Karte, App, Smartwatch – und wer zahlt am Ende? Die Kosten digitaler Zahlungsmittel

In Kürze:
- Bargeld bleibt beliebt, kostet aber viel: Über 12 Milliarden Euro privatwirtschaftliche Kosten pro Jahr; Kartenzahlungen meist günstiger, aber oft mit Gebühren- und Akzeptanzhürden.
- Datenschutzproblem bei digitalen Zahlungen: Schon wenige Transaktionsdaten reichen, um Nutzer eindeutig zu identifizieren (MIT‑Studie).
- Digitaler Euro in Planung: Kann das Versprechen eines gebührenfreien und sicheren Zahlungsmittels eingelöst werden?
Kennen Sie diese Situation? Ein Hinweis auf einem Stück Papier, angebracht an der Tür eines Friseurladens: „Kartenzahlung erst ab 10 Euro.“ In immer mehr Geschäften tauchen ähnliche Botschaften auf. Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist das irritierend – schließlich hat sich das digitale Bezahlen in den vergangenen Jahren durchgesetzt, gefördert nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Kontaktloses Zahlen per Karte oder Smartphone gilt als bequem und schnell. Doch im Alltag ist digitales Bezahlen nicht immer selbstverständlich – es kann auch teurer werden. Händler sehen sich mit Gebühren konfrontiert, die sie oft in Form von Preiserhöhungen an Kundinnen und Kunden weitergeben oder indem sie Kartenzahlungen einschränken.
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Gleichzeitig arbeitet die Europäische Zentralbank an der Einführung eines digitalen Euro. Das Ziel: ein staatlich garantiertes, elektronisches Zahlungsmittel, das wie Bargeld funktionieren soll – gebührenfrei, sicher, für alle zugänglich. Ein ambitioniertes Projekt, das in den kommenden Jahren Realität werden könnte. Doch schon heute zeigt sich: Das Verhältnis zum digitalen Zahlen ist komplex. Es berührt Fragen nach Wirtschaftlichkeit, technischer Machbarkeit und nicht zuletzt nach Vertrauen.
Gebührenstruktur und Realität im Alltag
Ein zentrales Thema sind die Kosten für Kartenzahlungen. Im Hintergrund entstehen hier Gebühren, die in der Theorie von den Händlern getragen werden. Je nach Kartentyp – ob Girocard, Debit- oder Kreditkarte – können diese unterschiedlich ausfallen. Im Mai hat das „Handelsblatt“ analysiert, was Kartenzahlungen die Händler kosten. Demnach sind solche Zahlungen für den Verkäufer mit verschiedenen Kosten verbunden, die sich aus Fixkosten und variablen Transaktionsgebühren zusammensetzen. Zu den Fixkosten zählen etwa Terminalmieten und Servicepauschalen, die je nach Anbieter bei rund 10 bis 20 Euro im Monat liegen können – manche Anbieter wie myPOS oder Zettle verzichten ganz auf Grundgebühren. Die variablen Kosten richten sich nach dem Umsatz und der Art der verwendeten Karte. EC-Kartenzahlungen sind dabei meist günstiger und kosten typischerweise zwischen 0,25 und 0,95 Prozent des Umsatzes. Kreditkartenzahlungen (etwa mit Visa oder Mastercard) schlagen mit 1,19 bis 2,75 Prozent zu Buche.
Viele Händler reagieren daher mit Mindestbeträgen oder lehnen bestimmte Kartentypen ab. Andere verlangen – trotz rechtlicher Einschränkungen – einen Aufpreis bei Kreditkartenzahlungen. Zwar ist es laut EU-Zahlungsdiensterichtlinie in den meisten Fällen untersagt, zusätzliche Entgelte bei gängigen Kartenmodellen zu erheben. Dennoch geschieht dies im Alltag immer wieder.
So stellt der Europäische Rechnungshof in seinem aktuellen Spezialreport „Digitaler Zahlungsverkehr in der EU“ fest: Trotz der Richtlinie, dass Händler bei gängigen Karten und SEPA-Zahlungen keine direkten Aufschläge verlangen dürfen, gibt es diese trotzdem.
Im Report schreibt der Rechnungshof konkret:
„Es gab zahlreiche Fälle, in denen die erhobenen Aufschläge höher waren als die von den Händlern zu tragenden Kosten (überhöhte Aufschläge).“ (S. 22)
Bargeld ist in Deutschland zwar König – aber ein teurer Herrscher. Die Studie „Cost of Cash“ des Forschungszentrums für Finanzdienstleistungen an der Steinbeis-Hochschule Berlin zeigt: Das Bargeldsystem verursacht jährlich volkswirtschaftliche Kosten von über 8 Milliarden Euro, privatwirtschaftlich – inklusive Zinsverlusten – sogar mehr als zwölf Milliarden Euro. In der Studie heißt es dazu:
„Das Bargeldsystem verursacht privatwirtschaftliche Kosten von rund 12,5 Mrd. Euro, dies entspricht einer jährlichen Kostenbelastung von rund 150,- Euro pro Bürger.“ (S. 12)
Und weiter kommt die Studie zum Ergebnis: „In Anbetracht der Tatsache, dass der durchschnittliche Kaufbetrag im Einzelhandel etwa 20 Euro beträgt, ist Bargeld in den meisten Fällen nicht das günstigste Zahlungsinstrument.“
Die hohen Kosten von Bargeld resultieren laut Studie vor allem aus dem erheblichen Aufwand, der hinter dem reibungslosen Bargeldkreislauf steckt. So verursacht bereits das Zählen, Prüfen und Sortieren von Münzen und Scheinen für Händler erhebliche Kosten. Hinzu kommen die Ausgaben für den sicheren Transport und die Lagerung des Bargelds, die Versicherungen sowie logistische Maßnahmen. Auch der Verwaltungsaufwand darf nicht unterschätzt werden: Das Verbuchen, Abgleichen und Einzahlen des Bargelds bindet Personal und Zeitressourcen. Schließlich gibt es auch systemweite Kosten für die Herstellung und den Umlauf von Bargeld, die von der Zentralbank organisiert werden.
Die Hauptlast tragen Handel und Banken: Im Einzelhandel summieren sich die Bargeldkosten auf 6,7 Milliarden Euro pro Jahr, bei den Banken auf 4,5 Milliarden – vor allem durch Personalaufwand, Bargeldtransport und Sicherheitsmaßnahmen. Privatpersonen verlieren zusätzlich über 1,3 Milliarden Euro jährlich an Zinsen, weil sie große Bargeldreserven halten. Nur die Deutsche Bundesbank profitiert – dank der sogenannten Seigniorage. Darunter versteht man den Gewinnen durch zinsfreie Bargeldhaltung, der durch die Differenz zwischen den Herstellungskosten und dem tatsächlichen Nennwert des Geldes entsteht.
Kartenzahlungen schneiden im Vergleich deutlich besser ab: Ihre Gesamtkosten liegen bei rund 0,8 Milliarden Euro jährlich. Bargeld ist nur bei sehr kleinen Beträgen im Vorteil – bis zu etwa 6 Euro. Ab höheren Beträgen sind Kartenzahlungen kostengünstiger.
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Hinzu kommt der gesellschaftliche Preis: Bargeld erleichtert Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung. Das Volumen der Schattenwirtschaft wird auf 300 Milliarden Euro geschätzt. Weniger Bargeld könnte dem Staat jährlich bis zu 35 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen bringen.
Das Fazit der Studie ist eindeutig: Bargeld ist entgegen der weitverbreiteten Meinung nicht das günstigste Zahlungsmittel in Deutschland.
Bargeld bleibt wichtig – verliert aber langsam an Boden
Doch Bargeld bleibt in Deutschland das beliebteste Zahlungsmittel. Laut der Studie „Zahlungsverhalten in Deutschland 2023“ der Deutschen Bundesbank wurde vor zwei Jahren bei rund jedem zweiten Bezahlvorgang noch bar bezahlt. Damit ist Bargeld zwar weiterhin Spitzenreiter, doch der Anteil ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken.
Parallel dazu wächst die Bedeutung bargeldloser Alternativen. Die Debitkarte oder Girocard hat inzwischen den höchsten Umsatzanteil aller Zahlungsmittel, während sich der Anteil mobiler Bezahlverfahren im Vergleich zur letzten Erhebung sogar verdreifacht hat. Immer mehr Händler und Kunden nutzen also digitale Bezahlmethoden – und deren Akzeptanz steigt kontinuierlich.
Trotzdem ist die emotionale Bindung vieler Menschen an Scheine und Münzen ungebrochen. Die Bundesbank-Umfrage zeigt, dass eine überwältigende Mehrheit der Deutschen Bargeld als „sehr wichtig“ einstuft und sich auch künftig eine „Zukunft mit Bargeld“ wünscht. Bargeld gilt vielen nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Symbol für Freiheit, Privatsphäre und Sicherheit.
Allerdings wird der Zugang zu Bargeld, so die Studie, zunehmend schwieriger. Bankfilialen schließen, Geldautomaten werden abgebaut – besonders in ländlichen Regionen macht sich das bemerkbar. Die Bundesbank warnt, dass dieser Trend langfristig zu einer weiteren Abnahme der Bargeldnutzung führen könnte.
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Das Bild ist damit ambivalent: Bargeld genießt in Deutschland noch immer eine hohe Akzeptanz, verliert aber langsam an Alltagsbedeutung. Digitale Bezahlverfahren gewinnen an Boden – und der künftige Platz des Bargelds im Zahlungsverkehr hängt davon ab, ob es der Bevölkerung auch künftig leicht zugänglich bleibt.
Ein weiterer Punkt in der Diskussion ist der Datenschutz. Beim Bezahlen mit Bargeld fallen keine personenbezogenen Daten an. Kartenzahlungen hingegen erzeugen Daten: über Zeit, Ort und Betrag der Zahlung. In einigen Fällen werden auch Name, Adresse und Kontoverbindung erfasst.
Es gibt dazu auch eine wissenschaftliche Untersuchung, die aufzeigt, wie leicht sich vermeintlich anonyme Zahlungsvorgänge mit Karte wieder einer Person zuordnen lassen.
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat über 15 Monate Mobilitätsdaten von 1,5 Millionen Menschen analysiert. Das Ergebnis ist alarmierend: Sie stellten fest, dass vier zufällig ausgewählte Orts‑ und Zeitpunkte ausreichen, um 95 Prozent der Personen in einem anonymisierten Datensatz eindeutig zu identifizieren. Schon zwei Punkte genügen, um mehr als die Hälfte der Personen wiederzuerkennen. Das zeigt: Selbst stark anonymisierte Bewegungsdaten bieten oft nur eine trügerische Anonymität – wenige Zusatzinformationen reichen für eine eindeutige Zuordnung.
Einführung des digitalen Euro
Inmitten dieser Entwicklungen arbeitet die Europäische Zentralbank an einem neuen Zahlungsmittel: dem digitalen Euro. Er soll Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen – als öffentliches, digitales Zahlungsmittel, das von der Zentralbank ausgegeben wird. Die Idee: ein Zahlungsformat, das keine Gebühren kostet, keine Daten verkauft und unabhängig von privaten Anbietern wie Apple Pay, Google Pay oder Paypal funktioniert.
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EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont dazu in einer Pressemitteilung schon vor zwei Jahren:
„Wir müssen unsere Währung auf die Zukunft vorbereiten. Wir sehen einen digitalen Euro als eine digitale Form von Bargeld, mit der sämtliche digitale Zahlungen kostenlos möglich sind und die höchsten Datenschutzstandards erfüllt. Ein digitaler Euro würde parallel zum physischen Bargeld bestehen, das stets verfügbar sein wird, sodass niemand zurückgelassen wird.“
Der digitale Euro soll sowohl online als auch offline nutzbar sein, möglichst anonym, barrierefrei und für alle zugänglich – unabhängig von Alter, Einkommen oder technischer Ausstattung. Wie genau das gelingen kann, ist noch Gegenstand laufender Diskussionen. Bis Ende 2025 soll ein gesetzlicher Rahmen vorliegen, eine Einführung ist laut Sparkassen-Finanzgruppe frühestens 2029 realistisch.
Frage nach Teilhabe wird erfolgsentscheidend
Die Frage nach dem Zugang wird zentral sein. Viele Dienstleistungen – vom öffentlichen Nahverkehr bis zum Carsharing – setzen heute digitale Zahlungsmethoden voraus. Doch nicht alle Menschen besitzen ein Smartphone. Eine Lösung könnte darin bestehen, den digitalen Euro auch über Karten mit Chip oder spezielle Geräte zugänglich zu machen. Dafür entwickelt die EZB nach eigenen Angaben eine Offline-Funktion. Nutzer können ihr Guthaben vorab online oder am Geldautomaten aufladen und dann ohne Internetverbindung direkt zwischen Geräten wie Smartphones oder Zahlungskarten bezahlen – ganz ohne Einschaltung Dritter.
Der Anspruch lautet: Niemand soll vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden. Der digitale Euro wird dann Erfolg haben, wenn er tatsächlich eine Alternative bietet – und nicht nur ein weiteres Angebot im Wettbewerb der Bezahlsysteme darstellt.
Die Art, wie Menschen bezahlen, ist mehr als eine technische Frage – sie betrifft Vertrauen, Teilhabe und die Beziehung zwischen Bürgerinnen, Wirtschaft und Staat. Ein kleiner Hinweis an der Tür eines Friseurladens, der Kartenzahlung ab einem Mindestumsatz erlaubt, ist deshalb mehr als nur eine Preisinformation. Er ist ein Ausdruck dafür, wie sensibel das Thema geworden ist – und wie wichtig die Frage, wer die Regeln für das Bezahlen in der Zukunft bestimmt.
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