Stonehenge: Ein Monument zwischen Mythen, Ideologie und Wahrheit

In Kürze:
Ursprung: Als Erbauer von Stonehenge wurden Riesen, die Römer, Merlin aus der Artussage, Kelten und Außerirdische diskutiert.
Zweck: Wieso die Menschen vor 6.000 Jahren in England tonnenschwere Steine übereinandergestapelt haben, ist bis heute unklar.
Mythos: Die Ideologie des 16. Jahrhunderts ist der Grund, weshalb Stonehenge fälschlicherweise mit satanischen keltischen Druiden verbunden wurde.
Jedes Jahr versammeln sich am Abend des 20. Juni unzählige Schaulustige, um eine jahrhundertealte Reise anzutreten. Das Ziel: Stonehenge, um den Sonnenaufgang am Tag der Sommersonnenwende zu erleben, wie es die Menschen bereits vor 6.000 Jahren taten.
Früher wie heute scheint das Monument eine unbeschreibliche Anziehungskraft zu besitzen. So kommt es, dass Menschen seit mindestens zwei Jahrhunderten versuchen, den geheimnisvollen Zweck des unübersehbaren Kreises Stein um Stein zu ergründen.
Manche Vorstellungen erscheinen dabei sehr abenteuerlich. Der britische Archäologe Christopher Chippindale erklärt, dass vieles, was über Stonehenge geschrieben wurde, erfunden oder falsch sei. Was verbirgt sich also hinter der Fassade vom Mythos der Druiden und warum stapelten die Menschen in einer Zeit ohne technische Hilfsmittel tonnenschwere Steine übereinander?

Der britischen Maler John Constable (1776–1837) zeichnete Stonehenge in einem seiner Gemälde. Foto: Gemeinfrei
Was ist Stonehenge?
Die riesigen, aufrecht stehenden und übereinandergestapelten Steine – sogenannte Megalithen oder Menhire – sind erstmals in englischen Quellen des 12. Jahrhunderts erwähnt. Dort nennt der Verfasser Heinrich von Huntingdon (um 1088–1157) den Steinkreis als eines von vier Wundern Britanniens.
Damals wie heute befindet sich Stonehenge auf der Hochebene Salisbury Plain im südenglischen Wiltshire. Das Monument besteht im Wesentlichen aus drei Teilen (von außen nach innen): einer Einfriedung, einer äußeren und einer inneren kreisförmigen Ansammlung von Steinen.

Vereinfachter Aufbau von Stonehenge. Foto: kms/Epoch Times
Die Einfriedung
Sie besteht aus einem kreisrunden, 100 Meter großen Wall mit vorgelagertem Graben. Über den breiten Haupteingang im Nordosten, von wo aus ein Weg zum Fluss Avon führt, gelangen Besucher ins Innere.
Direkt hinter dem Wall sind 56 Löcher kreisförmig in den Boden eingelassen. Der Nutzen dieser sogenannten Aubrey-Löcher ist unklar. Weiter innen – nah an der äußeren Steinansammlung – befinden sich zwei weitere im Kreis angeordnete Reihen mit je 30 Löchern, den Y- und den Z-Löchern, ebenfalls mit unbekanntem Nutzen.

Aus der Vogelperspektive ist der Wall mit Graben gut zu erkennen. Foto: Alexey_Fedoren/iStock
Der äußere Steinkreis
Auch die äußere Steinansammlung besteht aus zwei kreisförmigen Reihen, dieses Mal aus aufgestellten Steinen. Die äußere Reihe umfasst je 30 stehende und liegende etwa 50 Tonnen schwere Sarsen, einen harten blassbraunen Sandstein. Der innere Kreis besteht aus 60 kleineren Blausteinen, einem blau schimmernden Vulkangestein.

Blick auf die äußere Steinansammlung mit ihren zwei Steinringen. Foto: jessicaphoto/iStock
Der innere Steinkreis
Die innere Steinansammlung ist mit einem äußeren Ring aus Sarsensteinen und einem inneren Ring aus Blausteinen ähnlich aufgebaut. Im inneren Steinkreis sind die Sarsensteine jedoch zu torähnlichen Trilithen aufgestellt – mit zwei Trägersteinen und einem Deckstein. Damit die gestapelten Steine besser halten, wurden Zapfen und Zapfenlöcher wie im Zimmermannshandwerk eingearbeitet.

Alle gestapelten Steine, auch die Trilithen (l.), erhielten für einen besseren Halt Zapfen und Zapfenlöcher (r.). Foto: TonyBaggett/iStock; Caskination, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0
Ein Bau aus klingenden Steinen
Weiterhin gibt es noch zwei von möglichen vier kleinen „Stationssteinen“, die kurz hinter dem Wall liegen und deren Funktion ebenfalls unklar ist. Deutlich größer sind die drei einzeln liegenden Megalithen: der Altarstein, der Opferstein und der Fersenstein. Auch ihr einstiger Nutzen ist trotz irreführender und ausgedachter Bezeichnungen ungewiss.
Der Aufbau des Monuments scheint von seinen Erbauern wohldurchdacht gewesen zu sein. Den Grundstein legten die Schaffer von Stonehenge rund 3000 v. Chr. mit dem Anlegen von Wall und Graben. Über 1.500 Jahre lang folgte ein schrittweiser Ausbau der Anlage – heute grob in fünf Baustufen eingeteilt –, wobei mit den Y- und den Z-Löchern die letzte Änderung vorgenommen wurde.
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Auch die Steine scheinen bewusst gewählt worden zu sein. Während der braune Sandstein aus rund 30 Kilometern Entfernung stammt, holten die Erbauer die Blausteine aus einer Entfernung von fast 250 Kilometern heran. Außerdem bescheinigte eine Studie aus dem Jahr 2013 den Blausteinen eine „ungewöhnliche akustische Eigenschaft“.

Der sogenannte Fersenstein (l.) ist der äußerste aufgestellte Stein in Stonehenge. Foto: Finnbarr Webster/Getty Images
Sonnenobservatorium und andere Theorien
Wofür setzten die Menschen 1.500 Jahre lang mühevoll einen tonnenschweren Stein auf den nächsten? Diese Frage versuchen viele Wissenschaftler und Hobbyforscher zu beantworten. Einige Theorien warfen jedoch mehr Fragen auf, als sie beantworteten, während andere abstrus erschienen.
Eine der abenteuerlichen Theorien ist die These, dass Stonehenge aufgrund von Überbevölkerung erbaut wurde. Als ebenso unwahrscheinlich gilt, dass Stonehenge und andere Steinkreise durch sogenannte Ley-Linien miteinander verbunden sind. Diese Linien werden mal als Wege und mal als Verbindung erdmagnetischer Kraftfelder interpretiert.
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Einer anderen Theorie zufolge sei Stonehenge ein Ort der Heilung. Dies erinnert an die zuvor genannte Studie der Blausteine, da antike Kulturen den klingenden Steinen mystische und heilende Kräfte nachsagen.

Stonehenge wurde aus Sarsensteinen (l.) und Blausteinen (r.) erbaut. Foto: Sandy Gerrard, Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.0
Inzwischen dominieren zwei andere Theorien: 1. Stonehenge ist eine Art Sonnenobservatorium und 2. der Steinkreis diente als Ort der Erinnerung und Ehrung Verstorbener. Für beide Ideen gibt es ähnlich viele Befürworter wie Gegner.
Im Fall des Sonnenobservatoriums scheinen zwar die „Toröffnungen“ mit den davorstehenden Steinen und dem Eingang zum Sonnenaufgang am 21. Juni zu passen, allerdings decken sich andere Bauelemente nicht mit astronomischen Markern. Für die Theorie vom Ort des Andenkens sprechen die vielen im Umfeld von Stonehenge gelegenen Gräber und die Tatsache, dass Naturvölker Stein mit Tod verbinden. Aber dies reicht nicht für einen eindeutigen Beleg.

Nur der Hauptzugang und wenige Toröffnungen sind nach dem Sonnenaufgang am 21. Juni (roter durchgehender Pfeil) ausgerichtet. Foto: Gemeinfrei
Wie wurde Stonehenge erbaut?
Einfacher zu beantworten scheint die Frage nach dem Wie. Bereits früh wurde ausgeschlossen, dass die nicht lokal vorkommenden Bausteine als Findlinge per Gletscher in die Nähe des Aufstellungsortes gelangten.
Vielmehr vermuten Forscher, dass die bis zu 50 Tonnen schweren Steine an Land mithilfe von Holzschlitten oder durch Ziehen über einen mit Holzstämmen ausgelegten Weg bewegt wurden. Dass ein Transport an Land grundsätzlich möglich ist, zeigten Experimente aus dem Jahr 2016.
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Vier Jahre zuvor hatten Wissenschaftler versucht, zusammen mit Freiwilligen einen Stein per Boot über den Fluss zu transportieren, was nur bei günstiger Witterung glückte. Eine weitere Möglichkeit sei das Ziehen der Steine durch den Fluss mittels Booten.
Um die Steinbrocken schließlich aufzustellen, könnten Holzplattformen zum Heben oder Rampen aus festgestampfter Erde zum Einsatz gekommen sein. Ebenso möglich sind Hebel, Seile und ein A-förmiger Holzrahmen zum Aufrichten.

Tonnenschwere Steine könnten über Holzbalken oder Rollen zum Aufstellungsort gezogen und dann mittels Seilen und A-Bock aufgerichtet worden sein. Foto: Lozano Rodríguez et al. (2024), doi: 10.1126/sciadv.adp1295 | CC BY-NC 4.0
Insgesamt schätzen Wissenschaftler den benötigten Zeitaufwand zum Bau von Stonehenge auf 20 Millionen Arbeitsstunden. Und schließlich gibt es noch eine Frage: Wer hat sich die Zeit dafür genommen?
Stein um Stein: Aliens, Römer und Riesen
Als potenzielle Erbauer von Stonehenge kamen bereits viele Kulturen und Wesen ins Spiel. In Volkssagen übernehmen diese Rolle oft Riesen oder zwergenähnliche Gestalten. Der älteste Vorschlag passt wenig verwunderlich dazu und stammt von dem britischen Mönch Geoffrey von Monmouth (um 1100–1154). Ihm zufolge brachte der berühmte Zauberer Merlin aus der Artussage Stonehenge, das zuvor von Riesen in Irland erbaut worden war, nach England. Die Steine stammen laut Monmouth ursprünglich aus Afrika und besaßen Heilkräfte.
Als Nächstes vermutete man die Römer als Erbauer und später das antike Handelsvolk der Phönizier. Im 17. Jahrhundert schrieb der Altertumsforscher John Aubrey (1626–1697) den Steinkreis den Kelten zu. Dies hatte ungeahnte und gewichtige Folgen: Aubreys Theorie erschuf ein Bild von keltischen Druiden mit Stonehenge als ihrem Tempel – etwas, das später auf fatale Weise die Kultur prägen sollte. Neuzeitliche Vorstellungen von Außerirdischen als Erbauern, wie Erich von Däniken vorschlug, setzten sich nicht durch.

Die Zeichnung zeigt den Bau von Stonehenge durch einen Riesen mit der Hilfe von Merlin. Es ist die älteste bekannte Illustration von Stonehenge. Foto: Gemeinfrei
Tatsächlich sind die Erschaffer von Stonehenge menschlich und scheinen laut genetischen Analysen aus Regionen entlang der Atlantikküste zu stammen. In ebenjenem Gebiet im heutigen Portugal, Spanien und Frankreich finden sich bis heute die meisten Megalithbauten.
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Die Erbauer von Stonehenge waren vor 6.000 Jahren als einfache Ackerbauern und Viehzüchter in das heutige England gekommen. Wenige hundert Jahre später wanderten erneut Menschen aus dem europäischen Festland auf die Insel ein und brachten vermutlich die Kunst der Metallverarbeitung – zunächst von Kupfer – mit. Da diese Menschen jedoch keine Schriften hinterließen, ist der Nutzen von Stonehenge unklar.
Stonehenge: Erst bewundert …
Wegen seiner einzigartigen Erscheinung zog Stonehenge früh Neugierige, vor allem Künstler, magisch an. Die älteste naturgetreue Zeichnung des Steinkreises stammt von dem flämischen Maler und Poeten Lucas de Heere (1534–1584), der Stonehenge vermutlich persönlich besuchte. So schwärmte er:
Betritt man das Gebäude, ob zu Fuß oder zu Pferd, sieht sich um und blickt auf die gähnenden Überreste, ruft dies unbeschreiblich verzückte Traumgebilde hervor […].“

Die älteste realistische Darstellung von Stonehenge stammt von Lucas de Heere (1534–1584). Foto: Gemeinfrei
Auch die beiden britischen Maler John Constable (1776–1837) und William Turner (1775–1851) verewigten Stonehenge in einem ihrer Gemälde. Die Begeisterung für den Steinkreis reicht auch bis in die heutige Zeit. Im Mai 2023 fertigten Künstler einen 1,60 Meter hohen Nachbau von Stonehenge aus über 400.000 Legosteinen an.

„Stonehenge“ gemalt von William Turner (1775–1851) im Jahr 1828. Foto: Gemeinfrei
Ein Schatten legte sich jedoch ab dem 16. Jahrhundert zusehends über das unbefleckte Image des Steinkreises. Zu dieser Zeit suchten nordeuropäische Nationen nach heldenhaften Vorfahren. England fand diese mit den Kelten, die sich immer wieder erfolgreich gegen die damalige Großmacht, das Römische Reich, behaupteten. So wurde die Verbindung zwischen keltischen Druiden und Englands ältestem und bekanntestem Bau schnell geknüpft.
… dann verunglimpft?
Einen negativen Hauch brachten schließlich die damals wiederentdeckten römischen Schriftquellen mit. Iberer, Germanen und die Völker Britanniens waren den Römern ein Dorn im Auge. Sie besaßen Land und Rohstoffe, die Rom wollte, und die Völker weigerten sich, ihre gewohnte Lebensweise und ihre Kultur gegen die der Römer einzutauschen. Für die Römer waren sie unzivilisiert – ein Umstand, den es zu beheben galt, und sei es mit Gewalt. Dementsprechend kam es häufig zu erbitterten Kämpfen, deren Ergebnisse mitunter schriftlich festgehalten wurden.
Naturvölker wie die Kelten besaßen jedoch keine Schrift, um ihre Sicht der Dinge für die kommenden Jahrtausende niederzuschreiben. Überliefert ist also die einseitige Geschichte der Römer, die kein gutes Haar an ihren „barbarischen“ Feinden ließen. Eigene Verdienste wurden dabei nachweislich übertrieben dargestellt oder Zahlen geschönt, um selbst größer und siegreicher dazustehen. Außerdem wurden die ungeliebten Kelten mit ihren Druiden als satanische, Menschen opfernde Wilde dargestellt, die sie vielleicht nie waren.
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Ab dem 16. Jahrhundert verfestigte sich das Bild von Stonehenge als Tempel keltischer Druiden. Foto: G.Garitan, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0
Letztlich schreiben die Sieger die Geschichte – oder jene, die schreiben konnten. Schriftquellen sind somit Fluch und Segen zugleich, wie eine Medaille, deren Kehrseite wir nicht kennen. Und am Ende liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Vielleicht ist dies auch bei Stonehenge und seinen vielen Theorien der Fall.
Stonehenge ist nicht allein
Ähnliche Anlagen finden sich aus Stein und Holz auf der ganzen Welt verteilt.
Stoplesteinan
Land: Norwegen
Durchmesser: 21 Meter
Alter: unbekannt

Der Steinkreis „Stoplesteinan“ in Norwegen. Foto: Gemeinfrei
Steinkreise von Wassu
Land: Gambia
Durchmesser: 4–6 Meter
Alter: circa 1.300 Jahre

Die Steinkreise von Wassu in Gambia. Foto: Peter van der Sluijs, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0
Steinkreis von Callanish
Land: Schottland
Durchmesser: 12–14 Meter
Alter: 4.600–4.900 Jahre

Der Steinkreis von Callanish in Schottland. Foto: Rini Kools/iStock
Steinkreis in der Tropfsteinhöhle von Bruniquel
Land: Frankreich
Durchmesser: circa 5–7 Meter
Alter: circa 176.500 Jahre

Der Steinkreis in der Tropfsteinhöhle von Bruniquel, Frankreich. Foto: Luc-Henri Fage/SSAC, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0
Steinkreis von Zorakarer
Land: Armenien
Durchmesser: circa 30 Meter
Alter: circa 3.000 Jahre

Der Steinkreis von Zorakarer in Armenien. Foto: raagoon/iStock
Menhiranlage von Darmstadt
Land: Deutschland
Durchmesser: über 5 Meter
Alter: 4.000–7.000 Jahre

Die Menhiranlage von Darmstadt, Deutschland. Foto: Axel Polsfuss, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0
„Woodhenge“ in Goseck
Land: Deutschland
Durchmesser: circa 70 Meter
Alter: circa 6.900 Jahre

Die Kreisgrabenanlage von Goseck in Deutschland wurde 2005 in Originalgröße rekonstruiert. Foto: Iurii Buriak/iStock
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