Abfall extrem: Der richtige Umgang mit radioaktivem Atommüll

Atommüll beschäftigt Länder mit und ohne Kernkraftwerke. Die Physikerin Eileen Langegger erklärt, wie der richtige Umgang mit radioaktivem Atommüll funktioniert. Zudem deckt sie auf, wie groß der Anteil an hoch radioaktivem Atommüll wirklich ist.
Titelbild
Fässer mit Atommüll. (Symbolbild)Foto: PhonlamaiPhoto/iStock
Von 27. Juli 2025

In Kürze:

  • Die ehemalige langjährige Leiterin eines Zwischenlagers, Eileen Langegger, erklärt den Werdegang von Brennelementen und wie radioaktiver Abfall einzuordnen ist.
  • Hoch radioaktiver Abfall kommt nur zu 3 Prozent vor, besitzt aber 95 Prozent der gesamten Strahlungsaktivität.
  • Überschaubare Menge: Ein Reaktor muss pro Jahr rund ein Drittel seiner Brennstoffe austauschen. Das entspricht dem Volumen von 2,5 Badewannen.
  • Wiederaufbereitung statt Endlagerung könnte Atommüll um 95 Prozent reduzieren und die Lagerdauer verringern.

 

Die Kernkraft glänzt mit einer hohen Leistungsdichte. Weniger glanzvoll ist hingegen der radioaktive Atommüll, den diese Technologie zur Stromgewinnung langfristig zurücklässt. Doch auch in der Medizin und Forschung entstehen radioaktive Abfälle.

Dieser Abfall muss – teilweise für Tausende Jahre und länger – sicher verwahrt und gelagert werden, damit er keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt. Eine übermäßig erhöhte Strahlenbelastung kann biologische Organismen, einschließlich des Menschen, ernsthaft schädigen.

Einordnung von radioaktivem Abfall

Doch selbst ein Abfallprodukt bei einer kerntechnischen Anlage ist nicht automatisch Atommüll. Die Physikerin Eileen Langegger schilderte dazu kürzlich bei einer Konferenz zur Kernenergie, wie die Klassifizierung von radioaktivem Abfall verläuft. Sie selbst hat zehn Jahre lang das Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Österreich geleitet.

Dr. Eileen Langegger spricht auf der Anschalt-Konferenz am 22. Mai 2025 in Berlin. Foto: mf/Epoch Times

Als Erstes steht laut der Expertin ein Reststoff aus einem Strahlenbereich vor der Frage, ob er überhaupt radioaktiv ist. Das lasse sich durch eine einfache Messung mit einem entsprechenden Strahlenmessgerät herausfinden. Ergibt die Messung, dass er nicht radioaktiv ist, könne er als Abfall frei entsorgt werden. Handelt es sich bei dem Reststoff zudem nicht um Abfall, stehe er vor einer möglichen Wiederverwendung.

Dr. Eileen Langegger zeigt am 22. Mai 2025 bei der Anschalt-Konferenz in Berlin ein Schaubild zur richtigen Einordnung von Atommüll. Foto: Bildschirmfoto YouTube-Kanal Nuklearia

„Es besteht die Möglichkeit, in Deutschland, in Österreich und mittlerweile auch in Frankreich Abfälle freizugeben“, erklärte die Physikerin. Das betreffe etwa den Zaun eines Kernkraftwerks. „Sind sie unter bestimmten Messwerten, muss ich das nicht in ein Endlager geben. Auch wenn ich Sachen dekontaminieren kann, habe ich die Möglichkeit, das aus diesem Bereich herauszuziehen.“

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Ist der Reststoff jedoch radioaktiv, folgt laut Langegger die Frage, ob es möglich ist, ihn zu dekontaminieren, also ihn von den radioaktiven Bestandteilen zu reinigen. Wenn solch eine Dekontamination möglich ist und er dadurch seine Radioaktivität verliert, gelte er entweder als normales Abfallprodukt oder als wiederverwertbarer Gegenstand.

Manche radioaktiven Reststoffe sind jedoch nicht dekontaminierbar. In diesem Fall kam Langegger zur nächsten Frage: „Ist es überhaupt Abfall? Kann ich es vielleicht in einem radioaktiven Bereich wiederverwenden? Kann ich Recycling betreiben? Nur wenn das nicht geht, dann habe ich tatsächlich ein radioaktives Abfallprodukt [für die Endlagerung] geschaffen.“

Brennelemente: Vom Betrieb bis zur Endlagerung

Als radioaktives Abfallprodukt gelten auf jeden Fall genutzte Brennstäbe als Teil eines Brennelements. Langegger teilte der Epoch Times mit, dass die am häufigsten verwendeten Brennstoffe vor ihrem Einsatz im Reaktor zu 100 Prozent aus Uran bestehen. Während ihres Einsatzes geben die Brennstäbe durch Kernspaltung hohe Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius ab. Diese Hitze wird im Reaktor an einen Wasserkreislauf abgegeben, der wiederum eine Dampfturbine und einen Generator zur Stromerzeugung antreibt.

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Doch die Kernspaltung nagt am Brennstab. „Nach circa vier Jahren lohnt sich der Einsatz des Elements meist nicht mehr und das Brennelement wird aus dem Kern genommen“, schilderte Langegger. „Die Gründe sind meist, dass die Elemente nicht mehr ausreichend zur Leistungserzeugung des klassischen Leichtwasserreaktors beitragen können. Zu diesem Zeitpunkt sind noch circa 96 Prozent des Materials Uran vorhanden.“

Brennstäbe für einen Kernreaktor. Foto: FooTToo/iStock

Der Rest bestehe aus Spaltprodukten, von denen die meisten nur kurze Halbwertszeiten besitzen. Nach einigen Tagen seien sie stabil. Manche Spaltprodukte hätten auch längere Halbwertszeiten, wie Plutonium und Americium. „Das Brennelement ist an sich noch kein Abfall, kann nur nicht im klassischen Reaktor eingesetzt werden“, sagte Langegger.

Die Stäbe kommen zu diesem Zeitpunkt nicht direkt in ein Zwischen- oder Endlager. „Die Brennelemente bleiben, nachdem sie aus dem Kern genommen wurden, circa sieben bis zehn Jahre im Reaktorgebäude, im Brennelementlagerbecken [oder Abklingbecken]“, erklärte Langegger. Das könne im Sicherheitsbehälter oder in der Nähe des Reaktors sein. „Die Elemente geben in dieser Zeit noch einiges an Wärme ab, die von den strahlenden Spaltprodukten stammt. Danach kommen sie je nach Land in ein landesweites Zwischenlager oder in ein Trockenlager in Castoren wie in Deutschland.“

Laut der Physikerin sind die Anforderungen an die Zwischenlagerbehälter für Brennelemente „extrem hoch“. Hierzu schilderte sie, dass die berühmten gelben Fässer nur für schwach und mittel radioaktiven Abfall zum Einsatz kommen. „Die Brennelemente werden ausschließlich in speziell dafür hergestellten Behältern gelagert. Je nach Zulassung gibt es Behälter für Lagerung, Transport und Endlagerung. Manche sind für zwei Sachen zugelassen, manche nur für einen Bereich.“ Von den Behältern dürfe zudem nur ein bestimmter, ungefährlicher Strahlengrenzwert ausgehen.

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Geringer hoch radioaktiver Anteil

In diesem Rahmen wies Langegger auf die Mengenverhältnisse der unterschiedlich stark strahlenden Abfallstoffe hin. International gibt es vier Kategorien:

  • VLLW (Very Low Level Waste) – sehr schwach radioaktiver Abfall
  • LLW (Low Level Waste) – schwach radioaktiver Abfall
  • ILW (Intermediate Level Waste) – mittel radioaktiver Abfall
  • HLW (High Level Waste) – hoch radioaktiver Abfall

Vom gesamten Atommüllaufkommen wird nur ein äußerst geringer Teil als hoch radioaktiv eingestuft. Der Weltverband der Kernenergie gibt an, dass dieser bei 3 Prozent liegt. Der mittel radioaktive Abfall hat demnach einen Anteil von 7 Prozent. Am häufigsten kommt jedoch schwach radioaktiver Abfall vor. Hier beträgt der Anteil 90 Prozent.

Den sehr schwach radioaktiven Abfall führt der Verband bei dieser Auflistung nicht mit auf, da sich dessen Radioaktivität „auf einem Niveau [befindet], das für Menschen oder die Umgebung nicht als schädlich angesehen wird“. Radioaktivität in sehr geringem Maß gilt sogar als gesundheitsförderlich.

Obwohl der hoch radioaktive Abfall am seltensten vorkommt, entfällt auf diesen der mit Abstand höchste Strahlungsanteil. Diesen beziffert der Weltverband auf 95 Prozent. Der mittel radioaktive Abfall kommt dabei auf 4 Prozent und der schwach radioaktive Abfall auf 1 Prozent der Strahlung.

Atommüll

Kategorien nuklearen Abfalls und deren Strahlungsaktivität. Infografik: Epoch Times

So viel Atommüll erzeugt ein Reaktor

Um eine Ahnung zu bekommen, wie groß die Abfallmengen bei der Kernkraft sind, nannte Langegger Zahlen. Ein Reaktor mit 100 Tonnen Brennstoff muss pro Jahr rund ein Drittel davon austauschen. „Das sind 2,5 Badewannen pro Jahr – nicht mehr“, sagte sie. Hinzu kommen 200 bis 350 Kubikmeter an schwach und mittel radioaktivem Abfall pro Jahr – also 1.000 bis 1.750 Badewannen.

64 Behälter: Das ist laut der Physikerin Eileen Langegger der gesamte Atommüll aus 20 Jahren, den ein US-amerikanisches Kernkraftwerk hinterlassen hat. Foto: Bildschirmfoto YouTube-Kanal Nuklearia

Wird ein Kernreaktor rückgebaut, wie es aktuell in Deutschland an mehreren Standorten der Fall ist, fallen insgesamt 10.000 Tonnen Rohabfall an. „Die können Sie behandeln, putzen, dekontaminieren, und das geht dann wieder in das Recycling“, so Langegger. Dieser Rohabfall strahlt meist schwach oder mittelstark.

Laut der Physikerin sollte hoch radioaktiver Atommüll im Falle einer Endlagerung in ein geologisches Tiefenlager. Für diese wird eine Tiefe von mehreren hundert Metern unter der Erdoberfläche vorausgesetzt. „Schwach und mittel radioaktiver Atommüll kann in ein oberflächennahes Endlager gehen und muss nicht in geologischen Tiefen gelagert werden. Das ist eine politische Entscheidung, das zu tun.“

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Potenzial der Aufarbeitung

Langegger befürwortete zudem die Möglichkeit der Aufarbeitung von Atommüll. „Ich bin Riesenfan davon.“ Es verringere die Menge des endzulagernden Materials drastisch. „Die USA entscheiden sich derzeit dagegen, andere Länder sagen: Ja, können wir machen.“ Als ein solches nannte sie Frankreich. „75 Prozent ihres Brennstoffs wird ‚recycelt‘“, sagte sie.

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Dieses Verfahren verringere zudem die Zeit der Endlagerung des übrigen Atommülls. Anstatt Hunderttausende müsste er nur noch rund 10.000 Jahre lang endlagern. Doch laut Langegger ist noch mehr möglich: „Können wir Brennelemente in einem Reaktor der Generation 4 oder mit Transmutation behandeln, landen wir bei einer Endlagerzeit von geschätzten 300 Jahren. Das ist ein Zeitraum, über den man sprechen kann.“

Wo bestehen also die Probleme? Langegger teilte hierzu mit: „Technisch ist die Lagerung von radioaktivem Material schon lange gelöst. Politisch ist das aber noch ein Riesenthema.“ Jedes Land sei da auf seinem eigenen Stand.

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Ihrer Ansicht nach ist „Wiederaufarbeitung oder Recycling möglich, Wiederverwendung von Brennstoff ist möglich. Wir können dadurch circa 95 Prozent des Abfalls einsparen.“ Zur weiteren Eindämmung des Atommüllproblems sei laut Langegger eine Lösung, Endlager für schwach oder mittel radioaktive oder hoch radioaktive Abfälle zu errichten. „Wir können Bergwerke bauen.“

Dr. Eileen Langegger im Zwischenlager in Österreich zwischen zahlreichen Fässern mit radioaktivem Material. Foto: Bildschirmfoto YouTube-Kanal Nuklearia

Zudem wolle sie die Angst vieler Menschen vor Atommüll beseitigen. „Ich bin der lebende Beweis, dass man sich vor radioaktivem Abfall nicht fürchten muss. Ich habe zehn Jahre auf den Abfall aufgepasst.“



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