Forscher rekonstruieren Gesichter aus DNA

Eine Analyse der DNA kann sagen, ob eine Person der Täter ist oder nicht, sofern sie in einer Datenbank verzeichnet ist. Chinesische Forscher sind nun einen Schritt weiter und können aus einer DNA-Probe ein 3D-Fahndungsfoto erstellen. Auch anonymisierte Daten könnten so wieder ein Gesicht bekommen und den ursprünglichen Personen zugeordnet werden.
Täter sicher überführen? Forscher rekonstruieren Gesicht aus DNA
Schon länger versuchen Forscher, den Zusammenhang zwischen DNA und Gesichtsmerkmalen herzustellen.Foto: Prostock-Studio/iStock
Von 3. Juni 2025

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten Täter nur überführt werden, wenn Augenzeugen ihre rechtswidrige Handlung beobachteten. Dies änderte sich grundlegend mit der Erforschung unserer Gene und der DNA.

1985 gelang es dem britischen Biochemiker Sir Alec John Jeffreys, einen DNA-Test zu entwickeln, mit dem Schuldige fortan nur durch eine Blut-, Haar- oder Speichelprobe ihrer Tat überführt wurden. Nach gerade einmal zwei Jahren war der Test so zuverlässig, dass erstmals ein Mörder identifiziert und gefasst werden konnte, während gleichzeitig zu Unrecht inhaftierte Personen entlassen wurden.

Allerdings funktioniert dies nur, wenn eine DNA-Probe des Täters zum Vergleich vorliegt – sei sie kürzlich entnommen oder in Datenbanken gespeichert. Wenn dies nicht der Fall ist, tappen Ermittler weiter im Dunkeln.

Eine Erfindung chinesischer Forscher könnte dies ändern. Das von ihnen entwickelte Modell namens „Difface“ kann allein anhand der DNA ein dreidimensionales Gesichtsbild rekonstruieren und unerkannten Tätern so ein Gesicht geben. Dies ermöglicht schließlich, mithilfe von Bilddatenbanken und Überwachungskameras dem Täter auf die Spur zu kommen.

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In DNA codiertes Gesicht

Auch bei dem neu entwickelten Modell ist die DNA der Schlüssel zum Erfolg. Die Desoxyribonukleinsäure ist ein langer Strang aus chemischen Verbindungen, in denen unsere Erbinformation enthalten ist.

Etwa 99,9 Prozent der menschlichen DNA sind in der gesamten Bevölkerung identisch. In dem restlichen 0,1 Prozent sind jene persönlichen Merkmale codiert, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden, wie die Haar- und die Augenfarbe. Aber auch markante morphologische Merkmale sind darin enthalten. Für Forensiker sind besonders die speziellen Merkmale des Gesichts von großem Interesse: Nase, Augen, Mund.

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In der Vergangenheit konnten Phantombilder, also Gesichtsrekonstruktionen eines Täters anhand der Beschreibung von Zeugen, mehrfach Täter erfolgreich überführen. Mit Difface benötigen Mingqi Jiao und seine Kollegen von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften nun keine Augenzeugen mehr, sondern nur eine DNA-Probe vom Tatort.

Bereits in früheren Projekten versuchten Forscher weltweit, den Zusammenhang zwischen genetischen Daten und Gesichtsmerkmalen herzustellen. Doch bei keinem der Versuche war bislang eine Gesichtsrekonstruktion möglich.

Phantombilder kommen häufig zum Einsatz, um Straftäter zu finden oder die Gesichter von Opfern zu rekonstruieren. Foto: Polizei Berlin, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Erprobt an Chinesen, anwendbar auf alle

Mit Difface sei dies jetzt möglich, auch in großem Maßstab, weshalb es sich nicht nur für die forensische Identifizierung, sondern auch für die personalisierte Medizin eigne, wie die Forscher in ihrer Studie wiederholt erwähnen. Das Modell verbindet komplexe genetische Informationen mit sichtbaren Gesichtsmerkmalen. Auch die Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index ist möglich, jedoch bislang nicht Standard.

Die Forscher um Jiao trainierten und testeten Difface zunächst an 9.674 DNA-Proben der Han-China-Datenbank. Damit schöpfte das Modell aus einem großen, aber relativ homogenen Pool genetischer Daten, da die Gesichtsmerkmale der chinesischen Bevölkerung deutlich weniger divers sind als etwa die der Europäer.

Je mehr Variationen es gibt, desto höher ist die mögliche Fehlerquote. Die größte Variationsbreite gibt es bezüglich der menschlichen Nase. Allein in der chinesischen Bevölkerung, die für ihre relativ breiten und flachen Nasen bekannt ist, gibt es 107 genetische Varianten. Dennoch zeigte das Modell „eine hervorragende Leistung“ und konnte „3D-Gesichtsbilder von Individuen allein aus ihren DNA-Daten generieren“, so die Forscher in ihrer Studie. Das beschränkt sich nicht allein auf chinesische Gesichter.

Sichtbare Gesichtsmerkmale sind in der DNA codiert

Die Variabilität der sichtbaren Gesichtsmerkmale variiert von Population zu Population. Foto: Jun/iStock

Weiterhin war Difface in der Lage, Gesichter in allen künftigen oder vergangenen Altersstufen darzustellen und die natürliche Variabilität der menschlichen Gesichtszüge widerzuspiegeln. Zudem konnte das Modell zwischen korrekten und falschen Rekonstruktionen unterscheiden, also ob die genetischen Daten zu einem bestimmten Gesicht passen. Damit übertreffe Difface alle bisherigen Modelle in ihrer Effizienz, was die Forscher primär auf das zum Training verwendete sogenannte kontrastive Lernen zurückführen.

DNA bringt Tücken für die Technik

Derart genaue Details sind indes nur mit entsprechend umfassenden Daten möglich. Mit abnehmender Datenqualität und abnehmendem Datenumfang verliere Difface die Fähigkeit, bestimmte Gesichtsmerkmale wie das Nasenprofil, die Form der Nasenspitze und das Aussehen der Wangenknochen genau zu kategorisieren, so die Forscher.

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Waren nur noch etwa zwei Drittel der erforderlichen Datenpunkte verfügbar, „begannen die Rekonstruktionen, an individueller Spezifität zu verlieren, und konvergierten in Richtung einer allgemeineren Gesichtsstruktur“. Mit anderen Worten: Sind zu wenige Daten vorhanden, sehen alle rekonstruierten Gesichter gleich aus. Weiter schrieben die Forscher:

„Diese Ergebnisse ebnen den Weg für die zukünftige Erforschung der genetischen Grundlagen der Gesichtsarchitektur und bieten potenzielle Ziele für die Erforschung der Auswirkungen genetischer Variationen auf die Gesichtsstruktur.“

Die Gesichtsrekonstruktion wird auch in der Geschichte angewendet, wie hier bei Johann Sebastian Bach. Foto: Bachhaus Eisenach, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Weitere Verbesserungsmöglichkeiten gebe es hinsichtlich der Robustheit des Modells und seiner Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Datensätze. Dann ist das Modell nach Aussagen der Entwickler auch für andere Populationen einsatzfähig. Auch wenn Difface an der chinesischen Bevölkerung mit weniger verschiedenen Gesichtsmerkmalen getestet wurde, habe es das Potenzial, die spezifischen Beziehungen zwischen DNA und Gesichtsmerkmalen in verschiedenen Populationen zu lernen.

Außerdem sollen künftig weitere Variablen wie Alter und BMI einbezogen werden. Damit soll Difface altersbedingte Veränderungen noch besser wiedergeben und noch genauere Gesichtsrekonstruktionen für eine Reihe von Körpertypen erstellen können.

Ade Privatsphäre?

Die Innovation bringt jedoch auch ethische und rechtliche Herausforderungen mit sich, insbesondere in Bezug auf den genomischen Datenschutz. Zu den erheblichen Risiken gehören die potenzielle Reidentifizierung, die unbefugte Datennutzung und komplexe rechtliche Fragen zum Dateneigentum. Denn neben der Forensik kann die Erfindung auch im Gesundheits- und Versicherungswesen eingesetzt werden.

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In der Forensik bietet die Technologie zwar Vorteile bei der Identifizierung von Personen anhand von genetischem Material, doch könnte ein unsachgemäßer Einsatz zu erheblichen Schäden führen – einschließlich ungerechtfertigter Verurteilungen und rassistischer oder ethnischer Profilerstellung. Und da mit Difface die Vorhersage körperlicher Merkmale aus genetischen Informationen möglich ist, äußerten die Forscher Bedenken hinsichtlich des Missbrauchs sensibler personenbezogener Daten hin zu genetisch bedingter Diskriminierung.

Im Gesundheits- und Versicherungswesen besteht zudem die Gefahr, dass genetische Informationen zur Diskriminierung von Personen auf der Grundlage vermeintlicher Gesundheitsrisiken verwendet werden.

Die Forscher weisen daher auf die Notwendigkeit einer gründlichen Diskussion zwischen Datenschützern und politischen Entscheidungsträgern hin, um die innovative Erfindung mit dem Recht auf Privatsphäre zu vereinen. Wie, wo, wann und von wem das Modell künftig eingesetzt wird, bleibt also noch zu klären.

Die Studie erschien am 7. Mai 2025 im Fachmagazin „Advanced Science“.



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