Stromhandel mit anderen Ländern: So entstehen die Preise

Bei Strommangel kletterte er auf den Rekordwert von 936 Euro, bei Stromüberschuss fällt er oft tief in den Minusbereich: Der Börsenstrompreis fällt durch immer deutlichere Ausschläge auf. Welche Preise gelten beim grenzüberschreitenden Stromhandel?
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Vor allem Angebot und Nachfrage bilden den Börsenstrompreis für den grenzüberschreitenden Stromhandel.Foto: blinow61/iStock
Von 16. Juni 2025

Die Stromrechnung kommt vom Stromanbieter. Das ist klar. Doch hinter den Strompreisen verbirgt sich eine teils undurchsichtige Preisbildung. Neben Steuern, Abgaben und Netzentgelten ist der Börsenstrompreis ein wichtiger Bestandteil des Endpreises für den Kunden.

Der Börsenstrompreis ändert sich stündlich und ist in jedem Land oder, genauer gesagt, in jeder Gebotszone unterschiedlich. Für den grenzüberschreitenden Stromhandel zwischen angrenzenden Ländern gelten dabei ganz eigene Regulierungen.

Deutsche Marktplätze für Strom

Der Börsenstrompreis bildet sich auf dem Strommarkt. Die Bedingungen wie Stromproduktion und -bedarf sowie die Kraftwerks- und Netzinfrastruktur eines jeden Landes bestimmen, wie hoch dort jeweils der Strompreis ist.

In Deutschland gibt es zwei relevante Marktplätze für die Beschaffung von Strom: die Strombörse EEX (European Energy Exchange) mit Sitz in Leipzig und den außerbörslichen OTC-Handel. Über drei Viertel des Stroms werden „über die Ladentheke“ (englisch: over the counter, OTC) gehandelt. Hierbei handelt es sich um Geschäfte mit einer Laufzeit von über 24 Stunden bis zu mehreren Jahren, oft direkt zwischen Erzeugern und Verbrauchern.

Die EEX ist eine deutsche Energiebörse, an der Handel mit Strom, Erdgas, CO₂-Emissionsrechten und weiteren Energieprodukten stattfindet. Sie gilt als größter Marktplatz für in Deutschland produzierten Strom. (Symbolbild) Foto: AndreyPopov/iStock

Im kurzfristigen Geschäft bildet vor allem die Day-Ahead-Auktion an der EEX eine wichtige Orientierung. Sie bestimmt den Preis für den länderübergreifenden europäischen Stromhandel. Auf Anfrage der Epoch Times teilte Fiete Wulff, Pressesprecher der Bundesnetzagentur, mit: „Die Day-Ahead-Börsenstrompreise entstehen im europäischen Strommarkt auf Basis eines Auktionsergebnisses für jede Stunde des Folgetags.“

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Was bestimmt den Preis im Stromhandel?

Wie so oft in der Wirtschaft bestimmen überwiegend Angebot und Nachfrage den Preis für eine Ware. Wenn auf dem Markt von der Ware Strom weniger vorhanden ist, als gerade benötigt wird, steigt ihr Wert oder ihr Preis. Ist das Angebot größer als die Nachfrage, bildet sich ein niedriger Preis, der sogar negativ werden kann. Nach Aussage der Energiebehörde werden Angebot und Nachfrage an der Strombörse „durch den ermittelten Preis in Einklang gebracht“.

Eine wichtige Grundlage für die Preisbildung ist das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Das ist die Anordnung der verschiedenen Kraftwerksarten nach Produktionskosten. Es werden möglichst immer zuerst die günstigsten Kraftwerke zur Stromerzeugung verwendet. Als günstigste Kraftwerke sind Windkraft- und Solaranlagen aufgeführt, als teuerste Gas- und Ölkraftwerke, die wiederum als Reservekraftwerke für die Erneuerbaren fungieren.

„Der Strompreis ergibt sich aus dem Preis des letzten noch benötigten Angebots, das zur Deckung der Nachfrage benötigt wird“, erklärte Wulff. Das heißt jedoch auch, wenn Kraftwerke zu einem geringeren Preis produzieren können, bekommen sie im Rahmen der Merit-Order dennoch die gleiche Vergütung wie das teuerste jeweils noch benötigte Kraftwerk. Das Abschalten mittelteurer fossiler Kraftwerke führt also dazu, dass teurere Kraftwerke benötigt werden, weshalb der Strompreis für alle steigt.

Als weiteren Faktor zur Preisbildung nannte der Pressesprecher die grenzüberschreitenden Kapazitäten zwischen den Gebotszonen, also wie viel Strom auf einmal in das andere Land fließen kann. „Über diese Kapazitäten kann Strom zwischen den verschiedenen Gebotszonen gehandelt werden.“

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Was bezahlen die Länder beim Stromhandel?

Wenn auf dem Wochenmarkt ein Obst- und Gemüsestand 1 Kilogramm Äpfel für 5 Euro an einen Kunden verkauft, ist das der Preis für den Käufer und gleichzeitig die Einnahme des Verkäufers. Ganz so einfach ist es beim Stromhandel nicht. Hier spielt auch der Strompreis des Käufers eine entscheidende Rolle.

Am Donnerstag, 15. Mai, lag der durchschnittliche Day-Ahead-Börsenstrompreis in Deutschland bei 66,24 Euro/MWh und in Frankreich bei 15,51 Euro/MWh. Wulff gibt hier zu bedenken: „Ein marktlich getriebener Stromexport von Deutschland nach Frankreich findet unter diesen Umständen nicht statt, da er ökonomisch gesehen zu einem Verlust führt.“

Durchschnittliche Day-Ahead-Börsenpreise im Stromhandel am 15.05.2025.

Durchschnittliche Day-Ahead-Börsenpreise im Stromhandel am 15. Mai 2025. Foto: Bildschirmfoto/energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Stattdessen fließe hier der Strom von Frankreich nach Deutschland, sofern die grenzüberschreitenden Netzkapazitäten dies zulassen. Die Daten des Stromportals „Electricity Maps“ bestätigen den einseitigen Stromfluss an diesem Tag.

Nun ist es so, dass nach Aussage von Wulff jeder Marktteilnehmer den Preis seiner jeweiligen Gebotszone bezahlt oder erhält. Das bedeutet, der Käufer (Deutschland) bezahlt für die erhaltene MWh seinen Preis, also 66,24 Euro. Gleichzeitig erhält der Verkäufer (Frankreich) jedoch nur seine 15,51 Euro/MWh.

Doch wo landen die in diesem Fall restlichen 50,73 Euro? Wulff erklärte: „Die Differenz verbleibt bei den Betreibern der Stromleitungen, die den grenzüberschreitenden Handel ermöglichen, also in diesem Fall bei den Übertragungsnetzbetreibern Deutschlands und Frankreichs.“ Diese Einnahmen müssen sie für einen der folgenden gesetzlich festgelegten Zwecke verwenden:

  • Sicherstellung der tatsächlichen Verfügbarkeit der vergebenen Kapazität
  • Erhaltung oder Ausbau von zonenübergreifenden Kapazitäten
  • Senkung der Netzentgelte

Preise bei Dunkelflaute und Hellbrise

Durch bestimmte Szenarien können sich an der Strombörse Extrempreise bilden. Hier wirken die bereits erwähnten Faktoren. So stiegen im vergangenen Winter die Preise teils massiv an, als die wetterabhängigen „erneuerbaren“ Energiequellen schwächelten.

Bei den sogenannten Dunkelflauten mit kaum oder keinem Wind und Sonnenlicht kletterte der Börsenstrompreis am 12. Dezember 2024 auf einen Rekordwert in Deutschland an. Zwischenzeitlich kostete die Megawattstunde 936 Euro (Euro/MWh). Sonst liegt der Preis im Durchschnitt bei rund 80 Euro.

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Das andere Extrem taucht hingegen in den Sommermonaten auf: Minuspreise bei der sogenannten Hellbrise. Dabei speisen die vielen Solar- und Windkraftanlagen bei guten Wetterbedingungen zu viel Strom in die Netze ein und erzeugen einen Überschuss an Strom. Dieser muss abtransportiert oder gar „entsorgt“ werden, damit die Netzfrequenz stabil bei 50 Hertz bleibt. Im Stromnetz müssen sich Erzeugung und Verbrauch stets die Waage halten.

Aufgrund dieser elektrotechnischen Notwendigkeit ist überschüssiger Strom wertlos. Mehr noch: Die Netzbetreiber bezahlen häufig Geld dafür, dass Abnehmer wie andere Länder oder Betreiber von Batterieparks den Überschussstrom abnehmen. Einen solchen Überschuss gab es etwa am Sonntag, 11. Mai. Der deutsche Preis sank von 13 bis 14 Uhr auf -250 Euro/MWh, weil die inländischen Kraftwerke über 15 Gigawatt (GW) mehr produzierten, als benötigt wurde. Mit rund 42 GW speisten Photovoltaikanlagen am meisten ein.

Beim Stromhandel mit Frankreich flossen in jener Stunde rund 2.818 MWh dorthin. Deutschland musste demnach 250,32 Euro/MWh, also in dieser Stunde gut 705.400 Euro, dafür bezahlen. „Der Marktteilnehmer in Frankreich erhält praktisch gesehen 72 Euro/MWh für die Abnahme dieses Stroms“, sagte Wulff. Das war grob der französische Börsenstrompreis zu dieser Zeit. Frankreich bekam für diese Überschussstromabnahme knapp 203.000 Euro. Der Rest, gut eine halbe Million Euro, waren Engpasserlöse.

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Gegenseitige Beeinflussung der Strompreise?

Beim Blick auf die Karte der europäischen Strompreiszonen fällt auf, dass benachbarte Gebotszonen häufig ähnlichere Preise haben als weiter entferntere Zonen, so etwa bei Norwegen und Schweden. Die nördlichen Gebotszonen der beiden skandinavischen Länder sind deutlich günstiger als die südlichen, die dem Preis der deutschen Gebotszone nahe liegen.

Durchschnittliche Day-Ahead-Börsenstrompreise der europäischen Gebotszonen in Woche 20 2025. Foto: Bildschirmfoto/energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Das lässt eine länderübergreifende Beeinflussung der Gebotszonen vermuten. Christoph Canne, Bundespressesprecher der Bundesinitiative Vernunftkraft, erklärte dazu: „Nordschweden hat niedrige Preise aufgrund günstiger Wasserkraft. Südschweden hingegen hat höhere Preise, da es stärker mit Deutschland verbunden ist und dessen Preisniveau übernimmt.“ Allerdings würden Kapazitätsengpässe zwischen Nord- und Südschweden eine vollständige Preisangleichung verhindern.

Im vergangenen Winter kritisierte bereits die schwedische Vizepremierministerin Ebba Busch nach einer Dunkelflaute, dass Schweden von Deutschlands „himmelhohen Strompreisen betroffen“ ist.

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Dieser länderübergreifenden Preisbeeinflussung stimmt die Bundesnetzagentur teilweise zu. Wulff sagte: „Bei hoher Nachfrage oder geringem Angebot in diesen Ländern fließt Strom aus SE4 [der südlichsten Gebotszone von Schweden] dorthin, was die lokalen Preise in SE4 erhöhen kann.“

Gleichzeitig betonte der Pressesprecher, dass eine länderübergreifende Beeinflussung der europäischen Strommärkte nicht existiert. „Vielmehr gibt es einen gemeinsamen europäischen Strommarkt nach festen und europäisch legitimierten Regeln, von dem alle beteiligten Länder profitieren. Strom wird dort erzeugt, wo er am günstigsten ist, und grenzüberschreitend gehandelt.“

Laut Wulff werde besonders in der Debatte um schwedische Exporte häufig vergessen, „dass neben den deutschen Verbrauchern auch schwedische Stromproduzenten und damit auch die schwedische Volkswirtschaft in den Stunden, in denen Schweden nach Deutschland exportiert, erheblich profitieren“.



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