Günstig und umstritten: Das steckt hinter dem Temu-Boom

Mit einem ausgeklügelten Logistikmodell, aggressiver Preisstrategie und dem Nutzen von Schlupflöchern wurde Temu zum globalen Phänomen. Doch der Shopping-Gigant steht zunehmend im Fokus von Politik und Wettbewerbsaufsicht.
Das Shoppingportal Temu aus China gehört bereits zu den größten Onlinehändlern in Deutschland. (Symbolbild)
Das Shopping-Portal Temu aus China gehört längst zu den großen Playern im deutschen E-Commerce.Foto: Hannes P Albert/dpa
Von 11. Mai 2025

Es ist ein weltweites Erfolgsmodell: Die Anzahl der Besuche des Onlineversandhändlers Temu belief sich im März 2025 auf rund 1,3 Milliarden. Das ist im Vergleich zum Vormonat ein Anstieg um rund 27,3 Prozent. Nachdem die Plattform des chinesischen Unternehmens Pinduoduo im Herbst 2022 in den USA online ging, platzierte sie sich dort direkt auf Platz eins der Download-Charts.

Temu: Ein Erfolgsmodell, das sich weltweit wiederholt

Dieser Trend ist weltweit und betrifft auch Deutschland: Seit April 2023 ist Temu in Deutschland verfügbar und hat ein erstaunliches Wachstum aufgewiesen. Temu ist mittlerweile auf Platz acht der am schnellsten wachsenden digitalen Marken in Deutschland vorgerückt. Die Anzahl der Website-Visits überschreitet bereits die von Zalando und liegt nur 30 Prozent unter der von otto.de, beschreibt der Handelsverband Deutschland (HDE) die Erfolgsstory des chinesischen Shopping-Giganten.

Laut „Digital 100 Report“ des IT-Analyseunternehmens Similarweb stieg die Zahl der monatlichen Einzelbesucher in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent auf durchschnittlich 15,1 Millionen. Damit zählte Temu im Jahr 2024 zu den zehn am schnellsten wachsenden Websites hierzulande.

Shoppingplattform als Schnäppchenparadies

Temu präsentiert sich als Schnäppchenparadies mit Produkten zu Schleuderpreisen: Kein Onlineshop hat billigere Produkte, keiner wächst so schnell. Temu unterscheidet sich von anderen Onlineshops wie Amazon durch seine Preisstrategie.

Der Onlinehändler bietet so ziemlich jedes Produkt an, das man sich vorstellen kann. Von Mode bis zu Wohnaccessoires, Beauty- und Kosmetikartikel, Elektronik, Küchenutensilien bis zu Möbeln: Unter dem Motto „Shoppe wie ein Milliardär“ („Shop like a Billionaire“) ist hier alles zu billigsten Sonderangebotspreisen erhältlich. Sommerkleider beispielsweise schon für 14,52 Euro oder eine Latzhose für 13,42 Euro.

Im September 2022 startete der chinesische E-Commerce-Riese Pinduoduo das Schwesterunternehmen Temu, das seinen Sitz in Boston hat. Im Jahr 2023 benannte sich Pinduoduo in PDD Holdings um.

PDD Holdings hatte am 17. Januar 2024 eine Marktkapitalisierung von 105,57 Milliarden Dollar. Der Jahresumsatz 2024 wird laut „Bloomberg“ auf 54,7 Milliarden Dollar beziffert. Der Gründer von PDD, Colin Huang, ein ehemaliger Angestellter von Google in China, wurde Mitte letzten Jahres zum reichsten Mann des Landes. Obwohl Pinduoduo ursprünglich seinen Firmensitz in Shanghai hatte, zog es 2023 nach Dublin, Irland, um. Das ist für Technologieunternehmen nicht ungewöhnlich, um Steuern zu sparen.

Markenfremde Produkte, Qualitätsprobleme

Doch das preisgünstige Angebot hat Schattenseiten: Kritik gibt es wegen der Produktqualität, begrenzten Rückgabefristen und langen Versandzeiten. Auch sind die technischen Produkte von Temu in der Regel keine Markenprodukte, es sei denn, die Beschreibung enthält ein blaues Häkchen, das eine Marke kennzeichnet. Dass die Laptops und Smartphones von weniger bekannten Herstellern kommen, führt zwar zu niedrigen Preisen, aber auch zu Bedenken. Die US-Ausgabe der Epoch Times zitiert aus einem Bericht der U.S.-China Economic and Security Review Commission aus dem Jahr 2023: „Temus fehlende Zugehörigkeit zu etablierten Marken hat zu Bedenken hinsichtlich der Produktqualität sowie zu Anschuldigungen wegen Urheberrechtsverletzungen geführt“. Gemeint ist hier die Verwendung geschützter Modedesigns, Warenzeichen, Logos oder anderer Merkmale ohne Genehmigung.

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Trump gegen Temu: Dreifache Zölle für Päckchen aus China

Temus Erfolg beruht nicht nur auf attraktiven Preisen, sondern auch auf einem ausgeklügelten Logistikmodell: Die Plattform verzichtet auf Zwischenhändler und lässt direkt aus China liefern. Dabei nutzt sie internationale Zollfreigrenzen strategisch aus. In den USA galt bis vor Kurzem ein zollfreier Import bis 799 Dollar – eine Regelung, die Temu systematisch nutzte. Diese De-minimis-Regelung der Vereinigten Staaten hat dazu beigetragen, die Versandkosten für Temu niedrig zu halten. Wenn Kunden bei Temu bestellen, werden die einzelnen Artikel direkt vom chinesischen Hersteller verschickt. Das Ergebnis ist, dass die Sendungen unter 800 Dollar bleiben, sodass kein Zoll erhoben wird.

Jetzt wendet sich das Blatt. Die USA gehen gegen Temu und andere chinesische Onlinehändler wie Shein vor, die zahlreiche Waren in die USA versenden. Seit Anfang Mai 2025 gilt ein deutlich höherer Zollsatz auf Päckchen aus China. Für kleine Paketsendungen verdreifacht sich der Aufschlag von zuletzt 30 auf 90 Prozent. Das hatte Präsident Donald Trump am 2.April per Dekret angeordnet. Der neue Zollsatz gilt jetzt auch für Lieferungen mit einem Warenwert unter 799 Dollar. Epoch Times berichtete.

Paketflut aus Asien 

Aber auch in Europa steht Temu seit seinem Markteintritt im Visier: Die EU-Kommission arbeitet seit Mai 2023 an entsprechenden Reformplänen. Bei Temu-Bestellungen unter 150 Euro werden in Europa in der Regel keine Zollgebühren fällig, allerdings muss eine Einfuhrumsatzsteuer (entspricht der Mehrwertsteuer) gezahlt werden. Temu gibt an, dass diese bereits im Kaufpreis enthalten ist.

Die Europäische Kommission leitete außerdem im Oktober 2024 ein formales Verfahren ein, um zu prüfen, ob die Plattform etwa genug gegen den Verkauf illegaler Produkte vorgeht. Zudem soll die potenziell süchtig machende Gestaltung der Plattform durch dessen Belohnungsprogramme untersucht werden. Der Verdacht: Temu verstoße gegen EU-Recht. Epoch Times berichtete.

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Weichmacher und Co: Gefährliche Chemikalien

Die niedrigen Preise können auch Risiken mit sich bringen. Einige der Produkte auf Billigplattformen wie Shein und Co. sollen gegen das EU-Chemikalienrecht verstoßen. Das habe die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) in einer stichprobenartigen Untersuchung im Jahr 2023 festgestellt, schreibt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf seiner Website. Von 2018 bis 2022 erhöhte sich der Anteil an Produkten mit verbotenen Chemikalien um ein Drittel. Darin erfasst seien nur die offiziell festgestellten illegalen Produkte. Der tatsächliche Umfang liege vermutlich deutlich höher, denn die Masse an Produkten lässt sich gar nicht kontrollieren und Informationen über schädliche Chemikalien stehen meist nicht in der Produktbeschreibung. 

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Zu den gefundenen Substanzen gehören unter anderem Formaldehyd, Blei und verschiedene Phthalate. Phthalate werden häufig Kunststoffen zugesetzt, um die Flexibilität zu erhöhen, oder Kosmetika und Toilettenartikeln, um Duftstoffe aufzunehmen. Bestimmte Phthalate werden als Umwelthormone eingestuft, was bedeutet, dass sie Hormone nachahmen, blockieren oder stören können, was schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Phthalat-Weichmacher können Krebs verursachen, das Nervensystem schädigen und Fortpflanzungsfunktionen beeinträchtigen – bei hohen Konzentrationen sogar bis zur Unfruchtbarkeit.

Billigklamotten mit hoher CO₂-Bilanz

Neben der Schadstoffbelastung gibt es, so der BUND, ein anderes Problem mit den Billigprodukten von Temu, Shein und Co: Sie halten nicht lange. Das steigere den ökologischen Fußabdruck immens, denn wenn das Temu-T-Shirt endlich im Briefkasten landet, ist es zumeist vorher um die halbe Welt geflogen. Dabei verursache es „zehn- bis zwanzigmal mehr Treibhausgase als bei Handelswegen übers Wasser und Land.“

Von all dieser Kritik an Temu scheint der Konsument unbeeindruckt: Deutschland ist derzeit der größte EU-Markt für Temu mit durchschnittlich 16,4 Millionen monatlichen Nutzern. Zum Vergleich: Frankreich liegt bei 12 Millionen, Italien bei 10 Millionen. In einer repräsentativen Umfrage von Appinio gaben 26 Prozent der Deutschen zwischen 16 und 65 Jahren an, in den vergangenen sechs Monaten bei Temu eingekauft zu haben. Damit nähert sich Temu bereits den Zahlen von Otto (30  Prozent) und Ebay (44 Prozent) an, während Amazon mit 86  Prozent weiterhin führend ist.



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