Maschinenbau schlägt Alarm: Wenn Politik jetzt nicht handelt, verliert Deutschland industrielle Basis

Die deutsche Wirtschaft steht an einem Wendepunkt – aus der Delle ist eine gefährliche Strukturkrise geworden. Besonders der Maschinenbau, einst Rückgrat der Industrie, rutscht immer tiefer in die Rezession. Nun warnt der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.): Wenn Politik und Wirtschaft nicht endlich handeln, droht der Verlust der industriellen Basis.
Der Maschinenbau, ein Pfeiler der deutschen Industrie. (Symbolbild)
Handelskonflikte, Bürokratie und steigende Kosten bremsen den Maschinenbau.Foto: Armin Weigel/dpa
Von 2. Oktober 2025

In Kürze:

  • Die deutsche Wirtschaft rutscht tiefer in eine Strukturkrise, besonders der Maschinenbau ist stark betroffen.
  • VDMA-Präsident Kawlath warnt vor Vertrauensverlust in Politik und Mitte der Gesellschaft.
  • Hohe Kosten, Bürokratie und Energiepreise gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.
  • Die Industrie fordert entschlossene Reformen und eine klare wirtschaftspolitische Agenda für mehr Wachstum und Stabilität.

 

Die Krise der deutschen Wirtschaft spitzt sich weiter zu. Was lange als konjunkturelle Delle galt, entpuppt sich nun als tiefgreifende Strukturkrise. Nachdem das Statistische Bundesamt jüngst den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal 2025 auf minus 0,3 Prozent korrigiert hatte, folgt jetzt auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mit einer drastischen Neubewertung. Der Branchenverband, der laut „Statista“ mehr als 950.000 Beschäftigte und rund drei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung repräsentiert, erwartet für das laufende Jahr ein Produktionsminus von fünf Prozent. Zuvor war man von einem Rückgang um zwei Prozent ausgegangen.

VDMA-Präsident Bertram Kawlath sprach Mitte September in seiner Eröffnungsrede auf dem Maschinenbau-Gipfel in Berlin von einer Lage, die „ernst und bedrohlich“ sei. Weiter sagte Kawlath:

„Heute stehen wir an einem Kipppunkt. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich.“

Kawlath mahnt damit nicht nur ökonomische Reformen an, sondern warnt auch vor einer weiteren Erosion der politischen Mitte:

„Denn wenn die demokratische Mitte nicht liefert, dann profitieren die politischen Ränder. Wenn die Politik jetzt nicht handelt, dann verlieren die Menschen das Vertrauen. Und wenn wir jetzt nicht mutig sind, dann wird es zu spät sein.“

Zwar vermeidet Kawlath direkte Schuldzuweisungen, doch seine Worte lassen keinen Zweifel: Der Frust über die Politik, lähmende Bürokratie und teure Energiepolitik wächst auch in den Chefetagen des industriellen Mittelstands. „Die Unternehmen sind wütend über Reformen, die versprochen, aber nicht schnell genug umgesetzt werden“, so Kawlath.

Ein Land verliert seine industrielle Basis

Die Aussichten für den deutschen Maschinenbau – und damit in der Schlüsselbranche der Industrie – sind nicht rosig. Die angespannte Lage des Maschinen- und Anlagenbaus zeigt sich deutlich in den aktuellen Konjunkturdaten. So sank die reale Produktionsleistung nach VDMA-Angaben im ersten Halbjahr 2025 um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – im zweiten Quartal beschleunigte sich der Rückgang sogar auf 4,9 Prozent.

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Zwar verzeichnete die Branche zwischen Januar und Juli ein leichtes Plus bei den Auftragseingängen von zwei Prozent, doch die Kapazitätsauslastung lag im Juli mit nur 77,6 Prozent weit unter dem üblichen Niveau. „Das ist deutlich zu wenig“, warnte VDMA-Präsident Bertram Kawlath. Angesichts der schwachen Auslastung und der anhaltenden Belastungen sieht sich der Verband gezwungen, seine Jahresprognose deutlich zu senken: Statt eines Produktionsrückgangs von zwei Prozent rechnet der VDMA nun mit einem Minus von fünf Prozent für 2025.

Noch immer arbeiten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 6,74 Millionen Menschen im verarbeitenden Gewerbe. Doch der Trend ist eindeutig rückläufig. Besonders betroffen sind Hersteller elektrischer Ausrüstungen (-3,6 Prozent), Produzenten von Metallerzeugnissen (-2,9 Prozent) sowie die Auto- und Kunststoffindustrie (je -2,4 Prozent). Selbst der Maschinenbau, lange Zeit Stabilitätsanker, verlor 1,2 Prozent seiner Belegschaft.

Große Sorge um den Industriestandort

Nicht nur der VDMA macht sich Sorgen um den Industriestandort Deutschland. Zu Jahresbeginn veröffentlichte auch das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) eine Analyse. Während China und die USA ihre Industrien mit gezielten Investitionsprogrammen, Subventionen und strategischer Industriepolitik stärken, bleibt Deutschland laut dem Institut weitgehend reaktiv.

Statt die veränderten globalen Rahmenbedingungen – von Handelskonflikten bis zu steigenden Energiepreisen – entschlossen anzugehen, konzentriere sich die wirtschaftspolitische Debatte hierzulande auf Nebenschauplätze wie Sozialausgaben oder das Bürgergeld. Damit, so die Ökonomen, verliere Deutschland wertvolle Zeit, um seine industrielle Basis zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Während andere Volkswirtschaften ihre Standorte aktiv ausbauen, drohe Deutschland in politischen Grundsatzdiskussionen zu verharren.

Das IMK warnt des Weiteren vor den Folgen einer zunehmend konfrontativen Handelspolitik zwischen den USA und China und fordert von der EU eine entschlossenere Antwort. Angesichts wachsender Risiken eines globalen Handelskriegs müsse Europa seine Politik „offen, aber wehrhaft“ gestalten, betonen die Experten. Besonders bei Schlüsselbranchen wie Batterien, Elektrofahrzeugen oder Stahl seien Schutzmaßnahmen gegen Dumpingimporte notwendig. Eine moderne Industrie- und Handelspolitik müsse darauf abzielen, „Technologieführerschaft zu verteidigen oder zurückzugewinnen“ und strategische Autonomie in Europa zu schaffen. Nur so könne Deutschland im verschärften globalen Wettbewerb bestehen.

Handelskriege und Strafzölle belasten Exporte

Der Handel mit den USA, Deutschlands wichtigstem Partner außerhalb der EU, gerät zunehmend unter Druck. VDMA-Präsident Bertram Kawlath warnt: „Strafzölle und Drohungen sind Gift für langfristige Investitionen.“ Besonders die jüngsten US-Zölle auf Maschinenimporte aus Europa träfen die Branche hart – rund 40 Prozent der Exporte seien betroffen. „Die Liste wird alle vier Monate überprüft – eine tickende Zeitbombe für unsere Industrie“, so Kawlath.

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Zudem bereite die Nachverfolgung von Metallanteilen und Herkunftsnachweisen enorme Probleme. Viele Betriebe könnten die geforderten Daten schlicht nicht liefern – im Extremfall drohten bis zu 200 Prozent Zoll auf das gesamte Produkt. Einige Unternehmen hätten ihre Exporte daher bereits gestoppt. Kawlath appellierte an Brüssel: „Die EU muss den USA klar machen, dass unsere Maschinen die amerikanische Produktion erst ermöglichen – und deshalb von Strafzöllen ausgenommen werden müssen.“

Standort Deutschland im Würgegriff der Kosten

Neben geopolitischen Risiken lasten hausgemachte Probleme auf dem Industriestandort: hohe Steuern, überbordende Regulierung, langsame Genehmigungsverfahren und Energiepreise, die dreimal so hoch sind wie in den USA.

„Ein Sozialstaat mit einer Abgabenquote von fast 50 Prozent ist nicht zukunftsfähig“, warnt Kawlath. „Wir brauchen eine klare politische Agenda, die zeigt, wie Arbeitsplätze, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden.“

Von der Politik fordert der VDMA weniger Bürokratie, niedrigere Steuern, schnellere Verfahren – und eine echte China-Strategie. „China ist zum größten globalen Wettbewerber im Maschinen- und Anlagenbau aufgestiegen. Weil chinesische Unternehmen enorm aufgeholt haben. Aber auch, weil sie vom chinesischen Staat unfair subventioniert werden. Und wir fragen uns: Wo bleibt die politische Antwort, wo bleibt eine China-Strategie der neuen Bundesregierung?“, so Kawlath.

Hoffnung durch Innovation

Gemeinsam mit McKinsey präsentierte der VDMA auf dem 15. Deutschen Maschinenbau-Gipfel in Berlin die Studie „Wettbewerbsfähigkeit in einer neuen Ära“. Diese zeichnet ein klares Bild der Herausforderungen und Chancen für den europäischen Maschinen- und Anlagenbau. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus China und des rasanten technologischen Wandels durch Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit müsse sich die Branche grundlegend erneuern. „Unsere traditionellen Stärken reichen nicht mehr – jetzt ist der Moment, den Maschinenbau neu zu erfinden“, betont Bianca Illner, Abteilungsleiterin Business Advisory beim VDMA.

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Die Analyse zeigt: Der globale Wettbewerb verschärft sich, neue Anbieter drängen mit aggressiven Preisen und hoher Innovationsgeschwindigkeit auf die Märkte. Erfolg werde künftig durch acht zentrale Faktoren bestimmt – von operativer Exzellenz und Innovationskraft bis zu geopolitischer Resilienz. Die Studie benennt zudem sechs konkrete Handlungsfelder, darunter konsequentes Kostenmanagement, neue Märkte, den Ausbau des Servicegeschäfts und der Aftersales sowie Investitionen in grüne Technologien, Robotik, Automatisierung und Verteidigungstechnik.

„Herbst des Handelns“ gefragt

VDMA-Präsident Bertram Kawlath drängt im sogenannten „Herbst der Reformen“ auf ein entschiedenes politisches Umsteuern. Im Mittelpunkt müsse die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Europa stehen. „Nur ein industriell starkes Deutschland kann den Wohlstand hier und auch in Europa sichern“, betonte er. Der Standort leide unter einem „großen Kostenproblem“ – von Bürokratie und Steuern über Lohnnebenkosten bis zu Energiepreisen. Überall müsse angesetzt werden, so Kawlath, auch wenn das unbequeme Entscheidungen erfordere. „Ein Sozialstaat, dessen Abgabenquote immer mehr in Richtung 50 Prozent steuert, ist nicht haltbar“, warnte er.

Der VDMA fordert deshalb eine klare wirtschaftspolitische Agenda, die zeigt, wie Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und soziale Sicherheit zugleich gesichert werden können. „Nennen Sie es Agenda 2030 oder anders – aber dieser Kurs muss jetzt beschlossen und beherzt verfolgt werden“, sagte Kawlath. „Es ist keine Zeit mehr für lange Debatten in Kommissionen oder Koalitionsstreitigkeiten. Wir brauchen einen Herbst des Handelns.“

Gerade der exportorientierte Maschinen- und Anlagenbau brauche einen starken Heimatmarkt – in Deutschland ebenso wie in Europa. „Wir müssen Deutschland und Europa erfolgreicher im internationalen Wettbewerb machen, weil uns auf den wichtigen Märkten dieser Welt der Wind immer rauer ins Gesicht weht“, so Kawlath.



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