„Noch nie dagewesene Schließungswelle“: Deutschlands Apotheken in der Krise

In Kürze:
- Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt auf historischen Tiefstand (17.401)
- ABDA-Präsident Thomas Preis warnt vor Versorgungslücken
- Koalition plant Erhöhung des Apothekenhonorars auf 9,50 Euro
- Forderung: Mehr Kompetenzen für Apotheken und Stopp des Versandhandels
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) schlägt Alarm: In Deutschland zeichnet sich ein Apothekensterben historischen Ausmaßes ab. In einem Interview mit der „Welt“ spricht ABDA-Präsident Thomas Preis von einer „noch nie dagewesenen Schließungswelle“. Tatsächlich ist die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland von 21.592 im Jahr 2000 auf nur noch 17.401 im Vorjahr gesunken.
Dazu beigetragen hat nicht nur der Onlineversandhandel, der laut Preis „die wohnortnahe Versorgung“ zerstört. Der ABDA-Präsident fordert deshalb auch ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente.
Nur 48 Apotheken im Vorjahr neu gegründet
Abgesehen von solchen Faktoren seien es jedoch wirtschaftlicher Druck und fehlender Nachwuchs, die viele junge Menschen davon abhielten, sich mit einer Apotheke selbstständig zu machen. In ganz Deutschland hätte es in diesem Segment im Vorjahr lediglich 48 Neugründungen gegeben.
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Ein Grund dafür sei der immer engere finanzielle Spielraum. Das an die Apotheken bezahlte Fixhonorar von derzeit 8,35 Euro sei seit 13 Jahren nicht mehr erhöht worden, kritisiert der ABDA-Präsident. Im Koalitionsvertrag ist nun eine Erhöhung auf 9,50 Euro vorgesehen. Dies sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings reiche dieser nicht aus. Die geplante Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro würde die Effekte wieder neutralisieren. Um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, wären nach Überzeugung des Verbandschefs mindestens 12 Euro an Fixhonorar erforderlich.
Verbandschef kritisierte Abspeckmodell
Der Verbandschef beklagt außerdem bürokratische Hürden und fehlende Spielräume für die Apotheken. Dabei habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass die Pharmazeuten die Ärzte bei einigen Routineaufgaben entlasten könnten. So könnten die Apotheken Impfungen vornehmen. Sie eigneten sich auch als „niedrigschwellige Anlaufstelle für mehr Präventions- und Früherkennungsmaßnahmen“.
Karl Lauterbach habe zu seiner Zeit als Gesundheitsminister hingegen die Notwendigkeit einer flächendeckenden, ununterbrochenen Präsenz von Apotheken in Zweifel gezogen. Tatsächlich hielt Lauterbach über mehrere Orte verteilte Apothekenverbünde mit reduzierten Öffnungszeiten und eingeschränkter Ausstattung für ausreichend.
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Preis fordert hingegen einen Erhalt der Präsenz und eine stärkere Einbindung in die Gesundheitsversorgung auf niedrigschwelliger Ebene. Immerhin sei Apotheker ein Heilberuf. Dieser brauche Handlungsspielräume. Stattdessen müssten die Apotheken trotz des 2023 eingeführten Lieferengpassgesetzes noch mit zusätzlichen Lieferengpässen kämpfen.
Trump-Zölle könnten auch deutsche Apotheken weiter unter Druck setzen
Die Zahl der nicht lieferbaren Medikamente sei zuletzt sogar gestiegen – von knapp 500 Ende 2024 auf mittlerweile rund 550. Dies mache sich unter anderem bei Cholesterinsenkern, ADHS-Medikamenten und Präparaten gegen psychische Beschwerden bemerkbar. In vielen Bereichen wie Antibiotika für Kinder gebe es auch keine völlig gleichwertigen wirkstoffgleichen Präparate.
Auch die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zollpläne im Pharmabereich könnten hiesige Apotheken vor Probleme stellen. In Rede steht ein Zollaufschlag von bis zu 250 Prozent – was sowohl Auswirkungen auf die Preise als auch auf die Verfügbarkeit hätte. Trump erklärte, infolge des „sozialistischen Gesundheitssystems“ müssten die Pharmakonzerne in Europa die Preise rabattieren, um Marktzugang zu erhalten. Dies machten sie durch umso größere Aufschläge in den USA wett.
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Der US-Präsident hatte großen Pharmakonzernen wie Pfizer, Novartis oder Boehringer Ingelheim in der Vorwoche eine 60-Tage-Frist für Preissenkungen gesetzt. Bereits im Mai war eine 30-Tage-Frist ergebnislos abgelaufen. Trump hatte zudem ein Dekret unterzeichnet, das die Preise für rezeptpflichtige Medikamente in den USA deutlich senken solle. Kommt es zu keiner Einigung in letzter Minute, droht der Zollhammer.
Trump will zudem die US-Produktion für den eigenen Markt reservieren („America First“). Das bedeutet: Die USA könnten weniger Wirkstoffe oder Fertigarzneien für den Export freigeben. Für Deutschland, wo viele Generika aus internationalen Lieferketten stammen, könnte das die schon bestehenden Engpässe in einigen Bereichen weiter verschärfen.
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