Mikroplastik – das Asbest des 21. Jahrhunderts?

Plastik im Blut, Fasern in der Lunge, Partikel im Hirn – Mikroplastik ist längst kein reines Umweltproblem mehr, es ist zum Sand im Getriebe des Lebens geworden.
Was jahrzehntelang in Verpackungen, Kleidung oder Kosmetikprodukten steckte, kehrt nun in einer für das menschliche Auge unsichtbaren Form zurück – direkt in unsere Körper. Wir trinken es mit Wasser, essen es mit Fisch oder sogar Gemüse und atmen es ein. Forscher fanden es bereits in menschlichem Blut, in Organen, in Plazenten von schwangeren Frauen. Mikroplastik ist winzig, aber keine Kleinigkeit, denn die langfristigen Folgen sind kaum abschätzbar.
Was wie Science-Fiction klingt, ist Realität im 21. Jahrhundert: Mikroplastik ist ein Stoff, der bleibt. Und während wir ihn kaum bemerken, weil er für das Auge unsichtbar ist, wirkt er möglicherweise auf Zellen, Organe und unser Immunsystem.
Wer würde schon freiwillig pro Woche ein Plastikstück in der Größe einer Kreditkarte zerkauen und schlucken? Denn genau das tun wir Menschen inzwischen, wir nehmen circa 5 Gramm Plastik zu uns und bemerken es dabei oft nicht einmal.
Nur die Spitze des Müllbergs
Während alarmierende Bilder von riesigen Müllinseln aus Flaschen, Netzen und sonstigen Kunststoffabfällen in den Ozeanen die Medien fluten, ist das wohl nur die sichtbare Spitze des Müllbergs. Die Spitze über dem, was in den unsichtbaren Tiefen der Ozeane treibt, so beispielsweise unterhalb des sichtbaren „pazifischen Müllstrudel“, der mit seinen drei Millionen Tonnen mittlerweile die Größe von Mitteleuropa ausmacht.
Aber das Problem ist insgesamt möglicherweise noch viel größer, obwohl es für das bloße Auge in unsichtbarer, kleinerer Erscheinungsform daherkommt: Denn all die Plastik zersetzt sich mit der Zeit in winzige Partikel, sie zerfällt durch Sonneneinstrahlung, mechanische Abnutzung oder chemische Zersetzung in unsichtbare Mikro- und Nanoplastikpartikel. Diese kommen im Naturkreislauf nicht nur über Wasser, sondern auch über Nahrung und über Luft in den Körper und vollführen dort ihr Zerstörungswerk.
Die Mini-Invasoren werden als Auslöser von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit oder chronischen Lebererkrankungen assoziiert, sie befördern lokale Entzündungs- und Immunreaktionen und Vorgänge auf körperlicher Ebene, die entscheidend an der Krebsentstehung beteiligt sind. So hat die Medizinische Universität Wien den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammengefasst. Ob von den aufgenommenen Mikro- und Nanokunststoffen ein Gesundheitsrisiko ausgehe, sei weitestgehend unbekannt, werde aber in zahlreichen Studien untersucht, hieß es seitens der Wissenschaftler.
Als Trojanische Pferde der Plastikeindringlinge gelten Lebensmittel, Kosmetik und zumeist der Verpackungsabfall. Als größter Übeltäter gilt hier die Plastikflasche, seit Forscher eine weitverbreitete Kontamination von Mineralwasser mit Xenohormonen nachgewiesen haben. Diese werden aus PET-Flaschen (Polyethylenterephthalat) ausgewaschen und können durch ihre starke östrogene Aktivität Krebs im Körper befördern. Andere Studien sprechen gegen Wasserflaschen als Quelle, denn auch Leitungswasser ist betroffen.
Alles im Fluss mit der Plastikkontamination
Aber nicht nur das Trinkwasser ist auf solche Weise kontaminiert. Besorgniserregend ist auch das Ausmaß, in welchem Mikroplastikpartikel große europäische Flüsse wie den Rhein, die Elbe und die Seine verschmutzen. Das ist das Ergebnis von 14 Studien der Tara Foundation, die zeitgleich in der Zeitschrift „Environmental Science and Pollution Research“ veröffentlicht wurden.
Untersucht wurden Wasserproben aus neun europäischen Flüssen, beginnend an deren Mündung bis hinauf zur ersten großen Stadt am Flussufer. Chemiker, Physiker und Biologen aus 19 Forschungslaboren fanden Mikroplastik, welche unter anderem durch das Waschen von Kleidung aus synthetischen Materialien, durch Kosmetik oder durch die Industrie den Wasserkreislauf kontaminiert hat. Oder aber auch durch Abrieb von Autoreifen auf der Straße. Dieser soll sogar den größten Anteil am Mikroplastikeintrag in die Umwelt haben.
Jedes Jahr gelangen demnach pro Bundesbürger etwa 1,2 Kilogramm Reifenabrieb, also Partikel, die durch das Reiben von Autoreifen auf den Straßen entstehen, in die Umwelt. Und auch Windräder tragen ihren Teil zur Freisetzung kleinster Partikel frei.
„Überraschend“ war für das Forschungsteam indes, dass, so ihr Ergebnis, die Masse an Kleinstpartikeln die sichtbaren Mikroplastikpartikel überwog. Gerade aber diese mikroskopisch kleinen Partikel haben es in sich: Denn während die größeren Plastikpartikel an der Oberfläche schwimmen, verteilen sich die winzigen Partikel über alle Wasserschichten des Flusses und werden von Tieren und Organismen aufgenommen.
Kleiner Partikel, großer Störfaktor im Körper
Von dort ist es nicht mehr weit bis in den menschlichen Körper, wo Mikroplastik als endokriner Disruptor, also als ein Störfaktor für das eigene Hormonsystem, wirken und unter anderem das Gleichgewicht von Östrogen und Testosteron stören kann. Mikroplastik ist in der Lage, Schutzbarrieren wie die Blut-Hirn-Schranke und Plazenta zu überwinden und sich in den Fortpflanzungsorganen ansammeln. Die Folgen davon: Schäden an den Keimzellen und hormonelle Störungen.
Inzwischen gilt als bestätigt, dass die Spermienzahl und -qualität durch Mikroplastik gesenkt sowie die Eierstockfunktion beeinträchtigt werden. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Mikroplastik mit Erektionsstörungen und niedrigeren Empfängnisraten in Verbindung steht.
Mikroplastikpartikel wurden aber nicht nur in Hoden und Plazenta schwangerer Frauen nachgewiesen, sondern auch in anderen menschlichen Organen wie Leber und Nieren, was laut Forschern der University of New Mexico Health Sciences auf eine weitverbreitete Kontamination hinweist. Eine noch höhere Ansammlung von Mikroplastik als in den genannten Organen gibt es im menschlichen Gehirn, so ihr aktuelles Forschungsergebnis. Dort, wo das Zentrum der menschlichen Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit ist, ist die Konzentration von Mikroplastik in den vergangenen acht Jahren um ganze 50 Prozent gestiegen.
Weiterhin stellte die Forschergruppe fest, dass ein Großteil des Plastiks viel kleiner zu sein scheint, als bisher angenommen wurde – es soll sich im Nanometerbereich bewegen, das ist nur zwei- bis dreimal so groß, wie Viren sein sollen.
Wege aus dem Mikroplastikdilemma
Mikroplastik ist zur unsichtbaren Gefahr geworden – in der Umwelt, in unseren Körpern und letztlich in unserem Alltag. Doch auch wenn die Bedrohung global ist, beginnt wie so oft ihre Lösung im Kleinen:
Jeder Mensch hat die Möglichkeit, durch bewusste Entscheidungen Mikroplastik zu vermeiden und damit nicht nur etwas für die Umwelt zu tun, sondern auch seine eigene und die Gesundheit anderer zu schützen.
Bei der Kleidung fängt es an
Ein entscheidender Hebel liegt in unserer Kleidung. Synthetische Textilien wie Polyester, Polyacryl oder Elastan lösen beim Waschen winzige Fasern, sogenannte Mikrofasern, aus dem Gewebe. Diese Fasern gelangen über das Abwasser in Flüsse und Meere, denn Kläranlagen können sie oft nicht vollständig herausfiltern. Prädestiniert dafür sind Funktionskleidung, Fleecejacken oder Sportbekleidung.
Wer auf Kleidung aus natürlichen Materialien wie Baumwolle, Wolle oder Leinen setzt, reduziert diesen Eintrag erheblich. Noch effektiver ist es, Kleidungsstücke insgesamt weniger oft zu waschen, bei niedriger Temperatur und mit Schonwaschgang. Spezielle Waschbeutel, die Mikrofasern auffangen, oder nachrüstbare Mikroplastikfilter für Waschmaschinen können zusätzlich helfen, Mikroplastikpartikel aus dem Waschwasser zurückzuhalten.
Bewusst einkaufen
Auch im Badezimmer lauert die Mikroplastikfalle – oft gut versteckt. In vielen Peelings, Shampoos, Lippenstiften oder Make-up-Produkten werden winzige Kunststoffpartikel gezielt eingesetzt, oft als Bindemittel oder für Glanzeffekte. Diese Partikel sind so klein, dass sie ungefiltert in Gewässer gelangen. Wer auf Naturkosmetik zurückgreift oder gezielt auf das Kleingedruckte achtet, kann Mikroplastik in Pflegeprodukten schnell enttarnen.
Besonders still und unsichtbar gelangt Mikroplastik auch über Getränke in unsere Körper. Die Ursache liegt in der Verpackung selbst: Bei Lagerung, Transport oder durch Temperaturwechsel können sich kleinste Partikel aus der Plastikflasche lösen. Wer auf Leitungswasser umsteigt und es – wenn nötig – mit einem Filter reinigt, senkt nicht nur den eigenen Mikroplastikkonsum, sondern spart auch Geld.
Großes Potenzial zur Plastikreduktion liegt auch beim täglichen Einkauf. Obst, Gemüse, Käse oder Brot müssen nicht in Folie gewickelt oder in Plastikschalen verpackt sein. Wer auf dem Wochenmarkt oder im Unverpacktladen einkauft, Verpackung vermeidet und eigene – idealerweise plastikfreie – Behältnisse mitbringt, trägt dazu bei, dass weniger Kunststoff produziert, genutzt und damit am Ende auch als Mikroplastik freigesetzt wird.
Plastik ade im Haushalt
Im Haushalt lassen sich viele konventionelle Plastikprodukte durch langlebige und umweltfreundliche Alternativen ersetzen. Zahnbürsten aus Bambus, Rasierer aus Metall, Spülbürsten aus Holz oder Bienenwachstücher statt Frischhaltefolie sind längst keine exotischen Nischenprodukte mehr.
Auch bei Teebeuteln lohnt sich ein Blick: Viele herkömmliche Produkte enthalten Kunststofffasern, die sich beim Aufgießen im Wasser lösen und so mit jedem Schluck in den Körper gelangen. Lose Tees oder plastikfreie Beutel sind hier für Mikroplastikvermeider die bessere Wahl.
Auch im Coffee-to-go lauert die Gefahr: Forscher haben bereits 2021 nachgewiesen, dass Einwegpappbecher für Heißgetränke wie Kaffee Mikroplastik absondern. Demnach lösen 85 bis 90 Grad Celsius heiße Getränke bereits nach 15 Minuten die innere Beschichtung der Becher und etwa 25.000 Mikroplastikpartikel werden beim Trinken in den Körper aufgenommen.
Entscheidung am Gemüsestand
Im Supermarkt am Gemüsestand kann man nicht nur entscheiden, wie viel Verpackungsmüll man kauft, man findet möglicherweise auch Mittel, um seinen Körper vor eingelagertem Mikroplastik zu schützen. So besagt eine Studie, dass bestimmte Früchte Abschirmung vor der Wirkung von Mikroplastik bieten.
Das betreffe vor allem Obst und Gemüse mit einem hohen Gehalt an Anthocyanen. Das sind natürliche Pigmente, die Früchten ihre blaue, violette oder rote Farbe verleihen. Diese können dazu beitragen, Schäden zu mildern, die Mikroplastik im Körper, insbesondere im Fortpflanzungssystem, verursachen. Anthocyane haben starke antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften.
Der beste Schutz gegen Mikroplastik befindet sich also bestenfalls im eigenen Kühlschrank. Noch besser wäre es nur, wenn er aus dem eigenen Garten kommt.
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