China: Selbstmorde bei prominenten Unternehmern

Laut dem chinesischen Finanzexperten Xiao Yi könnte die größere Krise im heutigen China der Zusammenbruch des Vertrauens in das System selbst sein und nicht die Konjunkturabschwächung.
Krise
Ein Mann geht am 7. April 2025 in Peking an einem Bildschirm vorbei, der die Entwicklungen an der chinesischen Börse zeigt.Foto: Wang Zhao/AFP via Getty Images
Von 11. August 2025

In Kürze:

  • Für den chinesischen Finanzexperten Xiao Yi sind vier Fälle von Selbstmorden chinesischer Unternehmer Ausdruck der Belastungen auf die Privatwirtschaft Chinas.
  • Überregulierung, politische Kurswechsel und willkürliche Prüfungen zählten zu den größten Problemen für Unternehmer.
  • Finanzexperte: Die größere Krise ist möglicherweise nicht die wirtschaftliche Abkühlung, sondern der Zusammenbruch des Vertrauens in das System selbst.

 

Innerhalb von nur vier Monaten haben vier prominente chinesische Unternehmer aus verschiedenen Branchen Selbstmord begangen. Sie alle sollen in ihrer Verzweiflung von Gebäuden gesprungen sein.

Experten sagen, dass diese Vorfälle in krassem Gegensatz zu den offiziellen Angaben der chinesischen Regierung stehen, wonach das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in der ersten Jahreshälfte „besser als erwartet“ ausgefallen sei.

Todesfälle nur Einzelfälle?

Am 16. April sprang Bi Guangjun, Gründer des Textilunternehmens Jindianzi Textiles, aus dem 28. Stock eines Gebäudes. Insider verrieten, dass er stark in Chinas neue Energieindustrie investiert hatte, aber ein Vermögen verloren hatte.

Am 2. Juni starb Liu Wenchao, Vorsitzender des Fahrstuhlfabrikanten Xizi Elevator, nachdem er von einem Gebäude gestürzt war. Das Unternehmen ist stark vom schwächelnden Immobiliensektor Chinas abhängig. Die staatlich kontrollierten chinesischen Medien berichteten, dass Liu einmal gesagt habe, dass jeder, der Ambitionen habe, am Ende Narben davontrage.

Am 17. Juli sprang Zeng Yuzhou, Gründer der Renovierungskette Liangjia Building Materials, von einem Hochhaus in Guangzhou. Er hinterließ Schulden in Höhe von 1 Milliarde Yuan (119,5 Millionen Euro), von denen laut chinesischen Medien über 2.000 Familien, mehr als 1.000 Mitarbeiter und über 300 Lieferanten betroffen sind.

Nur zehn Tage später, am 27. Juli, berichteten chinesische Medien, dass der Vorsitzende des Einrichtungsgiganten Easyhome New Retail Group, Wang Linpeng, ums Leben gekommen sei. Laut Polizei sei er von einem Gebäude gesprungen, nur vier Tage nachdem er aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden war. Wang war im Rahmen einer Korruptionsuntersuchung von den Behörden festgenommen worden.

[etd-related posts=“5210088,“]

Ein System unter Druck

Xiao Yi ist ein in London ansässiger chinesischer Finanzexperte mit 30 Jahren Branchenerfahrung und China-Beobachter. Er teilte seine Analyse der vier Todesfälle mit der chinesischen Ausgabe der Epoch Times, für die er regelmäßig schreibt. Obwohl die Todesfälle in verschiedenen Branchen erfolgten, glaubt Xiao, dass sie gemeinsame grundlegende Belastungen offenbaren, die den privaten Sektor Chinas betreffen. Zur Krise tragen besonders zusammenbrechende Cashflows, steigende Schulden, politische Unsicherheit und der Verlust des Vertrauens der Öffentlichkeit bei.

Er wies darauf hin, dass die explodierenden Schulden der lokalen Regierungen in China die Finanzierung des Privatsektors verdrängt haben. Während staatliche Medien Slogans wie „Unterstützung der Realwirtschaft“ propagieren, fließt das Kapital unverhältnismäßig stark in staatliche Unternehmen, während private Firmen inoffiziell von Krediten ausgeschlossen werden.

Chinesische Banken, die Zahlungsausfälle fürchten, verschärfen laut Xiao die Kreditvergabe. Nachdem Bis Unternehmen massive Verluste erlitten hatte, kürzte seine Bank die Kredite, anstatt Unterstützung anzubieten. Die letzten 5 Millionen Yuan (597.600 Euro) an Rücklagen von Liangjia wurden direkt von seiner Bank beschlagnahmt, was das Textilunternehmen in den Ruin trieb.

[etd-related posts=“5211693,5211098″]

Schwächelnder Immobilienmarkt setzt verbundene Branchen unter Druck

Seit 2021 befindet sich der Immobilienmarkt in China im freien Fall, wobei die Nachfrage nach Wohnungen stark zurückgegangen ist.

Xiao sagte, dass dies die damit verbundenen Branchen – von Aufzügen und Innenausstattung bis zu Haushaltsgeräten und Baumaterialien – schwer getroffen habe. Die Zahlungsfristen für die Kunden von Liangjia verlängerten sich von zwei Wochen auf sechs Monate. Die Einnahmen von Xizi Elevator brachen ein, da die Bauträger in Verzug gerieten.

Herrscht in China eine riesige Immobilienblase? Foto: Philippe Lopez/AFP via Getty Images

Xiao wies darauf hin, dass sich Chinas Exporte aufgrund der US-Zölle und eines Produktionsanstiegs in Südostasien verschlechtert haben. Das Textilunternehmen von Bi verzeichnete einen Auftragsrückgang von 40 Prozent und eine Verdopplung der Zahlungsfristen. Die kumulierten Auswirkungen dieser branchenweiten Rückgänge haben die Lieferketten in Mitleidenschaft gezogen und den Cashflow zum Erliegen gebracht.

Größere Unternehmer in China, so Xiao, seien mit einer überregulierten Umgebung und unvorhersehbaren politischen Kurswechseln konfrontiert. Strenge Umweltstrafen, eingefrorene Konten und willkürliche Prüfungen können sie über Nacht ruinieren.

Noch alarmierender sei die Befugnis der Antikorruptionsbehörde, Personen ohne gerichtliche Kontrolle festzunehmen, sagte Xiao. Er wies darauf hin, dass Wang Berichten zufolge ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Rechtsbeistand festgehalten wurde. Dieses Verfahren zielt darauf ab, Geständnisse zu erpressen und „Interessennetzwerke“ aufzudecken. Das habe zur Folge, dass Verdächtige effektiv zu Schachfiguren in politischen Säuberungsaktionen werden.

[etd-related posts=“5209076,5207732″]

Scheitern des „integren Geschäftsgebarens“

Laut Xiao arbeiteten viele der zusammengebrochenen Unternehmen nach vertrauensbasierten Modellen mit Vorauszahlungen, Kettenfinanzierungen und persönlichen Bürgschaften. Wenn dieses Vertrauen schwindet, bricht das System zusammen. Im Fall von Liangjia Building Materials forderten die Kunden Rückzahlungen, die Lieferanten protestierten und die Mitarbeiter flohen.

Der Finanzexperte erklärte, dass im Gegensatz zu den USA oder Europa das chinesische Recht keinen sinnvollen Insolvenzschutz für private Unternehmen vorsehe. Die meisten Sanierungsfälle werden von den Gerichten abgelehnt, insbesondere bei Unternehmen mit geringen Vermögenswerten. Sobald ein Unternehmen zusammenbricht, verliert der Gründer seine persönliche und finanzielle Freiheit. Er wird auf eine schwarze Liste gesetzt, überwacht und ausgegrenzt, ohne Möglichkeit auf eine zweite Chance. Viele sehen Selbstmord als einzigen „ehrbaren“ Weg, um unbezahlbare Schulden zu begleichen, sagte Xiao.

Der Selbstmord jedes der vier Unternehmer wurde mindestens 24 Stunden lang aus den Trends der chinesischen sozialen Medien zensiert. Das zeige, wie streng das Regime die öffentliche Meinung kontrolliert.

Xiao beobachtete die Onlinediskussionen in China. Zengs Tod wurde als Scheitern des „integren Geschäftsgebarens“ angesehen. Trotz seiner Bemühungen, ausstehende Projekte abzuschließen, wurde er von seinen Gläubigern bedrängt. Seine Geschichte zeige, wie leicht Vertrauen im heutigen China als Waffe eingesetzt und wie schnell der Ruf einer Person zerstört werden könne, sagte Xiao.

Im Fall von Wang spekulierte die Öffentlichkeit, dass er während seiner Haft möglicherweise sensible Informationen über Absprachen zwischen lokalen Beamten und Geschäftsleuten preisgegeben habe. Chinas undurchsichtiges Justizsystem ist oft geprägt von mangelndem Rechtsbeistand, geheimen Inhaftierungen und erzwungenen Geständnissen.

Ein Wachmann schaut am 25. Oktober 2012 durch das Fenster eines Flurs in einer Haftanstalt in Peking. Foto: Ed Jones/AFP via Getty Images

Eine Vertrauenskrise?

Xiao ist überzeugt, dass der Tod von Bi, Liu, Zeng und Wang keine Einzelfälle sind. Sie stünden stellvertretend für den wachsenden Druck auf Chinas Privatunternehmer, die zwischen schrumpfenden Märkten, unvorhersehbarer Politik, finanzieller Ausgrenzung und einem zusammenbrechenden Sozialvertrag gefangen sind.

Im heutigen China sei die größere Krise möglicherweise nicht die wirtschaftliche Abkühlung, sondern der Zusammenbruch des Vertrauens in das System selbst, so der Finanzexperte.

Der Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Wave of Suicides Among Chinese Entrepreneurs Signals Deepening Crisis in Private Sector: Expert“. (deutsche Bearbeitung mf)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion