„Teil eines größeren Trends“ – Chemiechef warnt vor Industrie-Exodus aus Europa
                            In Kürze:
- INEOS Inovyn schließt zwei Chemiewerke in Rheinberg, NRW; 175 Arbeitsplätze betroffen.
 - CEO Stephen Dossett: „Europa würgt seine Industrie ab.“
 - Energiepreise, CO₂-Kosten und chinesische Billigimporte als Hauptursachen benannt.
 - Der Verband der Chemischen Industrie warnt vor weiterem Exodus der Branche.
 
„Europa würgt seine Industrie ab.“ So lautet die Einschätzung des Chefs von Ineos-Tochter INEOS Inovyn, der zu Beginn der Woche die Schließung zweier Werke in NRW bekannt gab. Mit dem Ende der zwei Werke des britischen Chemiekonzerns wären in Rheinberg, Landkreis Wesel, 175 Arbeitsplätze betroffen. Man versuche, die noch verbliebenen Standorte in der Stadt zu erhalten, die 300 Menschen beschäftigen.
INEOS macht den Erhalt des Reststandorts von staatlicher Unterstützung abhängig
Bereits zuvor hatte INEOS Werke im britischen Grangemouth und im belgischen Geel geschlossen. Zudem hat das Unternehmen Standorte im französischen Tavaux und im spanischen Martorell stillgelegt. Auch in Gladbeck, Kreis Recklinghausen, werden, wie schon im Sommer verkündet wurde, 279 Arbeitsplätze wegfallen. Erhalten bleiben soll vorerst die PVC-Produktion in Rheinberg. Allerdings stellt der Konzern auch dort die Rute ins Fenster. In einer Presseerklärung heißt es:
„Wegen der beträchtlichen örtlichen Umstellungskosten ist die Unterstützung des Staats unabdingbar.“
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An den betroffenen Standorten hat INEOS essenzielle Chemikalien produziert. Eine elektrochemische Anlage stellte Chlor zur Desinfektion von Wasser sowie für industrielle Prozesse und sanitäre Einrichtungen her.
Ein anderer Bereich produzierte Elemente von Epoxidharzen, die in der Rüstungsproduktion, der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbau und auch in der Infrastruktur für erneuerbare Energien von Bedeutung sind.
„Wirtschaftlicher Irrsinn und ökologische Heuchelei“
In der Erklärung nimmt das Unternehmen kein Blatt vor den Mund und stellt der europäischen Politik ein vernichtendes Zeugnis aus. INEOS weist darauf hin, dass die Produktion in dem Bereich seit 2019 um 18 Prozent gesunken ist. Die Schließungen seien „Teil eines größeren Trends, da Europas Wettbewerbsfähigkeit einbricht“. Der CEO von INEOS Inovyn, Stephen Dossett, wird noch deutlicher:
„Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem gut ausgestattete, effiziente europäische Werke schließen, während die Emissionen weltweit steigen. Dies ist nicht nur wirtschaftlicher Irrsinn. Das ist ökologische Heuchelei.“
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Der CEO weist primär auf zwei Faktoren hin, die zu einem perspektivischen Exodus der Chemieproduktion aus Europa führen. Das eine seien nicht mehr konkurrenzfähige Energiepreise, die nicht zuletzt durch immer höhere CO₂-Preise getrieben würden. Das andere sei eine zunehmende Billigkonkurrenz aus Asien, speziell China, gegen die es keinen Zollschutz gebe.
INEOS bezeichnet sich als „Europas größter Hersteller von Vinylchloriden und weltweit führend im Bereich Spezial-PVC“. Das Unternehmen erzielte einen Jahresumsatz von 3,2 Milliarden Euro, hat etwa 4.200 Mitarbeiter und ist in acht Ländern Europas tätig.
Das Unternehmen erklärte, dass es bereit sei, „eine Schlüsselrolle beim Übergang zur Netto-Null-Emissionswirtschaft zu übernehmen, indem es Produkte mit geringem Treibhausgasausstoß produziert und neue Technologien für das Recycling von PVC entwickelt“.
INEOS will „schützen, was noch machbar ist“
Konkurrenten wie die USA und China profitierten von billiger Energie. Gleichzeitig sorge fehlender Zollschutz dafür, dass chinesische Billigexporte europäische Produzenten vom Markt verdrängten. China kämpft derzeit selbst mit einer stagnierenden Wirtschaft und muss auf Exporte setzen. Die USA machen es dem Land durch Zollschranken schwerer. Emissionsintensive Exportgüter gehen deshalb auf den europäischen Markt.
Ein Grund dafür, dass China Chemikalien so günstig herstellen kann, ist vergünstigtes russisches Öl – auf das Europa freiwillig verzichten will. Für Dossett schafft dieses Zusammenspiel an Faktoren eine nicht mehr hinnehmbare Entwicklung:
„Es ist völlig unnachhaltig und wird, wenn es nicht sofort angegangen wird, zu weiteren Schließungen, Arbeitsplatzverlusten und einer zunehmenden Abhängigkeit von anderen Regionen bei lebenswichtigen Materialien führen.“
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INEOS Inovyn werde „eng mit Partnern und Mitarbeitern zusammenarbeiten, um die Auswirkungen zu minimieren“. Man wolle „schützen, was noch machbar ist“. Allerdings könne man das als Unternehmen nicht allein. Es müsse der politische Wille zum Erhalt des Standorts vorhanden sein:
„Wenn die Regierungen die strategische Produktion in Europa halten möchten, müssen sie helfen, diesen Übergang zu leiten und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.“
VCI drängt Politik zu raschen Reformen
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnt, dass INEOS kein Ausreißer sei, sondern repräsentativ für die Stimmung in der Branche insgesamt. Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup äußerte, die Hoffnungen auf eine konjunkturelle und wirtschaftspolitische Wende in Deutschland hätten sich zerschlagen.
Komme es nicht zu raschen Reformen, um Stromkosten, „Monsterbürokratie“ und Regulierung zu verringern, stehe die industrielle Zukunft insgesamt auf dem Spiel. Erst vor wenigen Tagen hat VCI-Präsident Markus Steilemann im Namen der Mitgliedsunternehmen einen Politikbrief verfasst. Darin fordert der Verband die zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag angeklungenen „Chemieagenda 2045“ für mehr Wettbewerbsfähigkeit.
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Die Auslastung der Anlagen in der deutschen Chemieindustrie ist mit nur noch 71 Prozent an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Es fehle an Nachfrage und die Verkaufspreise befänden sich im freien Fall. Gleichzeitig haben einer Datenanalyse des „Handelsblatts“ zufolge die Einfuhren von Chemikalien und Kunststoffen aus China nach Europa im ersten Halbjahr um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugenommen.
                        
                        
                        
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