VW verliert vor Gericht: Diesel-Urteil könnte Millionen Fahrzeuge treffen

In Kürze:
- Oberverwaltungsgericht Schleswig erklärt altes Software-Update für bestimmten VW-Dieselmotor für unzulässig
- Bei Rechtskraft des Musterklage-Urteils droht Millionen Dieselfahrern Ärger
- VW will sich vor dem Bundesverwaltungsgericht wehren
- Zeitpunkt einer endgültigen Entscheidung unklar
Aufgrund eines neuen Urteils des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig-Holstein droht Millionen Dieselfahrern in Deutschland schlimmstenfalls die Zwangsstilllegung ihres Fahrzeugs.
Der 4. Senat des OVG hatte am 25. September 2025 in zweiter Instanz entschieden, dass ein bestimmter Software-Trick für die Motorsteuerung nicht zulässig sei, mit der die Zweilitermaschine des Golf Plus TDI aus dem Jahr 2016 die Abgasgrenzwerte erreichen sollte (Az.: 4 LB 36/23).
Mit dem nun verkündeten Verbot für das „Thermofenster“ in einer Update-Software aus dem Jahr 2016 unterlagen das Flensburger Kraftfahrtbundesamt (KBA) und die ohnehin gebeutelte Volkswagen AG erneut der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die NGO hatte gegen den Betrieb des mit der Abgasstufe Euro 5 konzipierten EA189-Motors geklagt, weil dieser zu hohe Stickstoffdioxidmengen ausstoße und damit Menschenleben gefährden könne.
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Klageseite jubelt: Womöglich Millionen Fahrzeuge betroffen
Nach Einschätzung der DUH erstreckt sich das Urteil in dem aktuellen „Musterfahren“ aber nicht nur auf den EA189-Motor von VW, sondern auch auf alle anderen Dieselaggregate, die derzeit unter den Abgasnormen Euro 5 bis Euro 6c in Deutschland laufen und „illegale Abschalteinrichtungen“ an Bord haben. Betroffen seien somit 7,8 Millionen Fahrzeuge – eine Einschätzung der Umweltschutzorganisation, die das Gericht selbst nicht bestätigt hat.
„Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder muss nun das Kraftfahrt-Bundesamt anweisen, das Urteil zu akzeptieren und die 7,8 Millionen Betrugsdiesel-Pkw entweder mit einem auch in den Wintermonaten wirksamen Abgasreinigungssystem nachrüsten oder stilllegen zu lassen, samt finanzieller Entschädigung der Fahrzeughalter durch die betrügerischen Dieselkonzerne“, forderte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
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Nachrüstlösung mit Nachteilen verbunden
Für viele Fahrzeuge scheint eine Nachrüstung allerdings nahezu unmöglich zu sein: Nach „Focus“-Informationen fehle es an den dazu nötigen Anbauteilen. Zudem sei es kaum möglich, die Hardware in ausreichender Zahl herzustellen und einzubauen. Und selbst wenn sie nachrüstbar wären, müssten die Autobesitzer mit Nachteilen wie einer kürzeren Lebensdauer des Motors, Verbrauchssteigerungen und höheren CO₂-Emissionen leben.
Im Gespräch mit dem MDR erinnerte DUH-Geschäftsführer Resch daran, dass noch über 110 ähnlich gelagerte Verfahren beim Verwaltungsgericht Schleswig ruhten. Diese Streitfälle beträfen neben Mercedes und BMW auch ausländische Hersteller. Er gehe davon aus, dass die Rechtsstreitigkeiten „nach der Entscheidung dieses Musterverfahrens wahrscheinlich relativ zügig durchentschieden werden“.
Nach Informationen des „Focus“ könnten sogar zehn Millionen Fahrzeuge ihre Betriebserlaubnis verlieren, wenn das OVG-Urteil Rechtskraft erlangen sollte. In diesem Fall wären sämtliche gängigen Marken von Audi bis Volvo betroffen.
KBA-Freigabe für Software-Updates illegal
Bislang ist das OVG Schleswig der DUH-Argumentation nur im Streitfall um den 2016er-Golf Plus TDI gefolgt. Das Gericht wies das KBA an, seine bereits erteilten Freigabebescheide für die nun als rechtswidrig erachtete Schadstoffminimierungsprogramme zurückzuziehen. „Das Software-Update für die Motorsteuerung dieses Fahrzeugtyps enthielt zwei unzulässige Abschalteinrichtungen der Abgasrückführung“, begründete das OVG seine Anweisung in einer Pressemitteilung.
Konkret beanstandeten die OVG-Richter, dass das bisher genutzte Updateprogramm die Abgasrückführung bei Außentemperaturen unter 10 Grad Celsius und „bei niedrigem Umgebungsdruck oberhalb von 1.000 Höhenmetern“ automatisch abschalte und somit mehr Schadstoffe emittiere als eigentlich erlaubt. Die Nutzung eines solchen Thermofensters sei aber allenfalls zum Zweck des Motorschutzes zulässig, ansonsten im Alltag nach europäischem Recht grundsätzlich nicht.
Außerdem verpflichtete das OVG das KBA, „die Volkswagen AG umgehend aufzufordern, innerhalb eines angemessenen Zeitraums alle geeigneten Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um die Übereinstimmung der betroffenen Fahrzeuge mit dem geltenden Recht herzustellen“.
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KBA und VW hatten laut MDR bislang stets argumentiert, dass das Thermofenster den Motor vor einem Ausfall und damit auch die Passagiere schütze:
„Das vom Kraftfahrtbundesamt geprüfte und bestätigte Thermofenster schützt vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall. Die Risiken wiegen so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen können.“
OVG-Spruch bislang nicht rechtskräftig: VW will Beschwerdeweg gehen
Der OVG-Beschluss ist bisher nicht rechtskräftig. Die Richter ließen die Option einer Revision zwar nicht zu. Der Volkswagen AG und dem KBA stehe aber der Weg frei, innerhalb eines Monats nach Vorlage der schriftlichen Urteilsbegründung Beschwerde gegen diese Revisionsnichtzulassung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu erheben.
Insbesondere VW will diesen Weg offenbar nutzen: „Volkswagen wird Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht einlegen“, legte sich der größte deutsche Autokonzern gegenüber dem „Focus“ fest. Die aktuelle Entscheidung betreffe ohnehin nur „eine niedrige fünfstellige Zahl von Golf Plus Fahrzeugen“ mit bestimmten Motorkennbuchstaben. Zumindest bis zur Rechtskraft müssten die Fahrer nicht mit Stilllegungen oder Hardware-Nachrüstungsaufforderungen rechnen.
Das KBA gab sich in einer schriftlichen Stellungnahme schon vorsichtiger:
„Eine Bewertung kann erst nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe erfolgen.“
Das KBA und die Volkswagen AG waren bereits in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gescheitert. Die Freigabe der Update-Software durch das KBA infolge des 2015 aufgedeckten Dieselskandals hätte niemals stattfinden dürfen, entschieden die Verwaltungsrichter schon am 20. Februar 2023 (Az.: 3 A 113/18).
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