Der strategische Wettlauf zwischen USA und China: Wohin steuert die Weltpolitik?

Weltweit verschieben sich Macht- und Einflussverhältnisse, und digitale Technologien werden zum zentralen Hebel strategischer Interessen. Die USA und China treiben den Wettstreit entschlossen voran, während Europa um Orientierung und Eigenständigkeit ringt. Diese Entwicklung berührt Sicherheit, Souveränität und das tägliche Leben vieler Menschen ganz unmittelbar.
Während des Gaza-Kriegs kamen US-Drohnen vom Typ MQ-9 Reaper zum Einsatz. (Archivbild)
Eine MQ-9 „Reaper“-Drohne der US-Streitkräfte: Symbol für die wachsende Bedeutung autonomer Systeme in militärischen Konflikten.Foto: Massoud Hossaini/AP/dpa
Von 5. November 2025

In Kürze:

  • USA und China liefern sich einen strategischen Technologiewettbewerb
  • Automatisierte Systeme beeinflussen zunehmend militärische Entscheidungen
  • Fehlende internationale Regeln für den Einsatz autonomer und digital gesteuerter Waffensysteme erhöhen das Risiko von Eskalationen, Fehlentscheidungen und unbeabsichtigten Konflikten

 

Globale Machtverschiebungen prägen heute nicht nur internationale Beziehungen, sondern auch die Entwicklung neuer Technologien. Besonders Systeme, die Entscheidungen automatisieren oder sicherheitsrelevante Prozesse steuern, gewinnen in diesem Spannungsfeld an Bedeutung. Das gerade im Open Access bei Springer Vieweg erschienene Buch „Künstliche Intelligenz und Wir“ widmet sich genau dieser Frage und beleuchtet, wie Technik, Politik und Gesellschaft immer enger miteinander verflochten sind.

„Lange mussten Sie auf ein umfassendes, transdisziplinäres Lehrbuch zu Künstlicher Intelligenz warten – jetzt ist es da und bietet Ihnen viele Einblicke in den Stand der Technikentwicklung und der Anwendungen von Künstlicher Intelligenz“, schreibt Frank Schmiedchen, Leiter der Studiengruppe Technikfolgenabschätzung der Digitalisierung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW), im Vorwort des Buches.

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Dieser Artikel nimmt das Kapitel „Werte-Renaissance und neue Weltordnung“ in den Fokus. Es zeigt, wie sich wirtschaftliche und politische Machtzentren verschieben, und gleichzeitig im Westen eine Debatte darüber entsteht, welche Werte und Leitbilder unsere Gesellschaft künftig prägen sollen. Beides hängt zusammen: Wer die technologischen Standards setzt, prägt auch die Regeln, nach denen wir leben. Und genau hier entscheidet sich, wie Sicherheit, Freiheit und politische Handlungsfähigkeit in einer neuen Weltordnung austariert werden. Welche Rolle spielen dabei automatisierte, militärisch relevante Systeme? Und was bedeutet das für die Zukunft globaler Stabilität? Die folgenden Abschnitte gehen diesen Fragen nach.

Geopolitische Machtverschiebungen

KI wird nicht nur für die militärische Aufklärung und Krisenfrüherkennung genutzt, sondern auch als Waffe. Schmiedchen nennt mehrere Beispiele für den militärischen Einsatz von KI: Autonome Waffensysteme, die eigenständig Ziele identifizieren und angreifen, stellen neue Herausforderungen für Kontrolle und Regulierung dar. KI wird auch zur Krisenfrüherkennung und militärischen Aufklärung eingesetzt. Zusätzlich kommt KI in Cyberangriffen und Desinformationskampagnen zum Einsatz, die demokratische Prozesse destabilisieren können. Diese Entwicklungen verdeutlichen, wie KI die internationale Sicherheit beeinflussen könnte.

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KI-Algorithmen sind sogenannte „Dual-Use-Werkzeuge“, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Ein besonders kritischer Punkt ist die Frage, wie weit KI in militärische Entscheidungsabläufe eingebunden wird – vor allem in Situationen, in denen nur wenig Zeit für eine Reaktion zur Verfügung steht, etwa bei der Abwehr von Raketenangriffen. Schmiedchen weist darauf hin, dass eine zu weitgehende Automatisierung in solchen zeitkritischen Bereichen das Risiko unbeabsichtigter Eskalationen erhöhen kann, weil Fehlinterpretationen von Daten dann kaum noch korrigiert werden können, bevor Entscheidungen umgesetzt werden.

USA und China: Der Wettlauf um KI-Technologie

Die USA sind weltweit führend in der Entwicklung von KI-Technologien. Gleichzeitig besitzen sie die größte Militärmacht. Diese doppelte Führungsrolle ermöglicht es den USA, den technologischen Fortschritt in der KI für ihre militärischen Zwecke zu nutzen und ihre globale Machtstellung zu sichern.

China hingegen hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht und ist inzwischen ein ernst zu nehmender Herausforderer. Schmiedchen weist darauf hin, dass China durch eine gezielte, auf langfristigen Erfolg angelegte Strategie die USA im Bereich der KI-Entwicklung herausfordert. Im Vergleich zu den USA nutzt China eine konzentrierte, kontinuierliche Innovationsstrategie, bei der neue Technologien rasch auf den Markt gebracht und ständig verbessert werden. Dies steht im Gegensatz zur amerikanischen Innovationskultur, die stärker von den Dynamiken des Wettbewerbs und der Risikobereitschaft geprägt ist.

In militärischer Hinsicht stellt China für die USA eine zunehmend größere Herausforderung dar, da es versucht, seine technologischen Fähigkeiten auszuweiten. Besonders hervorzuheben sind die Entwicklung autonomer Waffensysteme und KI-basierter Kriegsführung, die in Zukunft strategische Berechnungen in internationalen Konflikten beeinflussen könnten.

Europas Herausforderungen im Bereich der KI-Entwicklung

Schmiedchen geht in seinem Aufsatz auch auf die Rolle Europas im globalen KI-Wettlauf ein. Er betont, dass Europa im Vergleich zu den USA und China an technologischem Vorsprung verliert, insbesondere im sicherheitsrelevanten Bereich. Dies sei vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass Europa in der Vergangenheit weniger in die Entwicklung sicherheitsrelevanter KI-Anwendungen investiert hat und im internationalen Wettbewerb um Ressourcen und politische Unterstützung nicht mithalten konnte.

Ein weiteres Problem ist die europäische Haltung zur Regulierung von KI. Während die USA und China eine pragmatische Herangehensweise an die Entwicklung und den Einsatz von KI verfolgen, setzt Europa stärker auf vorsichtige Regulierung und ethische Standards. Schmiedchen weist darauf hin, dass diese Haltung zwar aus einer Sicherheits- und Menschenrechtsperspektive sinnvoll sei, jedoch dazu führe, dass Europa in der Entwicklung und Nutzung sicherheitsrelevanter KI hinter den führenden Nationen zurückbleibe.

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Europas begrenzte Möglichkeiten, eigene militärische KI-Fähigkeiten zu entwickeln, werden als eine der Hauptursachen für die wachsende Abhängigkeit von den USA genannt. Die EU befindet sich somit in einer schwierigen Lage, in der sie ihre Rolle in der globalen Sicherheitsarchitektur neu definieren muss.

Chinas „Grand Strategy“ und der Aufstieg einer multipolaren Weltordnung

Im Aufsatz wird weiter ausgeführt, dass China eine langfristige „Grand Strategy“ verfolge, die weit über die Entwicklung von KI hinausgehe. Ein zentraler Aspekt dieser Strategie sei der Ausbau Chinas globaler wirtschaftlicher und politischer Macht. Durch die Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative) hat China ein Netzwerk von Infrastrukturprojekten und politischen Allianzen aufgebaut, das seine geopolitischen Ziele unterstützt.

Schmiedchen unterstreicht, dass China den Aufstieg einer multipolaren Weltordnung anstrebe, in der die westliche Dominanz zurückgedrängt wird. In diesem Kontext spiele KI eine Schlüsselrolle.

Im Vergleich zum Westen verfolge China eine kohärente und langfristig angelegte Strategie, die nicht nur auf wirtschaftliche Vorteile abziele, sondern auch auf die Förderung eines stabilen politischen Umfelds, das die chinesischen Interessen weltweit stärkt.

Kulturelle Rückbesinnung auf traditionelle Werte

Schmiedchen zeigt in seinem Beitrag, dass die aktuellen geopolitischen Verschiebungen den lange vorherrschenden Anspruch des Westens auf die universelle Gültigkeit seiner politischen und gesellschaftlichen Werte herausfordern. Mit dem Aufstieg neuer Machtzentren werde auch innerhalb westlicher Gesellschaften wieder intensiver darüber diskutiert, welche kulturellen Leitbilder und normativen Grundlagen das eigene politische Handeln tragen sollen.

Diese Debatte reiche über identitäts- und gesellschaftspolitische Fragen hinaus und betreffe unmittelbar sicherheits- und technologiepolitische Entscheidungen. Denn ob der Schwerpunkt künftiger Regelwerke eher auf Offenheit und individueller Freiheit oder stärker auf Sicherheit, Kontrolle und kollektiven Interessen liegt, ist aus Schmiedchens Sicht nicht allein eine technische Frage. Ausdruck einer grundlegenden Neujustierung westlicher Selbstverständnisse.

Besonders westliche Werte wie Diversität und individuelle Freiheit stoßen in vielen Teilen der Welt zunehmend auf Widerstand. In Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas würden diese Werte oft als kulturelle Einmischung wahrgenommen, was zu einer Ablehnung des westlichen Moralimperialismus führe, wie der Autor betont.

China nutzt diese kulturellen Spannungen geschickt aus, um sich als globale Führungskraft zu positionieren und die westliche Hegemonie herauszufordern. Dabei baut China seine Politik auf den Prinzipien des Respekts für nationale Souveränität und kulturelle Unterschiede auf, was vielen Ländern, die sich vom Westen abwenden, als attraktiv erscheint.

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Diese kulturellen Differenzen haben auch Einfluss auf den Umgang mit KI. Während westliche Nationen bestrebt sind, KI-Entwicklungen unter ethischen Gesichtspunkten zu regulieren, könnte China in einer zunehmend multipolaren Weltordnung eine pragmatischere Herangehensweise verfolgen. Hierbei würde KI stärker von nationalen Interessen bestimmt werden, anstatt von universellen ethischen Prinzipien. Dies könnte zu einer weiteren Verschärfung der geopolitischen Spannungen führen und den internationalen Dialog über den Einsatz von KI im militärischen Bereich erschweren.

Regelwerk für militärischen Einsatz von KI

Im Hinblick auf die militärische Nutzung von KI fordert Schmiedchen eine dringende internationale Zusammenarbeit und ein systematisches Regelwerk für den Einsatz dieser Technologie. Der rasante Fortschritt in der KI-Entwicklung übersteigt oft die Fähigkeit nationaler und internationaler Normsetzung, mit den technologischen Veränderungen Schritt zu halten.

Diese Geschwindigkeit stellt eine große Herausforderung für die internationale Sicherheit dar, da KI-Technologien immer schneller weiterentwickelt werden, während gesetzliche Regelungen oft hinterherhinken.

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Besonders die großen Mächte wie die USA, China und die EU müssen in einen Dialog treten, um die Entwicklung von autonomen Waffensystemen zu regulieren und die damit verbundenen Risiken für den internationalen Frieden zu minimieren.

Die derzeitigen geopolitischen Spannungen und das schwindende Vertrauen zwischen den großen Nationen erschweren jedoch eine effektive Zusammenarbeit. Schmiedchen fordert ein internationales Regelwerk für den Einsatz von KI im militärischen Bereich, da technologische Entwicklungen schneller voranschreiten als sicherheitspolitische Kontrollmechanismen.



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