckbindung waren in den 32 untersuchten Monaten bis Ende 2023 demnach Impfungen (16,6 Millionen). Auf Platz drei rangierten mit knapp 12 Millionen US-Dollar Spenden zur Verwendung im Rahmen der Corona-Krise, gefolgt von Hilfsgeldern, die die WHO für die Ukraine bereitstellte (7,7 Millionen).
Deutlich weniger Geld wurde zwischen Mai 2020 und Dezember 2023 gezielt für den Gaza-Konflikt (0,7 Millionen US-Dollar), die Region Türkei/Syrien (0,67 Millionen US-Dollar) oder den Sudan (11.000 US-Dollar) an die Stiftung überwiesen.
Immer geringerer Anteil für direkte WHO-Programme
Die britischen Autoren stellten fest: Je länger die noch junge WHOF bestand, desto höher war jedes Jahr der Anteil jener Spenden, die die Stiftung zur „operativen Unterstützung der WHO“ verbuchte. Die Daten legten dabei nahe, „dass zunehmend zweckgebundene Mittel für die laufenden Kosten der WHOF verwendet werden, anstatt bestimmte WHO-Programme zu unterstützen oder die WHO selbst flexibel zu finanzieren“. Weniger Programme der WHO hätten immer weniger und kleinere Spenden abbekommen.
Gesamteinnahmen der WHOF im Untersuchungszeitraum:
- Spenden an die WHOF zwischen Mai 2020 und Dezember 2021: 28.225.400 US-Dollar (PDF)
- Spenden an die WHOF im Jahr 2022: 38.438.331 US-Dollar (PDF)
- Spenden an die WHOF im Jahr 2023: 16.120.198 US-Dollar (PDF)
Genaueres könne man allein auf Grundlage des freiwillig offengelegten WHOF-Datenmaterials aber nicht sagen, so das Autorenteam:
„Aufgrund fehlender Informationen können wir weder die Art der einzelnen Partnerschaftsvereinbarungen beurteilen noch beurteilen, inwieweit diese aufgrund der Prioritäten der WHOF, der Prioritäten einzelner Geber oder einer Kombination davon initiiert oder geleitet wurden.“
Gegenseitige Abhängigkeiten?
Grundsätzlich sei nicht immer klar gewesen, ob die Ziele des Empfängers zur Mittelverwendung den Wünschen der Spender folgten oder ob es sich zuweilen auch umgekehrt verhalten haben könnte. „Die gemachten Angaben deuten in einigen Fällen auf eine strategische Ausrichtung an den Prioritäten der Geber hin, insbesondere im Hinblick auf private Unternehmen“, heißt es in der Analyse.
Eine Rolle für vermehrtes oder verringertes, gezielteres oder diffuseres Engagement eines Großspenders könnten dabei auch die von Zeit zu Zeit neu gesetzten Programmschwerpunkte der WHO spielen.
Zwei Beispielfragen zur Erläuterung: Wird ein Unternehmen der Energiebranche mehr oder weniger Geld an die WHO-Stiftung spenden, wenn die WHO eine neue Offensive für Klimaschutz startet? Und wie würde sich wohl ein finanzstarker Social-Media-Riese wie Meta verhalten, sobald die WHO dem Kampf gegen Desinformation eine noch höhere Priorität einräumen würde?
Ampelregierung warb für mehr Geld und Unabhängigkeit der WHO
Angesichts einer befürchteten Einflussnahme externer Akteure hatte die deutsche Ampelregierung im Mai 2023 – also in zeitlicher Nähe zur WHOF-Gründung – entschieden, der WHO nicht nur grundsätzlich mehr Befugnisse einzuräumen, sondern unter anderem auch andere Mitgliedsländer zur freiwilligen Zahlung höherer Pflichtbeiträge zu ermuntern (BT-Drucksache 20/6712, PDF).
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Damit sollte die WHO bis spätestens 2030/2031 wieder in die Lage versetzt werden, mindestens die Hälfte ihres Kernbudgets aus Beiträgen statt wie dato aus womöglich interessengeleiteten privaten Spenden beziehen zu können.
Wenn die WHO immer abhängiger von Spenden werde, so argumentierte Rot-Grün-Gelb damals, könnten öffentliche oder private Geldgeber immer mehr Einfluss nehmen. Infolgedessen könnten vonseiten der WHO „weniger Prioritäten auf der Grundlage der globalen Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit gesetzt werden“.
Um diesen Herausforderungen besser begegnen zu können, sollen die inzwischen von der WHO-Versammlung neu erarbeiteten Internationalen Gesundheitsvorschriften am 29. September im Bundesrat verabschiedet werden. Das Bundeskabinett hatten sie bereits Mitte Juli passiert. Bis der ebenfalls im Zuge der Corona-Krise auf den Weg gebrachte WHO-„Pandemievertrag“ in deutsches Recht überführt sein wird, wird es aber wohl noch eine Weile dauern.
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