Austrittswelle: Tod eines Schauspielers löst politisches Erwachen in China aus

Manchmal fehlt nur ein Funke, um einen Steppenbrand oder eine Explosion auszulösen. Vielleicht könnte der unfreiwillige Tod eines chinesischen Schauspielers dieser unscheinbare Funke sein.
Titelbild
Schauspieler Yu Menglong am 1. Dezember 2019 auf dem roten Teppich beim 2. Hainan Island International Film Festival in Sanya.Foto: CG/VCG via Getty Images
Von 27. Oktober 2025

Am frühen Morgen des 11. September 2025 stürzte ein chinesischer Filmstar aus dem fünften Stock eines Wohnkomplexes in Peking in den Tod. Die Polizei hatte noch am selben Tag ihr offizielles Ergebnis parat: Ein Unfallgeschehen unter Alkoholeinfluss – soll es gewesen sein. In den chinesischen sozialen Medien verbreitete sich jedoch rasend schnell die Ansicht, dass hier etwas anderes vorgefallen sein soll und die Polizei die Wahrheit vertusche. Yu Menglong soll ermordet worden sein, vermuteten viele – und mächtige Personen könnten involviert gewesen sein.

Zensurkampagne nach ominösem Tod eines Filmstars

Eine kürzlich gemachte Aussage des 37-jährigen Schauspielers und Sängers in einem Livestream gewann rückwirkend große Aufmerksamkeit: „Wenn ich eines Tages plötzlich verschwinde, dann wisst ihr, dass es kein Unfall war“, hatte Yu Menglong mit einer Prellung an der Stirn gesagt, bevor die Übertragung plötzlich zusammenbrach.

Nach dem Tod von Yu und den aufkommenden Vorwürfen und Gerüchten ordnete das kommunistische Regime eine strenge Zensurkampagne im Internet an. Doch die Menschen wollten sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Im Ausland lebende Chinesen starteten am 20. September eine Petition auf einer US-Seite, die eine „unabhängige, transparente Untersuchung“ des Falls und die Anwendung des Gesetzes forderte. Gegenwärtig hat die Petition mehr als 600.000 Unterschriften gesammelt. Und auch in China reißt das öffentliche Interesse an dem Fall nicht ab und steigert sich in einen lauten Ruf nach Gerechtigkeit.

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„Tuidang“ – eine Austrittswelle rollte über China

Da Proteste und Diskussionen in China sofort unterbunden wurden, suchten viele empörte Menschen nach einem anderen Weg des symbolischen Widerstandes – und wurden fündig: die „Aufkündigung“ der Mitgliedschaft in den kommunistischen Jugendorganisationen und der Partei selbst. Der Unmut der Bürger nach dem ominösen Tod von Yu Menglong und die unsichere Wirtschaftslage entfachten die breit angelegte Austrittsbewegung erneut.

Eigentlich begann die große „Austrittsbewegung aus der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh)“ (Tuidang) bereits vor über zwei Jahrzehnten nach der Veröffentlichung einer Editorial-Reihe in der chinesischsprachigen Epoch Times. Diese Reihe von Schriften, die im Westen in Buchform in viele Sprachen übersetzt wurde, gilt in China als Untergrundklassiker, deren Besitz streng bestraft wird. Der deutsche Titel ist im Epoch-Times-Shop noch als E-Book-Version mit dem Titel „Neun Kommentare über die Kommunistische Partei“ erhältlich.

483 Millionen – und neuer Zulauf durch Schauspielertod

Die Daten der in China gesammelten Austrittserklärungen werden in den USA auf der Website des „Global Service Center for Quitting the Chinese Communist Party“ dokumentiert. Mittlerweile ist die Zahl der Austrittserklärungen auf über 483 Millionen angewachsen. Nach Angaben der amerikanischen Epoch Times wurde in vielen jüngsten Einsendungen von Austrittserklärungen der Fall von Yu Menglong explizit als Motivation für diesen Schritt erwähnt.

Michael Yu, Direktor des Global Service Centers, erklärte diese dramatische Zahl, die wesentlich höher ist als die eigentliche Zahl der etwas über 100 Millionen Parteimitglieder. Demnach handelt es sich eigentlich um drei Austritte, die dokumentiert werden: aus der Partei selbst, aus dem Kommunistischen Jugendverband und aus der Organisation der Jungen Pioniere, berichtet der US-Sender NTDTV.

(v. l.) Piero Tozzi, leitender politischer Berater des US-Abgeordneten Chris Smith (RN.J.), US-Abgeordneter Scott Perry (R-Pa.), Robert Destro, ehemaliger stellvertretender Staatssekretär für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit, und Smith stehen am 17. Juli 2025 in Washington zusammen mit Menschen, die Austrittsbescheinigungen aus den mit der Kommunistischen Partei Chinas verbundenen Organisationen erhalten. Foto: Samira Bouaou/The Epoch Times

Gebunden mit einem unheiligen Eid

Yu erklärte, dass die Partei seit ihrem Bestehen für den unnatürlichen Tod von über 80 Millionen Chinesen verantwortlich sei. Zu den bekanntesten Verbrechen zählen demnach die Kulturrevolution (1966–1976), die Niederschlagung der Studentenproteste vom 4. Juni 1989 und der Beginn der Verfolgung von Falun Gong ab 1999 – einer friedlichen Meditationspraxis, die auf den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht beruht.

Yu erklärte: Ohne die Wahrheit zu kennen, hätten sich viele Menschen der KPCh angeschlossen und gelobt, für die Partei „ihr Leben zu opfern“ und „bis an ihr Lebensende zu kämpfen“. Diese Gelübde seien zu einer unauslöschlichen geistigen Fessel in ihren Herzen geworden, so Yu. „Aus der Perspektive der traditionellen chinesischen Kultur müssen Eide und Versprechen wirksam sein und eingehalten werden. Wenn Sie der Partei, dem Kommunistischen Jugendverband oder den Jungen Pionieren beitreten, schwören Sie, ihnen Ihr Leben zu widmen. Dies ist nicht nur eine einfache Aussage, sondern eine echte Verpflichtung. Wenn Sie nicht freiwillig austreten, tragen Sie die Verantwortung und die Konsequenzen.“

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17. Juni 2021 in Shanghai, China: Eidablegung im Gedenkhaus des Ersten Nationalkongresses der Kommunistischen Partei Chinas. Die Gedenkstätte gilt zusammen mit dem Nanhu Red Boat in Jiaxing als Geburtsort der KPCh und ist einer der wichtigsten Orte des sogenannten „Roten Tourismus“. Foto: Andrea Verdelli/Getty Images

Eine Chinesin, die heute in Kanada lebt, erklärte: „China ist heute ein riesiger Fleischwolf“, so Li Fangfang. „Die einfachen Leute sind nur noch Ersatzteile für die rote Elite. Ich verlasse den Kommunistischen Jugendverband und die Jungen Pioniere endgültig.“ Ein 22-Jähriger aus der Provinz Henan schrieb: „Nachdem ich gesehen habe, wie die KPCh Übeltäter mit der Macht des Staates schützt, kann ich nicht länger schweigen. Hiermit annulliere ich jeden Eid, den ich jemals gegenüber der Partei geleistet habe.“

Selbst einstige China-Patrioten änderten ihre Sichtweise: „Ich habe mich immer als äußerst patriotisch betrachtet. Aufgrund unserer Erziehung wurde uns beigebracht, dass wir ohne die Partei nicht das gute Leben hätten, das wir heute genießen“, schrieb Li Shuai in den USA. „Aber mit der modernen Technologie ist es nicht mehr möglich, Informationen vollständig zu blockieren. Viele der Dinge, die sie absichtlich zu vertuschen versucht hat, werden jetzt nach und nach aufgedeckt.“ Zu dem aktuellen Todesfall schrieb Li: „Insbesondere der Fall Yu Menglong hat mich zutiefst verunsichert und lässt mich keinen Frieden finden.“ Seine Beiträge in den chinesischen sozialen Medien wurden allesamt gelöscht, hatte Li erklärt.

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Naht der Moment der Abrechnung?

Die ehemalige chinesische Anwältin Zhou Junhong bezeichnete die „Austrittsbewegung aus der KPCh“ als eine Form der „spirituellen Selbstrettung“. Sie meinte: „In China gibt es weder Wahrheit noch Gerechtigkeit. […] Nur durch den vollständigen Bruch mit der KPCh kann man sich retten. Tatsächlich ist dies eine Möglichkeit, sich zu erheben und zu kämpfen.“

Laut der chinesischsprachigen Epoch Times hätten viele Beobachter des Geschehens in ihren Aussagen gegenüber der Zeitung erklärt, dass Yu Menglongs Tod mittlerweile mehr symbolisiert als nur eine Promi-Tragödie. Er sei zu einem Katalysator für Reflexion und Widerstand geworden. Er markiere einen Moment der Abrechnung – und zwar für eine Generation von Chinesen, die unter der Kontrolle der KPCh immer weniger bereit sei, zu schweigen.



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