34 Fälle beobachtet: Orcas teilen ihre Beute mit Menschen – aber warum?

Berichte über Wildtiere, die versuchen, den Menschen mit Nahrung zu versorgen, sind äußerst selten. Dennoch registrierten Forscher 34 Fälle allein mit Orcas. Doch welchen Zweck verfolgen die schlauen Tiere damit?
Orcas teilen ihre Beute mit Menschen – aber warum?
Forscher haben 34 Fälle nachgewiesen, in denen wild lebende Orcas ihre Beute mit Menschen teilen wollten.Foto: kjekol/iStock
Von 16. Juli 2025

In Kürze:

Orcas werden in Interaktion mit dem Menschen seit 2020 immer verhaltensauffälliger.

34 Fälle sind inzwischen bekannt, in denen wild lebende Orcas ihre Beute mit Menschen teilen wollten.

Unklar ist derzeit, wieso die Tiere – ähnlich wie Hauskatzen – das sogenannte altruistische Verhalten zeigen.


 

Schwertwale, Killerwale oder kurz Orcas gehören zur Familie der Delfine und sind berühmt-berüchtigte, schwarz-weiße Räuber der Polargebiete. In den vergangenen Jahren machten die sozialen und intelligenten Tiere immer wieder mit auffälligem Verhalten Schlagzeilen.

Seit Juli 2020 häufen sich die Begegnungen zwischen Schwertwalen und Menschen, bei denen es zu Zusammenstößen zwischen Tier und Schiff im Mittelmeer und dem Atlantikbereich um Gibraltar kommt. Als mögliche Gründe werden Spieltrieb, Hunger, Langeweile und negative Erfahrungen mit Schiffen diskutiert.

[etd-related posts=“4701345″]

Jetzt haben Biologen ein neues Verhaltensmuster der Orcas entdeckt, das ihnen ebenfalls Rätsel aufgibt: Die Killerwale bieten in scheinbar freundschaftlicher Geste den Menschen in freier Wildbahn Nahrung an. Was steckt hinter dem mysteriösen, aber altbekannten Verhalten?

Schwarz-weiße Stubentiger der Meere

Wie eine Katze, die ihrem Besitzer einen Vogel oder eine Maus mit nach Hause bringt, bieten Orcas Menschen ihre Beute an. Diese Angewohnheit ist in Fachkreisen als altruistisches Verhalten bekannt.

Jenes uneigennützige und selbstlose Handeln gegenüber einem anderen Wesen tritt in der Natur primär innerhalb einer Art auf und konnte unter anderem bei verschiedenen Affenarten beobachtet werden. Seltener ist dieses Verhalten dagegen zwischen unterschiedlichen Arten wie Katze und Mensch oder wie in den neuesten Fällen zwischen Orcas und Menschen.

Orcas teilen ihre Beute

Aufnahmen von vier Orcas, die ihre Beute im Gesamten oder in Teilen dem Menschen gaben. Foto: Jared R. Towers (2025), doi.org/10.1037/com0000422 | CC BY-NC-ND 4.0

Seit zwei Jahrzehnten konnten Forscher bereits 34 Fälle von altruistischem Verhalten bei Orcas dokumentieren. Die Vorfälle ereigneten sich in den Ozeanen auf der ganzen Welt, von Kalifornien über Neuseeland und Norwegen bis Argentinien.

„Orcas teilen oft ihre Nahrung miteinander – eine prosoziale Aktivität, mit der sie Beziehungen zueinander aufbauen“, erklärte Jared R. Towers, unabhängiger Forscher und Hauptautor der Studie. „Die Tatsache, dass sie ihre Beute auch mit uns Menschen teilen, könnte zeigen, dass sie auch an einer Beziehung zu uns interessiert sind.“

Gemeinsames Essen mit Orcas

Towers und seine Kollegen sammelten und analysierten Informationen über 34 Vorfälle von Essensangeboten, die sie und andere erlebten. In elf Fällen (32 Prozent) befanden sich die Menschen dabei im Wasser, als die Orcas sich ihnen näherten. In weiteren 21 Fällen (62 Prozent) befanden sich die Menschen auf Schiffen und in zwei Fällen (6 Prozent) am Ufer. Einige wurden auf Video und Fotos festgehalten, andere Ereignisse wurden in Interviews mit den Forschern beschrieben.

Um in die Analyse einbezogen zu werden, mussten die Vorfälle strenge Kriterien erfüllen. In jedem Fall mussten sich die Wale den Menschen von selbst genähert haben – die Menschen durften sich den Tieren nicht nähern – und die Orcas mussten ihre Beute vor den Menschen loslassen.

Räumlicher und zeitlicher Überblick über die Beutespenden der Orcas. Abkürzungen und Farben beschreiben Meeresregionen: E = Östlicher, W = Westlicher, N = Nord-, T = Tropischer, S = Süd-, A = Atlantik, P = Pazifik. Foto: Jared R. Towers (2025), doi.org/10.1037/com0000422 | CC BY-NC-ND 4.0

Fast in allen Fällen – außer einem – warteten die Orcas ab, was passierte, nachdem sie das Angebot gemacht hatten. Siebenmal, nachdem die Menschen diese Geste ignoriert hatten, versuchten es die Tiere abermals und boten das Futter wieder und wieder an.

Außerdem handelte es sich bei den freundlichen Walen sowohl um weibliche als auch männliche Tiere sowie Orcas aller Altersklassen – vom Kalb bis zum ausgewachsenen Wal. Meist übergaben einzelne Orcas die Beute – seltener Paare oder Gruppen. Unter den Speisespenden befanden sich ganze und halbe Fische, Säugetiere, wirbellose Tiere, Vögel, ein Reptil und Seegras.

[etd-related posts=“4639466″]

Warum die nette Geste?

Dieses gütige Verhalten ist zwar bei domestizierten Tieren häufig und gut bekannt, kaum jedoch bei wilden, nicht domestizierten Tieren. Zu den seltenen Ausnahmen zählen hier Interaktionen zwischen Menschen und Affen sowie zwischen Menschen und Wölfen. Die aktuelle Studie beschreibt daher erstmals ganz detailliert die Abläufe zwischen Mensch und Wildtier.

Für die Biologen ist dies nicht überraschend, da Orcas intelligente und soziale Tiere sind, die das Teilen von Nahrung als Mittel zum Aufbau von Beziehungen nutzen. Zudem jagen sie oft Beutetiere, die viel größer sind als sie selbst, und haben daher manchmal Nahrung übrig.

„Dem Menschen Dinge anzubieten könnte gleichzeitig eine Gelegenheit für Schwertwale sein, erlerntes kulturelles Verhalten zu praktizieren, zu erforschen oder zu spielen und dabei etwas über uns zu lernen, zu manipulieren oder Beziehungen zu uns aufzubauen“, schreiben die Forscher. „In Anbetracht der fortgeschrittenen kognitiven Fähigkeiten und der sozialen, kooperativen Natur dieser Spezies gehen wir davon aus, dass all diese Erklärungen und Ergebnisse für ein solches Verhalten möglich sind.“

Die Studie erschien kürzlich in der Fachzeitschrift „Journal of Comparative Psychology“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion