Immobilienbranche bleibt Spitzenreiter bei Insolvenzen

In Kürze:
- Die Immobilienbranche verzeichnete im ersten Halbjahr 2025 mit 27 Großinsolvenzen den Spitzenwert unter allen Branchen, auch wenn dies einem Rückgang von rund 10 Prozent gegenüber 2024 entspricht.
- Im klassischen Immobilienbau gingen die Insolvenzen deutlich zurück – von zwölf auf fünf Fälle –, was Experten auf eine Marktbereinigung und flexible Finanzierungsabsprachen zurückführen.
- Im Gebäudebereich hingegen stiegen die Großpleiten von 18 auf 21 Fälle. Besonders betroffen sind Baunebengewerbe wie Elektro, Heizung, Klima und Trockenbau.
- Für Bestandshalter droht die nächste Insolvenzwelle, da auslaufende Zinsbindungen und steigende Refinanzierungskosten die Liquidität belasten.
Die deutsche Immobilienwirtschaft bleibt auch im Jahr 2025 tief in der Krise. Zwar stabilisiert sich der klassische Immobilienbau nach einer Phase massiver Erschütterungen, doch in dem nachgelagerten Baunebengewerbe nimmt die Zahl der Insolvenzen weiter zu. Das belegt eine aktuelle Auswertung der Restrukturierungsberatung Falkensteg.
Die Entwicklung offenbart ein zweigeteiltes Bild: Während sich der Sektor für Neubauprojekte durch eine harte Marktbereinigung erholt, geraten Handwerksbetriebe, Gebäudedienstleister und Bestandshalter von Immobilien zunehmend unter Druck. Für viele Akteure in der Branche bedeutet das eine ungewisse Zukunft, die von steigenden Kosten, restriktiver Kreditvergabe und sinkender Nachfrage geprägt ist.
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Laut Falkensteg blieb die Zahl der Großinsolvenzen, also für Unternehmen mit einem Umsatz von über 10 Millionen Euro, im ersten Halbjahr 2025 auf hohem Niveau: Die Amtsgerichte registrierten laut Falkensteg 201 Fälle – 17 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und den zweithöchsten Wert seit 2018. Allerdings hat sich die Dynamik im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2024 mit damals 206 Großinsolvenzen etwas abgeschwächt.
Besonders betroffen ist die Immobilienbranche mit 27 Großinsolvenzen, wenngleich dies einem Rückgang von 10 Prozent entspricht. Im verarbeitenden Gewerbe stiegen die Zahlen dagegen weiter an, etwa in der Automotiveindustrie (26 Fälle), Metallwaren (22), Elektrotechnik (20) und Maschinenbau (18). Auffällig sind die starken Zuwächse bei Kunststoffverarbeitern mit 15 Insolvenzen, was einem Plus von 150 Prozent entspricht, und im Autohandel mit 14 Fällen – einem Plus von 180 Prozent.
Deutschlands Wirtschaft weiter tief in der Krise
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der Wirtschaftsinformationsdienst Creditreform: Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2025 auf ein Zehnjahreshoch gestiegen. 11.900 Unternehmenspleiten bedeuten ein Plus von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Verbraucherinsolvenzen legten mit 37.700 Fällen, was einem Plus von 6,6 Prozent entspricht, weiter zu.
Die wirtschaftlichen Folgen sind laut Creditreform gravierend: Forderungsausfälle von über 33 Milliarden Euro sowie mehr als 140.000 betroffene Arbeitsplätze belasten Wirtschaft und Gesellschaft. Besonders betroffen sind das verarbeitende Gewerbe und der Handel, während im Mittelstand und bei größeren Unternehmen die Insolvenzzahlen ebenfalls deutlich steigen.

Unternehmensinsolvenzen, 1. Halbjahr 2025. Foto: Creditreform
„Trotz einiger Hoffnungssignale steckt Deutschland weiter in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Strukturkrise. Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage, steigenden Kosten und anhaltender Unsicherheit. Besonders die finanziellen Reserven schwinden, Kredite werden teils nicht mehr verlängert und immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten“, kommentiert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform, die Zahlen.
Innerhalb des Immobiliensektors zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede. Im klassischen Immobilienbau – also beim Rohbau, Projektierung und Bauträgern – sank die Zahl der Insolvenzen laut der Auswertung von Falkensteg von zwölf auf nur noch fünf Fälle, ein Rückgang um 58,3 Prozent.
Ganz anders die Situation im Gebäudebereich, zu dem Innenausbau, Gebäudedienstleistungen, Makler und Zulieferer zählen: Dort stieg die Zahl der Großinsolvenzen von 18 auf 22. Besonders betroffen sind Gewerke wie Elektroinstallation, Heizung, Sanitär, Klima, Trockenbau sowie Facility Services. Auch Unternehmen, die im Bereich erneuerbare Energien tätig sind, geraten zunehmend unter Druck, da Investitionen in Solartechnik oder Wärmepumpen vielerorts zurückgestellt werden.
Marktbereinigung als Stabilisierungstreiber
Christian Alpers, der Leiter von Falkensteg Real Estate, führt den Rückgang der Insolvenzen im Immobilienbau vor allem auf eine umfassende Marktbereinigung zurück.: „Viele wirtschaftlich schwächere Marktteilnehmer sind bereits im vergangenen Jahr ausgeschieden. Was wir jetzt erleben, ist das Ergebnis dieser Bereinigung.“ Selbst Branchenkenner seien überrascht, wie stark die Zahl der Insolvenzen im Immobilienbau zurückgegangen sei, trotz weiterhin angespannter konjunktureller Rahmenbedingungen.
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Neben der Marktbereinigung spiele auch die Finanzierung eine wichtige Rolle. In vielen Fällen setzten die Beteiligten derzeit auf Stillhalteabkommen oder individuelle Absprachen mit Banken und Investoren, um formale Insolvenzverfahren zu vermeiden. „Ein Insolvenzverfahren ist in dieser Branche nicht immer die wirtschaftlich sinnvollste Lösung“, sagte Alpers. Gerade bei projektbezogenen Engpässen ließen sich häufig bessere Ergebnisse außerhalb eines standardisierten Insolvenzrahmens erzielen. Insofern sei die geringe Zahl der Baupleiten weniger ein Zeichen echter Stärke als vielmehr Ausdruck pragmatischer Übergangslösungen.
Baunebengewerbe unter Druck – Finanzierungslast wächst
Im Gebäudebereich hingegen bleibt die Lage prekär. Hier wirken gleich mehrere Belastungsfaktoren zusammen. Die hohen Material- und Lohnkosten drücken massiv auf die Margen, so Alpers.
Hinzu kommen Zahlungsausfälle: Gerät ein Bauträger oder Projektentwickler in der Rohbauphase in die Insolvenz, schlage dies zeitversetzt auf die Baunebengewerbe durch, die bereits erhebliche Vorleistungen erbracht haben. Da viele kleinere und mittelständische Handwerksfirmen nur geringe Liquiditätsreserven besitzen, führe schon ein einzelner Zahlungsausfall schnell zu existenziellen Schwierigkeiten.
Besonders hart trifft es aktuell Elektrotechnikunternehmen. Nach Angaben von Falkensteg meldeten im ersten Halbjahr 2025 allein 20 Elektrotechnikgroßbetriebe Insolvenz an – ein Drittel mehr als im Vorjahr. Prominentestes Beispiel: die deutsche Tochter des Schweizer Solarherstellers Meyer Burger, die Ende Mai 2025 Insolvenz anmeldete.
Zinsrisiken gefährden Bestandshalter
Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor für die Immobilienwirtschaft liege im Finanzierungsumfeld. Viele Immobilienkredite mit Zinsbindungsfristen laufen in den kommenden Jahren aus. „Die damit verbundenen, deutlich höheren Refinanzierungskosten sowie die weiterhin restriktive Kreditvergabe könnten nun auch bei Bestandshaltern von Immobilien zu akuten Liquiditätsengpässen führen und die Zahl der Insolvenzen weiter in die Höhe treiben“, warnt Alpers.
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Eine aktuelle Branchenumfrage der Corporate-Finance-Beratung EY-Parthenon bestätigt laut der BF.direkt AG diese Einschätzung: Immobilienfinanzierer bewerten den deutschen Markt weiterhin negativ. Frühestens in drei bis fünf Jahren sei mit einer echten Erholung zu rechnen.
Bis dahin dürften auch Bestandshalter verstärkt von der Insolvenzwelle erfasst werden, ein Prozess, der bei Projektentwicklern bereits früher begonnen hat und dort inzwischen weiter fortgeschritten ist. Besonders kritisch sei die Lage bei Gewerbeimmobilien. Während sich die Wohnungsmärkte in einigen Schwarmstädten, also in Städten, die aufgrund junger Altersgruppen Einwohnerzuwächse erfahren, zuletzt stabilisiert haben, ist der Büromarkt vielerorts von Leerständen geprägt. Auch Einzelhandelsflächen stehen unter Druck, da veränderte Konsumgewohnheiten und der Onlinehandel den Bedarf weiter sinken lassen.
Preise am Bau steigen weiter
Neben der Finanzierung belasten auch die Baupreise die Unternehmen. Laut Statistischem Bundesamt lagen die Preise für Bauleistungen im Mai 2025 durchschnittlich 3,2 Prozent über dem Vorjahreswert. Besonders stark stiegen die Kosten für den Einbau elektrischer Anlagen (+5,7 Prozent), Zimmerarbeiten (+4,8 Prozent), Dachdeckerleistungen (+4,5 Prozent) sowie Heizungsanlagen (+4,5 Prozent). Wärmedämmung verteuerte sich um 3,6 Prozent. Dagegen blieben die Preise für Beton- (+1,6 Prozent) und Mauerarbeiten (+1,5 Prozent) vergleichsweise stabil.
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Für viele Betriebe des Baunebengewerbes bedeutet diese Entwicklung eine doppelte Belastung: steigende Kosten bei gleichzeitig zunehmendem Preisdruck, da Investoren und Bauherren angesichts der allgemeinen Unsicherheit stärker auf die Kostenbremse treten. Manche Betriebe versuchen, die höheren Kosten an die Auftraggeber weiterzugeben, stoßen dabei jedoch auf massiven Widerstand. Das Resultat sind schrumpfende Margen und ein wachsendes Insolvenzrisiko.
Laut einer Umfrage von PwC Deutschland unter 100 Bauunternehmen und Planungsbüros spüren 85 Prozent der Unternehmen steigenden Kostendruck. 69 Prozent der Unternehmen berichten, dass sie Umsatzeinbußen und Projektverschiebungen hinnehmen müssen, weil Auftraggeber Preisdruck ausüben. Die höheren Kosten lassen sich nur schwer an Kunden weitergeben, was die Margen belastet.
Banken stabiler als vor der Finanzkrise
Interessant ist, dass der Finanzsektor trotz der Turbulenzen bislang stabil bleibt. So schreibt die Bankenaufsicht (BaFin) in ihrem Bericht „Risiken im Fokus 2025“ vom Januar 2025 mit Blick auf das vergangene Jahr:
„Insgesamt hat sich das Finanzsystem im Jahr 2024 als stabil erwiesen. In den vergangenen Jahren mussten die Unternehmen des Finanzsektors mit den Herausforderungen eines wechselnden Zinsumfelds umgehen. Dies haben sie überwiegend gut verkraftet. Allerdings: Die Konjunktur schwächelte und geopolitische Konflikte nahmen zu.“
Für das laufende Jahr warnt die BaFin allerdings:
„2025 könnte noch herausfordernder werden. Ökonomische Risiken könnten die Kreditbücher der Banken und Anlageportfolios der Versicherer noch stärker belasten als bisher.“
Banken verfügen allerdings über relativ hohe Eigenkapitalquoten und können Risiken besser abfedern als noch in der Finanzkrise 2007/08. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im März 2025 mitgeteilt, dass die sogenannten großen Banken, die sie überwacht, am Ende des Jahres 2024 im Durchschnitt etwa 15,9 Prozent Eigenkapital im Verhältnis zu ihren risikoreichen Geschäften besitzen.
Dieses Eigenkapital wird auch als „harte Kernkapitalquote“ bezeichnet und ist eine wichtige Kennzahl dafür, wie gut eine Bank aufgestellt ist, um mögliche Verluste abzufedern. Je höher diese Quote, desto sicherer gilt die Bank, weil sie genug eigenes Geld hat, um schwierige Zeiten ohne Probleme zu überstehen. Die Zahl von fast 16 Prozent zeigt, dass die Banken heute besser kapitalisiert sind als früher und dadurch stabiler sind.
Für die Immobilienwirtschaft selbst bedeutet das allerdings wenig Trost: Während die Finanzierer vergleichsweise robust auftreten, tragen Bauherren, Entwickler und Dienstleister die Hauptlast der Krise.
Leichte Entspannung oder nächste Welle?
Für das zweite Halbjahr 2025 rechnet Falkensteg im klassischen Immobilienbau mit einem leichten Wiederanstieg der Insolvenzen, der sich aus zyklischen Effekten ergebe. Für das Gesamtjahr sei dennoch ein moderater Rückgang gegenüber 2024 wahrscheinlich. Ganz anders der Ausblick für das Baunebengewerbe und Gebäudedienstleister: Hier dürfte das Niveau der Insolvenzen hoch bleiben. Die strukturellen Schwächen – hohe Vorfinanzierung, geringe Rücklagen, steigende Kosten – erlauben kurzfristig kaum Spielraum für Besserung.
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