365 Meter hoch: Verzögerungen beim Höhenwindrad – was steckt dahinter?

In Kürze:
- Verzögerung: Das Höhenwindrad wird mindestens ein Jahr später in Betrieb gehen als ursprünglich geplant. Grund laut Hersteller GICON sei die Priorisierung von Genauigkeit.
- Verbreitung: GICON schätzt, dass es hierzulande schon in wenigen Jahren 1.000 Höhenwindräder geben kann.
- Effiziente Flächennutzung: Das erste Höhenwindrad soll Teil eines Hybridkraftwerks sein.
- Rentabilität: Die Amortisationszeit könnte laut Berechnungen länger dauern als die Betriebszeit. Doch darum gehe es laut GICON bei diesem Projekt nicht.
- Materialverbrauch: Das Höhenwindrad verbraucht ein Vielfaches des Stahls einer gewöhnlichen Windkraftanlage.
Der Baufortschritt beim Höhenwindrad im Süden Brandenburgs ist ins Stocken geraten. Im vergangenen Herbst hatte das Dresdner Unternehmen GICON, das die Rekordanlage baut, noch mit einer Inbetriebnahme Mitte 2025 gerechnet. Doch jetzt im Juli beginnen erst die Hochbauarbeiten auf dem inzwischen fertigen Fundament.
Wenn sich die Anlage am Standort Klettwitz im Landkreis Oberspreewald-Lausitz planmäßig auftürmt, soll sie am Ende insgesamt 365 Meter in die Höhe ragen. Das wäre Weltrekord für eine Windkraftanlage. Damit verfehlt sie den Berliner Fernsehturm nur um 3 Meter und wäre das zweithöchste Bauwerk Deutschlands. Zudem hätte die Anlage mit ihrer Turbine in 300 Metern Höhe die höchste Nabenhöhe weltweit.
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„Genauigkeit vor Schnelligkeit“
GICON schilderte der Epoch Times, dass sich die Verzögerung mit der Neuartigkeit dieses Projektes begründet. Ein solches Bauvorhaben habe es weltweit noch nie gegeben. „Das hat zum einen zu einem etwas aufwendigeren Genehmigungsprozess geführt. Zum anderen haben wir stets hervorgehoben, dass Genauigkeit vor Schnelligkeit geht“, erklärte der Pressesprecher Jan Claus.

Blick auf die Baustelle des Höhenwindrades. Es kommt tonnenweise Stahl zum Einsatz. Foto: GICON
Das Unternehmen wolle im Zuge des neuartigen Bauvorhabens lernen und optimieren. „Die angepasste Zeitplanung hängt daher auch damit zusammen, dass wir fortlaufend Lösungen finden, um Prozesse sowohl auf der Baustelle als auch in der Ausführung zu verbessern“, so Claus.
Weil es keinen Kran gibt, der bis in 300 Meter Höhe reicht, wendet GICON beim Höhenwindrad das sogenannte teleskopierbare Turm-in-Turm-System an. Hierzu wird ein innerer Turm per Hubtechnik aus dem äußeren Turm in die Höhe gehoben, sobald auch Gondel und Rotorblätter auf dem inneren Turm montiert sind. Ist der innere Turm hochgefahren, werden sie miteinander fixiert.

Der innere und der äußere Turm sind montiert (Bildschirmfoto einer Animation). Foto: GICON
Aktuell prognostiziert GICON die Inbetriebnahme des Höhenwindrades für Sommer 2026. Ob das klappt, wird sich zeigen. Aufgrund der Neuartigkeit und Höhe des Projektes seien weitere Verzögerungen möglich.
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Höhenwindrad bald an 1.000 Standorten?
Der Zweck dieser dem Eiffelturm ähnlichen Konstruktion ist jedoch nicht der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Mit der Anlage beabsichtigt GICON den Höhenwind anzuzapfen.
In 300 Meter Höhe weht der Wind deutlich stärker und gleichmäßiger als in 100 bis 150 Metern Höhe, wo andere Windkraftanlagen ihre Gondel positioniert haben. Die Nabenhöhe heutiger Anlagen liegt normalerweise bei rund 150 Metern. Somit soll das Höhenwindrad bei gleichem Rotordurchmesser den doppelten Stromertrag im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen erzielen. Neben der Nabenhöhe ist somit auch die Energieausbeute höher.
Ist das Projekt Höhenwindrad erfolgreich, könnte dies eine Erschließung von noch mehr Standorten in Deutschland bedeuten. Jochen Großmann, Gründer und Geschäftsführer von GICON, teilte dazu mit: „Der GICON-Höhenwindturm verschiebt die Grenzen der Windenergie. Damit schaffen wir neue Möglichkeiten für die grüne Stromproduktion, auch an Standorten mit geringem Windaufkommen in den bisher genutzten Höhenbereichen.“
Claus zeigt sich diesbezüglich optimistisch: „Wir sehen bis 2030 ein Potenzial von 1.000 Höhenwindrädern. Als alleinige Anlagen oder in Kombination mit bekannten Windrädern und Solar, um fast grundlastfähige Hybridkraftwerke zu bilden.“
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Dreifache Flächennutzung
Der Vorteil vom aktuellen Rekordprojekt: Das Riesenwindrad verbrauche praktisch keine neue Landfläche. GICON integriert es in einen bestehenden Windpark, in dem auch bereits großflächig Photovoltaik installiert ist.
Der Hersteller spricht hier von einem Hybridkraftwerk, das Solarenergie auf dem Boden und Windenergie auf zwei Ebenen vereint. „Zusatzertrag ohne zusätzlichen Flächenverbrauch“, schreibt GICON. Die zwei Höhenebenen der Windkraft sollen sich dabei nicht gegenseitig die Windenergie rauben.
Auf der gesamten Fläche stehen jedoch wetterabhängige Kraftwerke. Nachts liefert Photovoltaik keinen Strom und bei bedecktem Wetter nur wenig, bei Flaute stehen die Windräder. Das Höhenwindrad wird dabei jedoch wohl noch die größte Effizienz haben, da der Höhenwind auch dann noch häufig weht, wenn weiter unten nahezu Windstille herrscht.
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Pionierarbeit rechtfertigt Minusgeschäft?
Aus Berichten geht hervor, dass das Höhenwindrad rund 25 Millionen Euro bis zur Inbetriebnahme verschlingt. Zum Vergleich: Die Kosten für eine gewöhnliche Windkraftanlage liegen meist noch im einstelligen Millionenbereich.
Dabei stellt sich die Frage, ob sich das Höhenwindrad künftig überhaupt rechnen wird. Die geplante Turbine mit 3,8 Megawatt Nennleistung soll in luftiger Höhe einen Jahresertrag von 18 Gigawattstunden (GWh) generieren. Bei Berücksichtigung von durchschnittlichen Betriebskosten und einer Einspeisevergütung von 6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) ergibt sich eine Amortisationszeit von mehr als 30 Jahren. Die Betriebszeit des Höhenwindrades soll jedoch bei nur 25 Jahren liegen. Somit erscheint dieses Projekt zunächst wie ein Minusgeschäft.
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Claus erklärte hierzu: „Es handelt sich beim GICON-Höhenwindturm in Schipkau um ein Forschungsprojekt. Dabei sind viele Kosten in der Entwicklung und Vorbereitung erforderlich.“ Zudem gebe es mehrere Forschungsarbeiten, wobei die Anlage umfassend ausgerüstet werde.
Der Pressesprecher verweist hierbei auf den Pioniercharakter des Projektes. „Es ist die Zielstellung, mit diesem Vorhaben die Grundlage für die spätere Machbarkeit und wirtschaftliche Umsetzung von Höhenwindrädern zu schaffen“, so Claus.
Unterstützung erhält das Projekt von der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) und ihrem Tochterunternehmen Beventum. Nach Aussage von Claus wolle die Bundesagentur neue Technologien für den Markt vorbereiten. „Wie bei solchen Projekten üblich, werden die Erfahrungen aus dem ersten Projekt für die Weiterentwicklung der Technologie abgeleitet, um wirtschaftlich marktfähige Produkte zu erhalten“, teilte der Pressesprecher mit.
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Höhenwindrad treibt Stahlbedarf in die Höhe
Aufgrund seiner Bauweise benötigt das Höhenwindrad enorme Mengen an Stahl. Für den Bau des Gittermastes kommen insgesamt mehr als 2.000 Tonnen des stabilen Baustoffs zum Einsatz. Er besteht laut GICON aus rund 22.000 Einzelteilen. Im Fundament befinden sich rund 550 Tonnen Stahl, wie Claus mitteilte. Informationen zum Materialverbrauch der Gondel gab das Unternehmen nicht preis.
Auch wenn die Stahlkonstruktion ein wenig wie die des Eiffelturms aussieht, besitzt das Wahrzeichen der französischen Hauptstadt noch deutlich mehr Material – 7.300 Tonnen Stahl sind es dort.
Eine durchschnittliche Windkraftanlage mit 5 Megawatt Leistung und gewöhnlichem Röhrenmast kommt mit deutlich weniger Stahl aus. Der Bundesverband Windenergie teilte der dpa mit, dass Fundament, Turm und Turbine insgesamt zwischen 500 und 600 Tonnen Stahl benötigen. Davon befänden sich im Fundament je nach Modell 80 bis 150 Tonnen Stahl.
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