Gewalt an katholischer Schule: Frankreichs Premier Bayrou unter Druck

Es ist einer der größten pädokriminellen Skandale der katholischen Kirche in Frankreich – und einer, der zum politischen Stolperstein für Premierminister François Bayrou werden könnte:
An der Schule Notre-Dame de Bétharram am Fuß der Pyrenäen haben Lehrer und Betreuer nach Aussagen von Betroffenen über Jahrzehnte hinweg Schüler geprügelt und sexuell missbraucht und dieses höchst effizient vertuscht.
Zwar war die Schule dafür bekannt, Kinder hart ranzunehmen, doch galt dies weithin als erfolgversprechende Erziehungsmethode. Die Frage, welches Ausmaß die Gewalt hatte und welche Rolle sexualisierte Gewalt spielte, stellten sich viele Eltern vermutlich nicht.
Erst als 2023 ein ehemaliger Schüler eine Facebook-Gruppe für Betroffene gegründet hatte, brachen viele von ihnen ihr Schweigen. In der Folge wurden nach und nach weitere schlimme Vorwürfe publik.
Mittlerweile sind 200 Anzeigen wegen körperlicher und sexueller Gewalt bei der Staatsanwaltschaft Pau eingegangen, wobei die meisten aber als verjährt gelten. Sie betreffen mindestens 13 Priester oder Ordensleute und mehrere weitere Mitarbeiter der Schule, zu der auch ein Internat gehört.
Premierminister Bayrou war zu der Zeit Bildungsminister
Die Affäre betrifft nicht nur die katholische Kirche in Frankreich, sondern ist auch politisch explosiv: Premierminister Bayrou sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, in seiner Zeit als Bildungsminister von den Missständen an der Schule gewusst und nichts dagegen unternommen zu haben.
Der Politiker soll sich zudem Ende der 90er-Jahre zu einem Verfahren gegen den damaligen Schuldirektor erkundigt und damit das Ermittlungsgeheimnis verletzt haben. Der Geistliche Pierre Silviet-Carricart stand im Verdacht, sich an einem zehn Jahre alten Schüler am Tag der Beerdigung von dessen Vater vergangen zu haben.
Bayrou weist bislang alle Vorwürfe von sich und stellt sich als Opfer einer politischen Kampagne dar. Mitte Mai soll er sich vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss unter Eid dazu äußern. Es gibt Hinweise darauf, dass er durchaus informiert gewesen sein könnte und möglicherweise auch manche Dinge selbst nicht wahrhaben wollte.
Bayrou in Region und mit Wurzel tief verbunden
Der 73-jährige Katholik ist ein in der südfranzösischen Region tief verwurzelter Lokal- und Regionalpolitiker. Er saß 25 Jahre lang im Rat des Départements Pyrénées-Atlantiques, den er zeitweise leitete, war von 1993 bis 1997 Bildungsminister und jahrelang Abgeordneter. Bétharram lag in seinem Wahlkreis.
Zudem hatte Bayrou eine starke persönliche Verbindung zu der Schule: Drei seiner sechs Kinder besuchten die Einrichtung und seine Frau unterrichtete dort Religion. Sein Sohn war in der Klasse eines Jungen, der 1996 einen Hörschaden erlitt, als ein Betreuer ihn ohrfeigte.
Es war der erste Fall, bei dem es zu einer Anzeige kam. Nach Informationen des Magazins „Mediapart“ besuchte Bayrou, der damals Bildungsminister war, kurz darauf Bétharram und prangerte „Angriffe“ gegen die Schule an.
Nach Recherchen von „Libération“ war Bayrou regelmäßig auf Fotos in der Schulzeitschrift zu sehen, auch gemeinsam mit dem später der Vergewaltigung bezichtigten Direktor.
Untersuchungsrichter gab bei Untersuchungsausschuss an, dass Bayrou ihn kontaktiert habe
Der damalige Untersuchungsrichter Christian Mirande sagte kürzlich vor dem Untersuchungsausschuss aus, Bayrou habe ihn kontaktiert, als 1998 das Verfahren gegen den Direktor begonnen hatte.
„Er machte sich Sorgen um seinen Sohn“, sagte Mirande. „Er konnte nicht glauben, was passiert war“, fügte er hinzu. Er sagte jedoch, er könne sich „nicht daran erinnern“, dass er von einer Intervention von Bayrou gesprochen habe. Bayrou bestreitet, dass es ein Treffen mit dem Untersuchungsrichter gegeben habe, und auch, dass er den Direktor überhaupt gekannt habe.
„ Lassen Sie uns absolut klar sein. Und das wird bewiesen werden, denn es wird die Kommission [parlamentarische Untersuchungskommission, Anm. d. Red.] geben und ich werde vor sie treten. Niemals, nicht ein einziges Mal in meinem Leben und in meinem politischen Leben habe ich mich in eine gerichtliche Angelegenheit eingemischt“, habe der Premierminister versichert, schreibt die französische Epoch Times.
Direktor der Schule beging Suizid
Was wirklich passiert war, wurde nie juristisch geklärt: Der Direktor kam gegen den Willen des Untersuchungsrichters frei und wurde in den Vatikan versetzt. Als eine zweite Vergewaltigungsklage gegen ihn einging, nahm er sich im Jahr 2000 das Leben. Sein Leichnam wurde aus dem Tiber gefischt. Bei der Beerdigung in Bétharram war Bayrous Ehefrau anwesend.
Die Berichte der ehemaligen Schüler von Bétharram haben in Frankreich eine Schockwelle ausgelöst. Auch an anderen katholischen Einrichtungen erheben mehr und mehr ehemalige Schüler Vorwürfe.
Bildungsministerin Elisabeth Borne spricht von einem „MeToo der Schulen“. Die juristische Aufarbeitung ist wegen der Verjährung der meisten Fälle jedoch schwierig. Bislang ist ein ehemaliger Betreuer der Schule, dem Vergewaltigung vorgeworfen wird, in Untersuchungshaft. (afp/red)
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