Thor Heyerdahl als Vorbild: Steinzeit-Kanu bewältigt gefährliche Meeresströmung

In Kürze:
Authentischer Nachbau: Japanische Forscher haben mit Steinwerkzeugen ein 7,5 Meter langes und 241 Kilogramm schweres Kanu gebaut.
Beschwerliche Reise: Für die 225 Kilometer lange Testfahrt stand den erfahrenen Paddlern nur die Natur und keine Technologien wie GPS oder Kompass zur Verfügung.
Angelandet statt gekentert: Nach 45 Stunden erreichten die Paddler ihr Ziel und bewiesen damit, dass schon vor 30.000 Jahren eine Kanufahrt über die See möglich war.
Japanische Forscher haben mit Steinzeitwerkzeugen wie vor 30.000 Jahren eine Art Kanu gebaut. Mit dem Gefährt und ohne moderne Hilfsmittel konnten erfahrene Paddler schließlich eine der stärksten Meeresströmungen der Welt durchqueren.
Dies beweise, dass Menschen der Altsteinzeit in der Lage waren, mit einfachen Booten vom heutigen Taiwan zu einigen der Inseln im Süden Japans zu gelangen, erläutern die Forscher um Yōsuke Kaifu von der Universität Tokio.
Keine einsame Insel
Wann und wohin die frühen Menschen eingewandert sind und sich in Ostasien niedergelassen haben, ist relativ gut bekannt. Wie sie sich jedoch auf tückischen Seestrecken zwischen den ostasiatischen Inseln bewegten, ist noch immer ein Rätsel.
Dass sie einen Fuß auf die Inseln setzten, zeigen unter anderem archäologische Funde aus der Zeit vor 35.000 bis 30.000 Jahren auf den Ryūkyū-Inseln im Südwesten Japans. Doch wie kamen die Menschen ohne Landkarten, moderne Navigationsgeräte und große, stabile Schiffe dorthin? Dies wollten die Forscher aufklären.
„Wir begannen dieses Projekt mit einer einfachen Frage: Wie kamen die Menschen der Altsteinzeit auf so abgelegene Inseln und wie schwierig war ihre Reise?“, so die Forscher.

Immer wieder fragten sich Forscher, wie die Menschen der Altsteinzeit abgelegene Inseln erreichten. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
Floß, Kanu oder etwas anderes?
Zunächst simulierten sie die Durchquerung einer der stärksten Strömungen der Welt, des Kuroshio, am Computer. Diese schnell fließende Meeresströmung verläuft im westlichen Pazifik von den Philippinen nordostwärts entlang der Ostküste Taiwans und Japans.
„Der Kuroshio gilt allgemein als gefährlich zu befahren. Ich dachte, wenn man ihn betritt, kann man nur ziellos treiben. Aber die Ergebnisse unserer Simulationen gingen weit über das hinaus, was ich mir vorgestellt hatte“, sagte die an der Forschung beteiligte Ozeanografin Yu-Lin Chang.

Die 225 Kilometer lange Fahrt führte entlang des Kuroshio von Wushibi auf Taiwan zur Insel Yonaguni. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
Doch wenn moderne, sicherere Schiffe nicht zur Verfügung standen, wie überquerten die Menschen schließlich diesen reißenden Strom?
„Zunächst gingen wir davon aus, dass die Menschen der Altsteinzeit Flöße benutzten, aber nach einer Reihe von Experimenten stellten wir fest, dass diese Flöße zu langsam sind, um den Kuroshio zu überqueren. Und sie sind nicht haltbar genug“, erklärt Kaifu.
Im Verlauf der Forschung stellte sich heraus, dass ein Gefährt, das die Forscher als letztmöglichen Kandidaten ansahen, die Lösung sein könnte: der Einbaum – ein aus einem einzigen Baumstamm gefertigtes Boot.

Das fertige Kanu wiegt 241 Kilogramm, ist etwa 7,5 Meter lang und bietet Platz für fünf Paddler. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
Inspiriert von der Kon-Tiki-Expedition des norwegischen Forschers Thor Heyerdahl im Jahr 1947 baute das Team um Kaifu schließlich einen Einbaum. Verwendet wurden dabei authentische Werkzeuge aus der damaligen Zeit, wie Steinäxte. Allein das Fällen einer 1 Meter dicken Tanne dauerte mit den einfachen Steinwerkzeugen sechs Tage.

Das Fällen des Baumes dauerte sechs Tage. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
Fünf Paddler im 241-Kilo-Kanu
Das 7,5 Meter lange und 241 Kilogramm schwere Boot bekam den Spitznamen „Sugime“. Im Juli 2019 stachen fünf erfahrene Paddler – vier Männer und eine Frau – damit in See. Sie orientierten sich dabei nur an der Sonne, den Sternen, dem Wellengang und ihrem Instinkt – ohne Technologien wie GPS oder Kompass.
In einer Art Tagebuch berichtet die Crew unter anderem von erschöpfungsbedingten Navigationsfehlern, Wasser im Boot, Schmerzen und dem Kampf gegen Müdigkeit und Hitze. Rund 45 Stunden nach dem Start kam die „Sugime“ nach einer 225 Kilometer langen Reise an der Insel Yonaguni an, die zu den Ryūkyū-Inseln gehört.

Insgesamt dauerte die beschwerliche und äußerst anstrengende Fahrt fast zwei Tage und zwei Nächte. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
„Wir wissen jetzt, dass diese Kanus schnell und haltbar genug sind, um die Überfahrt zu schaffen, aber das ist nur die Hälfte der Geschichte“, sagte Kaifu. „Diese Menschen müssen allesamt erfahrene Paddler gewesen sein, die über effektive Strategien verfügten und einen starken Willen hatten, das Unbekannte zu erkunden.“
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Diese Ergebnisse deuten auf ein hohes Maß an strategischem Wissen über die Seefahrt bei den frühen modernen Menschen hin. „Eine wichtige Botschaft des gesamten Projekts war, dass sich unsere Vorfahren strategischen Herausforderungen stellen mussten, um voranzukommen und diese meisterten“, so Kaifu. „Zum Beispiel hatten die alten Polynesier keine Karten, aber sie konnten fast den gesamten Pazifik bereisen.“

Die Forscher bauten das Kanu mit alten Werkzeugen aus Stein, wie sie vor 30.000 Jahren zum Einsatz kamen. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
Reise ohne Rückfahrtticket
Die Menschen der Altsteinzeit hatten mit der rudimentären Technologie, die ihnen damals zur Verfügung stand, also Außergewöhnliches geleistet. Dennoch könnte ihre Fahrt eine ohne Wiederkehr gewesen sein.
„Wir glauben nicht, dass eine Rückfahrt möglich war. Wenn man eine Karte hat und das Strömungsmuster des Kuroshio kennt, kann man eine Rückfahrt planen, aber so etwas hat wahrscheinlich erst viel später in der Geschichte gegeben“, erklären die Forscher.

Den Paddlern standen bei der Fahrt nur die Sonne, die Sterne, der Wellengang und ihr Instinkt zur Verfügung. Foto: Kaifu et al. (2025) | CC BY-ND 4.0
Auch nach Jahren der Überfahrt arbeitet das Team weiter an dem Projekt. So wollen die Forscher noch einige der während des Experiments gesammelten Daten auswerten und die Ergebnisse nutzen, um Modelle über verschiedene Aspekte der Seeüberquerung in dieser Region vor so langer Zeit zu erstellen.
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Ihre bisherigen Ergebnisse hielten die Forscher in zwei separaten Studien zu den allgemeinen Bedingungen und Schwierigkeiten bei der Überquerung des Kuroshio sowie über den Nachbau des Kanus fest. Beide Studien erschienen am 25. Juni 2025 im Fachjournal „Science Advances“.
(Mit Material der Nachrichtenagentur dpa)
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