Große Ungewissheit – was Europa bei neuen US-Zöllen fürchtet

US-Präsident Donald Trump feiert es als Befreiungstag, für die Europäer dürfte es die nächste Eskalationsstufe im Handelsstreit mit den USA sein: Trump will am Mittwoch neue weitreichende Zölle verhängen. Trump sieht in den hohen Außenhandelsdefiziten einen Schaden für die amerikanische Wirtschaft und ist bemüht, diese auszugleichen. Europäische Unternehmen verkaufen insgesamt deutlich mehr Waren in die USA als amerikanische Firmen in die EU.
Was plant Trump?
Trump spricht von wechselseitigen Zöllen. Das bedeutet, dass die USA überall dort Zölle anheben, wo sie derzeit weniger verlangen als ihre Handelspartner. Trump kündigte auch an, andere Handelshemmnisse in den Blick zu nehmen – etwa strenge Einfuhrvorgaben oder Subventionen. Er will das Handelsungleichgewicht korrigieren und die USA als Produktionsstandort stärken. Anderen Ländern warf er vor, sein Land unfair zu behandeln.
Zuletzt deutete sich an, dass der US-Präsident pauschale Zölle verhängen könnte. Das würde bedeuten, dass die Abgaben nicht auf einzelne Waren oder spezifische Branchen beschränkt würden. Von den Zöllen werde kein Staat verschont bleiben, sagte er etwa am Wochenende. Am Montagabend sprach er im Weißen Haus über US-Handelspartner und monierte: „Der Freund ist in vielen Fällen schlimmer als der Feind.“ Wie genau die neuen Zölle aussehen und wen sie treffen, will er im Rosengarten des Weißen Hauses bekannt geben.
Dass Trump seine Ankündigungen in die Tat umsetzt, hat er zuletzt bewiesen. Er verhängte bereits Zölle auf alle Aluminium- und Stahlimporte, brachte Zölle auf importierte Autos und Autoteile auf den Weg und führte erhöhte Zölle auf alle Waren aus China ein.
Was erwartet die EU?
Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden die USA neue Sonderzölle auf die Einfuhr von Halbleitern, Pharmazeutika und Holz erheben. Zudem erwarte man eine weitere Ankündigung zu reziproken Zöllen, mit denen auf unfaire Zölle anderer Länder reagiert werden soll, sagte die deutsche Spitzenpolitikerin am Dienstag in einer Rede im Europäischen Parlament in Straßburg. Diese würden sofort für fast alle Waren und viele Länder der Welt gelten und zu den Sonderzöllen hinzukommen, die US-Präsident Donald Trump bereits in Kraft gesetzt hat.
Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?
Die USA sind Deutschlands wichtiger Handelspartner, noch vor China und den Niederlanden, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. Demnach wurden 2024 Waren im Wert von rund 253 Milliarden Euro zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehandelt.
Der US-Markt hat für deutsche Firmen an Bedeutung gewonnen: Für die deutschen Exporteure seien die USA so wichtig wie nie in den vergangenen 20 Jahren, so das Statistische Bundesamt. Deutsche Firmen lieferten 2024 Waren im Wert von 161,4 Milliarden Euro in die USA, gut zehn Prozent aller Exporte.
Umgekehrt wurden 2024 Waren im Wert von 91,4 Milliarden Euro aus Amerika nach Deutschland importiert. Die Folge war ein deutscher Rekord-Handelsüberschuss von rund 70 Milliarden Euro mit den USA. Mit keinem anderen Land hat Deutschland seit 2017 so hohe Exportüberschüsse.
Welche Branchen sind besonders von den USA abhängig?
Nicht nur den deutschen Autobauern drohen mit den von Trump bereits angekündigten Sonderzöllen von 25 Prozent hohe Belastungen. Auch für die Pharmaindustrie sind neue US-Zölle gefährlich. Arzneimittel im Wert von 26 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,2 Prozent) der deutschen Pharmaexporte gingen 2023 in die USA. Prozentual gesehen ist das noch mehr als im Maschinenbau (13 Prozent) und der Chemiebranche (7,2 Prozent), deren Produkte ebenfalls zu den wichtigsten deutschen Exportgütern in die USA zählen.
Könnte die Zölle Folgen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland haben?
Deutschland importierte 2023 Pharmazeutika im Wert von 12,5 Milliarden Euro (17 Prozent) aus den USA sowie rund zwölf Prozent der Vorprodukte. Das sind Materialien, Stoffe oder Bauteile, die in der Herstellung von Medizinprodukten, Arzneimitteln oder medizinischen Geräten verwendet werden. „Im Ernstfall eines Handelskriegs könnten sich Vorprodukte stark verteuern oder zeitweise ganz fehlen“, sagt Claus Michelsen, Chefvolkswirt beim Verband forschender Arzneimittelhersteller. „Damit würde die Arzneiproduktion in Deutschland unter Druck geraten mit Folgen für die Medikamentenversorgung und die Beschäftigten in der Pharmaproduktion.“
Wie könnten deutsche Unternehmen auf die neuen Zölle reagieren?
Es kursieren Schreckensszenarien, wonach deutsche Unternehmen im großen Stil in die USA abwandern könnten, um Zöllen zu entgehen. Simone Menne, Präsidentin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany), sieht aber hohe Hürden für Unternehmen. „Große Investitionen haben jahrelangen Vorlauf. Aus Deutschland abzuwandern, wäre für Unternehmen mit hohen Kosten verbunden“, sagte Menne in einem früheren Gespräch mit der dpa.
Viele deutsche Konzerne seien bereits stark in den USA präsent, sagte Menne. „Womöglich investieren sie dann vor Ort noch mehr.“ Deutsche Unternehmen sind wichtige Arbeitgeber und Investoren in den Vereinigten Staaten, zeigen Daten des Bundeswirtschaftsministeriums. Unter anderem die Autobauer VW, BMW und Mercedes haben dort große Werke. Der Mittelstand habe es da schwerer, so Menne. „Viele Firmen sind Weltmarktführer von Deutschland aus, sie können nicht einfach von heute auf morgen ein Werk woanders aufbauen.“
Wie wird die EU reagieren?
EU-Kommissionschefin von der Leyen warnte am Dienstag erneut vor den Folgen eines möglichen Handelskriegs und betonte die Verhandlungsbereitschaft der EU. Zugleich machte sie deutlich, dass die EU im Fall einer unzureichenden Gesprächsbereitschaft der USA mit Gegenmaßnahmen reagieren wird. „Ich habe mich bereits mit den europäischen Staats- und Regierungschefs über die nächsten Schritte ausgetauscht“, sagte sie. „Unser Ziel ist eine Verhandlungslösung. Aber, wenn es nötig ist, werden wir natürlich unsere Interessen, unsere Bevölkerung und unsere Unternehmen schützen.“ Man wolle nicht unbedingt zurückschlagen, aber wenn es notwendig sein werde, habe man einen starken Plan, um dies zu tun.
Details nannte von der Leyen nicht. Nach Angaben aus Kommissionskreisen beinhaltet er aber unter anderem die Einführung weitreichender Gegenzölle. Bereits angekündigt ist, dass Mitte April die derzeit ausgesetzten Sonderzölle auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter wieder eingeführt werden. Dies ist aber die Reaktion auf die US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, die bereits in Kraft getreten sind.
Könnten auch Dienste von Trump-Freund Elon Musk ins Visier der EU geraten?
Ja. Aus dem Europäischen Parlament kommen so bereits Forderungen nach einer offenen Drohung mit Maßnahmen gegen amerikanische Unternehmen wie die Plattform X, die Musk gehört, Google, Amazon oder Netflix. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD), hält es beispielsweise für möglich, Abgaben auf digitale Dienstleistungen zu erheben.
Die EU-Kommission verweist in dem Handelskonflikt auch immer wieder darauf, dass die USA mehr Dienstleistungen in die EU verkaufen als umgekehrt. Berücksichtigt man sowohl Waren als auch Dienstleistungen, hat es 2023 nach Zahlen aus Brüssel beispielsweise einen EU-Handelsüberschuss von 48 Milliarden Euro gegeben. Das entsprach drei Prozent des gesamten Handels zwischen den USA und der EU.
Wie könnte es nach der neuen Zollankündigung weitergehen?
In einem weniger schlimmen Szenario könnte Trump schnell davon überzeugt werden, die Zölle vorübergehend wieder auszusetzen – um dann mit Verhandlungen zu beginnen. Im Worst-Case-Szenario würde es zu einem langen Handelskrieg kommen – mit schweren Folgen für die Wirtschaft. Selbst im Fall von Verhandlungen wird allerdings nicht damit gerechnet, dass am Ende wieder alles ist wie vorher.
Was könnte die EU den USA in Verhandlungen anbieten?
Die von Trump geforderten Zollsenkungen auf Waren wie US-Autos könnten umgesetzt werden, aber auch neue Abkommen stehen zur Option. Nach Einschätzung der EU-Kommission könnten die Europäische Union wie von Trump vorgeschlagen einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) schließen. „Wir bekommen immer noch viel LNG aus Russland, warum also nicht stattdessen amerikanisches LNG einsetzen, das günstiger für uns ist und unsere Energiepreise senkt“, sagte Ursula von der Leyen bereits im vergangenen Jahr. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter aus den USA zu importieren. (dpa/red)
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