Rüsselsheim: 3 Stromausfälle in einer Woche – woran liegt es?

In Kürze:
Drei Stromausfälle erlebte Rüsselsheim in der vergangenen Woche. Tausende Einwohner waren betroffen.
Der Energieexperte Christoph Canne analysiert die Vorfälle. Neben Materialschwäche hält er auch Übereinspeisung durch Solaranlagen für möglich.
Der offizielle Ursachenbericht steht noch aus. Eine Anfrage an die Stadtwerke brachte keine neuen Antworten.
Im hessischen Rüsselsheim, mitten im Rhein-Main-Gebiet, fiel am Samstag, 28. Juni, in einigen Stadtteilen der Strom aus. Rund 8.000 Haushalte sollen laut den Stadtwerken betroffen gewesen sein. Laut den Rüsselsheimer Stadtwerken kamen Notstromaggregate zum Einsatz, um die Energieversorgung kurzfristig wiederherzustellen.
Das Eigenartige daran: Es war bereits der dritte Vorfall dieser Art in der vergangenen Woche – ausgelöst durch Kurzschlüsse in Versorgungsleitungen. Doch was diese Kurzschlüsse verursacht hat, teilen die offiziellen Stellen bisher nicht mit.
Im Epoch Times-Interview nahm der langjährige Energieexperte Dr. Christoph Canne Stellung zu den Vorfällen. Er ist Vorstand und Pressesprecher der Bundesinitiative „Vernunftkraft“.
Guten Tag, Herr Canne. Was ist aus Ihrer Sicht vergangene Woche in Rüsselsheim passiert und wie kam es zu den Ausfällen?
Da müssen wir noch die finalen Analysen des lokalen Netzbetreibers abwarten. Was wir bislang wissen: Es gab drei Stromausfälle, wobei Tausende Haushalte betroffen waren, und zwar sehr unmittelbar hintereinander. Die Stromausfälle ereigneten sich am Montagabend – hier für mehr als 20 Stunden –, am Mittwoch und am Samstagmorgen.
Als Ursache geben die Stadtwerke inzwischen an, dass es zu Kurzschlüssen innerhalb von Erdkabeln gekommen sei. Viele Stromleitungen sind im Erdreich verlegt. Wenn es dort – im Rahmen einer Ursachenvermutung – aufgrund von Materialfehlern zu Kurzschlüssen kommt, dann ist das eine ernste Situation. Dann muss der Netzbetreiber sofort die Leitung stilllegen.
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Das kann man sich so ähnlich vorstellen wie bei einer komplexen Sprinkleranlage mit Wasserschlauch-Zuleitung. Wenn bei dieser Zuleitung plötzlich ein Loch entsteht, dann tritt dort mit hohem Druck das Wasser unkontrollierbar in alle möglichen Richtungen aus. Sie können das Problem nur beheben, indem Sie vorn den Hahn zudrehen. So ähnlich ist das in Rüsselsheim abgelaufen. Dann muss man die entsprechenden Leitungen stilllegen.
Aber es war nicht nur eine Leitung betroffen, es waren viele Leitungen. Das Seltsame: Wir haben in Deutschland grundsätzlich ein Redundanzprinzip [Anm. d. Red.: auch n-1 genannt]. Das heißt, wenn eine Leitung beschädigt ist, gibt es eine andere Leitung, die für die defekte einspringen kann. In unserem Wasserschlauch-Beispiel heißt das, Sie haben einen anderen Schlauch nebendran liegen, den Sie anschließen sollten. Aber auch diese Redundanzleitungen sind ausgefallen.
Das war schon eine ungewöhnliche Häufung von Problemen, die zwangsläufig dazu geführt hat, dass man nach dem Motto „Safety first“ erst einmal das Ganze vom Netz nehmen musste. Demzufolge sind auch naturgemäß mehrere Trafostationen mit ausgefallen. Das ist dann ein Stromausfall, wie er im Buche steht.
Gerüstet war man für den Fall offenbar. Die Krankenhäuser, die davon in den Stadtteilen betroffen waren, hatten Notstromaggregate. Aber auf die Ursachenanalyse, warum dies dreimal hintereinander auftrat, darf man gespannt sein.
Wir erinnern uns noch an den großen Stromausfall in Spanien Ende April. Welche Rolle können hier die „erneuerbaren“ Energien gespielt haben?
Da kommt man leicht in politisches Fahrwasser. Die Tatsache ist, wir haben ein großes Problem mit Übereinspeisung von Solaranlagen, insbesondere von Frühjahr bis Herbst zur Mittagszeit.
Aber man muss aufpassen, dass man nicht ein bestimmtes Ereignis fälschlicherweise dieser Ursache zuordnet. Vielleicht war es einfach Materialermüdung infolge von möglicherweise unzureichender Wartung dieser Erdkabelsysteme. Es gilt, den finalen Bericht abzuwarten.
Allerdings gibt es eine gewisse Logik, die dazu führt, dass man eine Übereinspeisung als tiefergehende Ursache nicht ausschließen sollte. Es ist ein Netz, das auf Erneuerbare nicht ausgelegt wurde, das im letzten Jahrhundert für Großkraftwerke gebaut und konfiguriert wurde. Da ist Übereinspeisung plötzlich ein Problem.
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Diese Übereinspeisung ergibt sich aus dem fulminanten Ausbau der Solarenergie in den vergangenen Jahren. Das verursacht lokale Überspannungen im Netz. Und solche Probleme können dann nicht an einem Tag, nicht an zwei Tagen, aber auf eine längere Sicht zu thermischen und schließlich auch zu mechanischen Belastungen aller Leitungssysteme führen.
Wenn diese [Leitungssysteme] etwas älteren Datums sind, kann es passieren, dass es etwa durch Risse in der Isolierung zu solchen Kurzschlüssen kommen kann. Dann steht zur Diskussion, dass eine solche Kette von Stromabschaltungen auf diese Ursache mittelbar zurückzuführen ist. Dafür müssen wir jedoch die finale Analyse abwarten.
Wenn wir an Rüsselsheim denken, dann denken wir schnell an die dortigen Opelwerke. Was bedeuten die Stromausfälle in dieser Häufung für die Industrie vor Ort?
Das ist ein Thema. Wir haben gerade erst von ArcelorMittal erfahren, dass sie das Thema Stromversorgung sowohl von der preislichen als auch von der Komponente der Versorgungssicherheit in Deutschland als unzureichend betrachten. Dies war mit Sicherheit ein Faktor für ArcelorMittal, woraufhin sie gesagt haben: Unsere Grünstahl-Projekte in Bremen und Eisenhüttenstadt, die führen wir nicht fort. Aber das in Dünkirchen, in Frankreich, das führen wir fort.
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Gerade im Bereich Strom und Energie sind die Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich durchaus markant. Ansonsten sind solche Stromausfälle für die energieintensive Industrie ein Problem. Auf der anderen Seite sind Stromausfälle auch für all diejenigen ein Problem, die über sehr empfindliche Anlagen verfügen, die äußerst sensibel auf Stromausfälle reagieren.
Wenn sich dies weiter so gehäuft fortsetzt, wird Deutschland neben dem Faktor Überbelastung zur Mittagszeit durch Solar und den hohen Strompreisen noch ein zusätzliches Problem bekommen: Das heißt Versorgungsunsicherheit.
Nun sind weitere Stromausfälle nicht auszuschließen – auch in anderen Regionen. Was würden Sie den Menschen raten, wie sie vorsorgen können?
Dazu findet man im Internet viele Ratgeber zum Thema Krisenvorsorge. Das fängt an beim Thema Notstromaggregat. Das wird wichtig, wenn plötzlich der Strom über längere Zeit nicht vorhanden ist. Drei oder vier Stunden bekommt man immer überbrückt. Aber wenn der Strom 12, 24 oder 36 Stunden nicht vorhanden ist, ist das ein relativ großes Problem.
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Man muss jetzt keine große Warnung ausrufen, aber eine gewisse Vorsorge kann nie schaden. Ich weise da immer gerne auf die Seiten und Ausarbeitung von Herbert Saurugg hin. Das ist ein österreichischer Blackout- und Krisenspezialist. Er bietet sehr viele Anregungen an, wie man Vorsorge im Hinblick auf Blackout-Ereignisse für sich selbst treffen kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Epoch Times fragte zudem die Stadtwerke Rüsselsheim nach den neuesten Erkenntnissen zu den Stromausfällen. Doch eine neuere Information als die aus den bereits bestehenden Pressemeldungen, in denen von „Kurzschluss im Erdreich“ die Rede ist, erfuhren wir nicht.
Das Interview führte Maurice Forgeng.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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